Moderator Reichelt lässt da etwa per Handzeichen abstimmen: Wer hat Angst vor dem Coronavirus? Wer glaubt, die Regierung informiere nicht genug? Und, weils gerade passt: Wäre CDU-Minister Jens Spahn ein guter Kanzler? Danach verläuft die Debatte zwischen Rente, Armut, Klima, Sicherheit.Einmal im Monat soll dieser Talk kommen. Und könnte ein Vorbote dessen sein, was auf das Publikum zukommt: Der Axel-Springer-Verlag will sein Massenblatt zur TV-Marke machen. Man wolle das Leben so zeigen, wie es die Menschen erleben – nicht so "weichgespült" wie bei den Öffentlich-Rechtlichen, kündigte Bild-Chef Reichelt im Spiegel-Interview an.
Diese Attacke auf ARD, ZDF & Co ist nicht neu: Die Bild und öffentlich-rechtliche Sender, das war noch nie Freundschaft. Woran das liegt, weiß Medienwissenschaftler Joachim Trebbe von der Freien Universität Berlin. Kritik an den Öffentlich-Rechtlichen hat beim Verlag lange Tradition, passt auch "in die populistische Perspektive" der Bild, sagt er.
Zuletzt passiert, als die "Tagesschau" (ARD) aus Versehen ein manipuliertes Video des Abschusses der ukrainischen Passagiermaschine im Iran zeigte. Laut ARD sei der Beitrag auf Grundlage von Material des US-Senders CBS erstellt worden.
Die Bild brachte die Geschichte groß und zeigte die Original-Aufnahmen. Das passt zu ihrer Erzählung, wonach die Sender über manche Dinge nicht berichten würden. Das schwierige Verhältnis hat laut Trebbe noch einen anderen Grund. 2006 wollte der Verlag ins Fernsehgeschäft einsteigen und sich bei ProSiebenSat.1 beteiligen, dadurch ergab sich ein Konkurrenzverhältnis.
Dass man es erneut versucht, ist aus medienökonomischer Sicht verständlich, sagt Trebbe. "Die Bild ist zwar noch immer ein Leitmedium unter Meinungsmachern, wird häufig zitiert. Aber die Auflage hat sich in den letzten zehn Jahren von drei auf 1,5 Millionen halbiert. Der Verlag hat verstanden, dass die Zeit der am Kiosk verkauften Zeitungen zu Ende geht."
Bereits 2013 verkaufte man die Regionalzeitungen (Hamburger Abendblatt, Berliner Morgenpost), Programm- und Frauenzeitschriften an die Funke-Mediengruppe. Vor kurzem stieg ein US-Investor beim Axel-Springer-Verlag ein. Das bedeute Einsparungen bei Personal und Konzern. Dafür sollen wiederum mehr als 100 Millionen Euro in den nächsten Jahren in die Live-Video-Strategie fließen.
Was die Umsetzung betrifft, ließ Reichelt via Spiegel wissen: Man würde, wenn nötig, zehn Leute losschicken, "die innerhalb von 24 Stunden vor Ort und sendefähig sind". Auf Dauer wird man eine Sendelizenz brauchen, bisherige Formate wie "Bild-Sport-Talk" sind als zulassungspflichtiger Rundfunk eingestuft.
Was sich der Medienexperte inhaltlich von einem "Bild-Sender" erwartet: Ähnliches wie im Blatt: Stars, Sternchen, Sex, Crime. Auf dem Fernsehmarkt würde man damit eine Lücke schließen, bei den konventionellen Sendern gibt es zwar Boulevardmagazine, aber eher im halbstündlichen Angebot. "Wenn so eine Marke wie die Bild da reingeht, wäre das für diese Zielgruppen sicher interessant."
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