Die lustigen Vier vom EM-Finale: "Das musst mir früher sagen"
*Disclaimer: Das TV-Tagebuch ist eine streng subjektive Zusammenfassung des TV-Abends.*
Wieder mehr als zwei Millionen vor den heimischen TV-Geräten. Der Erfolg des Fußballs hat auch damit zu tun, dass er trotz aller taktischen Dreier- bis Fünferketten, trotz neuer Spezialaudrücke wie VAR und Restverteidigung doch immer nach einfachen, scheinbar ewig gültigen Gesetzen funktioniert.
Liegt ein Italiener mehr als zwei Sekunden am Boden, attestiert man ihm schon eine opernreife Vorstellung, die alle Mammas zu Hause zu Tränen rührt. Und geht ein Spiel ins Elfmeterschießen, weiß man: Die Engländer werden den Kürzeren ziehen.
Seh- und Hörgewohnheiten
Im ORF setzt man ebenfalls auf eherne Gesetze: Sind große internationale Fußballspiele wie das gestrige EM-Finale zu kommentieren, dann sitzt garantiert Herbert Prohaska im Studio.
Freilich gibt es ein zusätzliches Personal, das sich einmischen darf. Dazu gehört der Auskenner Roman Mählich. Er rätselte vor dem Finale über den mangelnden Trainernachwuchs in England: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass alle ehemaligen Spieler im Pub herumsitzen.“
In Österreich sitzen die ehemaligen Spieler gerne im TV-Studio. Beim Spiel zwischen England und Italien durften alle Analytiker wie nebeneinander aufgefädelt am Studiotisch Platz nehmen. So entstand ein Bild, das auch in coronafreien Zeiten seltsam wirken würde. Vielleicht hätte man noch Ex-Schiedsrichter Thomas Steiner dazusetzen sollen, um das Bild der berufenen Burschen noch abzurunden.
An dieser Stelle muss man in Erinnerung rufen, dass das Moderatoren-Team während dieser Europameisterschaft zur Hälfte aus Frauen bestand. Alina Zellhofer kam im Viertelfinale noch zum Einsatz, Kristina Inhof führte immerhin im Halbfinale Italien-Spanien durch die Sendung. Der weibliche Neuzugang im Kommentatoren-Team, Anna Lallitisch, kam hingegen nach der Vorrunde plangemäß überhaupt nicht mehr zum Zug, obwohl sie die heikle Situation mit dem Zusammenbruch des Dänen Christian Eriksen souverän gemeistert hatte. Vielleicht ist an dieser Stelle beim nächsten Turnier noch etwas mehr Mut möglich, um überkommene Seh- und Hörgewohnheiten zu durchbrechen.
Chiellini als Securitymann
Gelebte Tradition ist auch, dass die internationale Bildregie sehr geübt darin ist, bei Auftritten von Flitzern sofort wegzublenden. Das funktionierte auch an diesem Fußballabend perfekt. Zwangsläufig denkt man da auch an die quälenden Minuten, in denen die Kameras draufhielten, als um Christian Eriksens Leben gerungen wurde.
Der finale Wembley-Flitzer konnte jedenfalls, wie kurz darauf in den sozialen Medien ersichtlich war, sehr viele Meter zurücklegen, bevor er sich - offensichtlich eher aus Mitleid vor seinen erfolglosen Häschern - ergab.
Was wurde nicht über die Video-Checks gelästert, bei der Flitzerbekämpfung hat die UEFA tatsächlich Verbesserungsbedarf. Vielleicht setzt man den Italiener Giorgio Chiellini nach seiner aktiven Karriere als Security bei Finalspielen ein. Wie der 36-jährige Abwehrrecke den flinken Engländer Bukayo Saka kurz vor Schluss am Kragen zu Boden riss, wäre jedenfalls schon als Bewerbungsvideo geeignet.
Prohaska als Übersetzer
Vielleicht ist das ein zukunftsfähiges Modell, um Ex-Kicker erfolgreich von den Pubs fernzuhalten. Der ORF hat jedenfalls in mehrfacher Hinsicht Verwendung für die Rasenlegenden. So darf Herbert Prohaska als einstiger Italien-Legionär auch die Interviews der Italiener live übersetzen.
Dabei lässt „Schneckerl“ vieles für ihn Unerhebliches einfach aus, lässt wie ein guter Referee weiterlaufen, macht dafür bei anderen Passagen kreative Hinzufügungen. Bei den Wortspenden des italienischen Elfer-Killers Gianluigi Donnarumma - ein Name übrigens, der die diesjährige Unwettersaison mit einem Wort auf den Punkt bringt -, erlaubte sich Prohaska folgende Übersetzung: „Er bedankt sich bei allen seinen Mitspielern, bedankt sich bei der Verlobten, bei der Familie, vielleicht auch beim Hund und bei der Katze, aber das ist in Ordnung.“
Helge Payer, der sich während der EM stets als Anwalt der Torhüter verstand, deckte Prohaskas Scherz natürlich gnadenlos auf.
Englands Fluch
Hart traf es wieder einmal die Engländer. „Ist da so etwas wie ein Fluch auf der englischen Mannschaft?“ fragte Moderator Rainer Pariasek.
Dann musste er sich aber doch eingestehen, dass diese immerhin das Finale erreicht hat: „Es war ja ned schlecht, aber es wäre noch ein bisschen mehr drin gewesen.“
Forza und devastated - Reaktionen nach EM-Finale
Heimlicher Europameister
Dafür kann der gelernte Österreicher auf eine glorreiche Teilnahme am Konzert der Großen verweisen. „Österreich ist gegen den Europameister im Achtelfinale ausgeschieden, nach einer guten Leistung“, sagte Pariasek.
Und fast könnte man meinen, im Finale hätte auch ein Österreicher mitgewirkt. Es handelte sich aber nicht um Grillitsch, sondern um Grealish.
Abschließend hat Pariasek noch einen wahren ÖFB-Cup-Kracher anzukündigen: Hertha Wels gegen RB Salzburg. Nach den quotenträchtigen Großturnieren wird nicht nur der ORF auf die Niederungen des heimischen Fußballs zurückgeworfen.
Aber ein beherztes, weltläufiges „Buona Notte“ ging sich zum Abschied noch aus.
„Du auch heute“, sagte Prohaska zu Pariasek.
Pariasek: „Das musst ma früher sagen.“
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