Eva Dichand: "Je mehr man sich wehrt, desto ärger wird es"
„Heute“-Herausgeberin Eva Dichand über anstrengende Shitstorms, den heimischen Hang zur Missgunst, ihr Verhältnis zu Thomas Schmid und die Vision, nur noch Kunstsammlerin zu sein.
KURIER:Warum haben Sie heuer die Geschäftsführung von „Heute“ abgegeben?
Eva Dichand: Weil ich schon lange nicht mehr operativ tätig war, habe ich mich auf die Herausgeberrolle zurückgezogen. Ich würde gerne weniger arbeiten, derzeit schaut es aber nicht danach aus. Ich beschäftige mich u. a. mit der Weiterentwicklung unseres Online-Portals.
Wie verändert Künstliche Intelligenz die Medien?
Es wird die ganze Welt verändern, wie nichts davor. Google geht jetzt in den Nachrichtenbereich. Wie viele Tote es im Gazastreifen gibt, können die via Satellitenbilder erkennen. Die großen Tech-Konzerne werden damit immer überlegener. Aber die, die es bei uns rasch genug umsetzen können, werden auch einen Sprung machen.
Ohne staatliche Förderung nicht mehr sehr lange. Die Bilanzen der Marktteilnehmer sind fast alle negativ. In den USA sind viele Zeitungen einfach eingegangen. Aber die Online-Ausgaben sind in einem kleinen Land wie Österreich schwierig zu monetarisieren.
Die Koalitionsverhandler haben momentan allerdings tiefgreifendere Probleme als die Presseförderung. Wie beurteilen Sie die Lage der Politik?
Das hat schlecht begonnen. Statt zu erklären, wo es hingehen soll, hat man diskutiert, was alles nicht geht. Man wundert sich, wie das jemals funktionieren soll. In der Bevölkerung, das wissen wir aus unseren Leserreaktionen, wird es nicht sonderlich gutgeheißen, dass man mit einem Kandidaten überhaupt nicht redet, während ein Bundesland nach dem anderen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung bekommt.
Hätten Ihre Leser einen Kanzler Kickl gewollt?
Nein, das glaube ich nicht, aber die Leute wollen Veränderung. Hauptthema, das jetzt langsam auch die Linken aufgreifen, ist die Zuwanderung, samt der nicht funktionierenden Integration. Die Menschen müssen damit umgehen, dass in den Schulklassen ihrer Kinder plötzlich niemand mehr Deutsch spricht. Politiker, die noch immer behaupten, wir brauchen Zuwanderung, weil viele Stellen nicht besetzt werden können, stoßen auf Widerstand.
Wir haben doch tatsächlich zu wenig Pfleger und Techniker.
Aber die, die kommen, sind leider keine ITler. Allein in Wien haben wir 137.000 Arbeitslose. Das Riesenzukunftsthema ist Bildung. Wir werden da viel investieren müssen.
Andreas Babler würde gerne Menschen wie Sie höher besteuern. Was halten Sie davon?
Wir sind ja leider kein Land wie die USA, wo es Unmengen an Milliardären gibt, die man besteuern kann. Daher kann man mit einer Vermögenssteuer nicht wahnsinnig viel ausrichten. Es würde das passieren, was man auch schon in anderen Ländern gesehen hat: Jüngere und die Leistungsträger gehen weg. Man wird daher andere Lösungen brauchen. Und man kann nicht dauernd Helikoptergeld verteilen.
Verlegerin Eva Dichand zu Gast im "Salon Salomon"
Wie ist es, Teil der mächtigen Verlegerfamilie zu sein? Ich nehme an, man buckelt – auch in der Politik – vor Ihnen.
Mein Schwiegervater hat immer gesagt: „Man ist im Vorhof der Macht.“ Mächtig und berühmt war ja hauptsächlich er, der sich alles selbst erarbeitet hat. Auch ich habe mir alles selbst erarbeitet. Natürlich kann man sagen, der Name hat geholfen, aber die Leistung muss letztlich stimmen. Ich halte überhaupt nichts von Menschen, die ihr ganzes Leben lang nur auf ihr Erbe warten. Das macht nicht glücklich.
Sie hatten ein sehr gutes Verhältnis zu Sebastian Kurz, aber auch ein sehr gutes zur Wiener SPÖ. Faymann-Sprecher Wolfgang Jansky hat „Heute“ mit Ihnen gegründet und ist Geschäftsführer.
Durch die Pseudo-Anschuldigungen, die es gibt, werden wir immer in die Nähe von Kurz gerückt. Wir haben im Wahlkampf aber damals Christian Kern (SPÖ) unterstützt. Weder ich noch mein damaliger Chefredakteur Christian Nusser waren wahnsinnig große Kurz-Fans. Es war jedoch faszinierend, wie er es geschafft hat, die Menschen für die Politik zu interessieren. Gleichzeitig wurde er von Links und Linksaußen extrem bekämpft, wie noch nie zuvor ein Politiker.
Die Familie Dichand war gut befreundet mit Thomas Schmid, was zu einer Hausdurchsuchung bei „Heute“ geführt hat. Es ging um Inserate und wohlwollende Berichterstattung. Wie ist Ihr Verhältnis zu Schmid heute?
Ich habe überhaupt keinen Kontakt mehr zu ihm. Und sonst kann ich über ein laufendes Verfahren nichts sagen. Das kostet wahnsinnig viel Geld. Früher habe ich pro Jahr 100.000 Euro der Caritas gespendet, die gebe ich jetzt für Anwälte aus.
Tut es Ihnen leid, ein so enges Verhältnis zu Schmid gehabt zu haben? Im Kronzeugenstatus wird er wohl auch seine ehemaligen Freunde belasten.
Das hat er schon getan. Ja, das ist menschlich sehr enttäuschend. Es ist übrigens absurd, dass Inserate als korrupt bezeichnet werden, die alle bekommen haben. Im Laufe des Prozesses werden sich einige Verleger, die besonders auf den Boulevard gezeigt haben, wundern, dass sie da auch noch vorgeladen werden.
Was hat Ihr Mann eigentlich gesagt, als „Heute“ die Krone in Wien überholte?
Das war ja schon vor zehn Jahren. Jetzt spielt sich das Match eher im Digitalen ab: Manchmal liegen wir vor, manchmal hinter der Krone. Print ist vorbei für mich.
Ein Pensionist ist in erster Instanz freigesprochen worden, obwohl er „Heute“ als Scheißblatt bezeichnet hat. Außerdem hat er Sie als „Rachehex“ und den Chefredakteur als „Rattler“ bezeichnet. Der als Mindestpensionist bezeichnete Mann erhielt nicht nur Unterstützung von einer prominenten, dem „Standard“ nahestehenden Medienanwältin und der Satireplattform Tagespresse, die ein Crowdfunding für die Anwaltskosten initiierte, sondern auch die gesamte linke X-Prominenz, die nun auf Bluesky schreibt, hat sich gegen Sie gewandt. Lässt Sie so ein Shitstorm kalt?
Dieser Herr hat monatelang gegen uns gehetzt. Irgendwann einmal wollte sich das der Chefredakteur Clemens Oistric nicht mehr gefallen lassen, und der Verlag hat auch geklagt. Der Mann hat vor Gericht 2.700 Euro Pension angegeben, ist also gar nicht Mindestpensionist. Es ist kein toller Sieg, wenn man zu einer Zeitung, wo 120 junge Leute arbeiten, „Scheißblatt“ sagen kann. Unser Anwalt hält es für ein Fehlurteil. Man lernt daraus: Die einen verstecken sich hinter einem Satiremäntelchen, und die anderen, wie der Standard, haben ein Forum, das mit Desinformation und Denunzierung Click-Raten macht. Da clickt es natürlich besser, wenn ein Foto von der Frau Dichand erscheint, die gar nicht selbst geklagt hat. Allerdings: Je mehr man sich wehrt, desto ärger wird es.
Würde man mit einem Mann auch so umgehen?
Wahrscheinlich nicht. Anscheinend gehört es zu meinem Leben dazu, so etwas über mich ergehen lassen zu müssen, samt Kommentaren, wie man ausschaut oder wie blöd man ist – von Menschen, die in ihrem Leben überhaupt nichts zusammengebracht haben. „Halt die Papp'n, du blöde Blondine“ sind da noch die höflicheren Sachen. Österreich, so hat mal jemand gesagt, ist ein Land, wo man sich freut, jemanden scheitern zu sehen. Ich gehöre halt zu den Leuten, die nicht scheitern. Das erzeugt Missgunst. In der Politik läuft es in dieselbe falsche Richtung: Jeden, den man mit demokratischen Mitteln nicht besiegen kann, versucht man mit Strafanzeigen mundtot zu machen. Am Ende gewinnen dann jene, die man verhindern will.
Wo befindet sich eigentlich die legendäre Kunstsammlung der klassischen Moderne von Hans Dichand samt Schiele und Klimt? Wird sie irgendwann einmal ausgestellt?
Die Sammlung gibt es so nicht, weil sie auf die drei Kinder aufgeteilt wurde – viele Werke werden aber an alle möglichen Museen weltweit verliehen. Ich habe eine eigene Sammlung, ausschließlich Zeitgenössisches. Die Bilder hängen in meinem gesamten Bürogebäude. Ich habe sogar mit Führungen bei uns begonnen, was mir große Freude macht.
Wird es eine Zeit geben, wo Sie sich nicht mehr mit Medien beschäftigen?
Kunst werde ich sammeln bis zu meinem letzten Atemzug. Ehrlich gesagt bin ich von der Branche und dem Umgang miteinander müde. Vielleicht gehe ich in Frühpension. Man muss ja auch nicht in Österreich leben.
Verlagsgeschäft
WU-Absolventin Eva Dichand ist „Heute“-Herausgeberin, über eine Stiftung gehören ihr 38 Prozent am Verlag. Print ist das vor 20 Jahren gegründete Boulevardmedium Marktführer in Wien, Online matcht es sich mit der Krone um Platz eins. Die Schweizer Miteigentümer haben ihre Anteile kürzlich verkauft. Geschäftsführer und Mitbesitzer ist Wolfgang Jansky, gut vernetzt in der Wiener SPÖ. 2023 gab es eine Hausdurchsuchung bei „Heute“ wegen vermuteter Inseratenkorruption. Seit 2018 ist Dichand Uniratsvorsitzende der Medizinischen Universität Wien.
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