„Eine klare Win-Win-Situation“ auf dem europäischen News-Markt
Gemeinsam statt einsam: 16 Nachrichtenagenturen aus dem EU-Raum sowie aus Anwärterstaaten werden ab Mitte 2022 aus einem Newsroom in Brüssel berichten. Drei Österreicher spielen bei diesem multinationalen Journalismus-Projekt ENR, dessen Umsetzung dieser Tage begonnen wird, eine gewichtige Rolle.
Koordiniert wird es von der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Vorsitzender der Geschäftsführung dort ist seit 2017 der frühere Chef der Austria Presse Agentur, Peter Kropsch: „Wenn 16 Nachrichtenagenturen aus 15 Ländern mit ihrem jeweiligen nationalen Blickwinkel auf Europa einen gemeinsamen Newsroom in Brüssel nutzen, profitieren alle von der Vielfalt an Perspektiven. Dank dieser Vernetzung steigt die journalistische Qualität.“ Besonders wichtig sei dabei, dass sich alle Partner zum freien, unabhängigen Journalismus bekennen.
Besseres Verständnis
Clemens Pig, APA-Geschäftsführer und Präsident der Allianz Europäischer Nachrichten-Agenturen (EANA), erwartet vom ENR „eine weitere Stärkung der faktenbasierten EU-Berichterstattung für den gesamten europäischen Nachrichtenmarkt. Das ist insbesondere mit Blick auf jene Länder wichtig, wo Fake News und Desinformation besonders stark verbreitet sind“, erklärt er gegenüber dem KURIER. Der tägliche Austausch im gemeinsamen Newsroom untereinander „führt zu besserem Verständnis und einem erweiterten Wissen zu europäischen Themen und Zusammenhängen – und trägt damit insgesamt zu einer pluralistischeren Berichterstattung bei.“
In die Vorarbeiten führend involviert war zudem Stefan Ströbitzer, vormals u. a. Chefredakteur ORF-Radio, ORF2-Info-Chef und Projektleiter des multimedialen Newsrooms am Küniglberg, der gerade in Fertigstellung begriffen ist. Er hat, mittlerweile als Berater für digitale Change-Prozesse europaweit unterwegs, das ENR-Projekt im Vorjahr mitentwickelt.
Homebase
„Es geht hier zunächst um Infrastruktur, die sich die Agenturen teilen. Zu klären waren etwa die technische, räumliche und organisatorische Ausstattung“, erläutert Ströbitzer. Kollegen der Agence France Press (AFP) und der belgischen Agentur Belga hätten dann im Lockdown das Objekt-Scouting übernommen, und die dpa alles nachhaltig mit Zahlen hinterlegt. Ströbitzer: „Schon Entwicklung und Zustandekommen dieses Newsrooms sind ein im besten Sinn europäisches Werk.“
Dieser wird Platz für etwa 20 Journalisten bieten und über zwei Standorte verfügen. „Dieses Projekt wird aus Kostengründen sehr synergetisch aufgestellt. Die Homebase ist bei der Belga. Dort gibt es vom Office-Management über Sitzungsmöglichkeiten etc. bereits alles Notwendige, was dankenswerterweise teilweise zur Verfügung gestellt wird“, erklärt Ströbitzer. Da der Sitz der EU-Kommission etwas davon entfernt liegt, gibt es einen näheren, kleineren zweiten Stützpunkt, „wenn es schnell gehen muss.“
EU-Staaten
Beim gemeinsamen Newsroom dabei sind die AFP (Frankreich), ANSA (Italien), Agerpres (Rumänien), APA (Österreich), Belga (Belgien), BTA (Bulgarien), Europa Press und EFE (Spanien), Deutsche Presse-Agentur (dpa), HINA (Kroatien) und STA (Slowenien)
Anwärter-Länder
Mit ATA (Albanien), FENA (Bosnien und Herzegowina), MIA (Nordmazedonien) sowie die Tanjug (Serbien) sind auch Agenturen aus EU-Anwärter-Ländern beteiligt
Förderung
Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat den Förderantrag koordiniert. Der Kerngruppe und dem Lenkungsausschuss gehören zudem noch die Agenturen AFP (Frankreich), ANSA (Italien), Agerpres (Rumänien) und HINA (Kroatien) an.
Mehrwert
Der wichtigste Aspekt des Projekts ist aber der Mehrwert, den das Arbeiten nebeneinander bringt. „Der Newsroom kann damit nicht nur die Basis für einen konstruktiven Diskurs liefern, sondern soll sich auch zu einer Plattform dafür entwickeln“, sagt Ströbitzer. So sollen dort auch Diskussionen, Schulungen, Workshops etc. stattfinden. „Die teilnehmenden Agenturen sollen auch ihr Knowhow in speziellen Bereichen einbringen.“
Im Europäischen Newsroom vertreten sein wird künftig auch die APA. „Als genossenschaftlich organisierte Nachrichtenagentur-Gruppe sind wir seit jeher auf ,Collaboration‘ gepolt“, betont Pig. Beisteuern wird man dort auch die Fact-Checking-Kompetenzen zu europäischen Themen – die APA ist als eine von wenigen Agenturen vom IFCN (International Fact Checking Network) zertifiziert.
Dass die EU-Kommission das Projekt der 16 Agenturen mit 1,76 Millionen Euro für zwei Jahre unterstützt, wird da und dort bereits mit Argwohn registriert. Der APA-Geschäftsführer hält aber genau das für notwendig, damit „auch und gerade Agenturen aus einem strukturschwächeren Umfeld mit einer stark von Desinformation geprägten Informationsumgebung teilnehmen und gemeinsam mit unabhängigen und prosperierenden Agenturen wie die APA zusammenarbeiten können.“ Der gemeinsame Newsroom bringe „eine klare Win-Win-Situation: für Europa und die EU, für alle teilnehmenden Agenturen und schließlich für die europäischen Medien-Userinnen und User.“
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