Alexander Wrabetz geht ohne Plan B in die vierte ORF-Wahl
Alexander Wrabetz verließ eben als Erster die Deckung, der 61-Jährige will sich im August zum vierten Mal der ORF-Chef-Kür stellen. Frei nach der Devise: Einmal geht's noch - wenn auch nicht leicht.
KURIER: Nach 23 Jahren in ORF-Spitzen-Jobs, davon 15 Jahre als Generaldirektor, bewerben Sie sich jetzt um eine vierte Funktionsperiode als GD. Gibt's keine anderen Jobs?
Alexander Wrabetz: Ich bewerbe mich, weil ich den ORF gerne in einer der wichtigsten Phasen der letzten Jahrzehnte führen würde, und um die drei wichtigsten Projekte für seine Zukunft zu gestalten. Das eine ist die Finalisierung des neuen Standorts, damit verbunden ist ein neues Arbeiten insbesondere für die ORF-Journalistinnen und Journalisten. Ein weiteres ist ein digitaler Entwicklungsschub mit dem ORF-Player, der den ORF auf die mediale Plattform-Welt vorbereitet. Das ist eine spannende und wichtige Aufgabe, die ich gerne erfüllen würde.
Sie sind sehr früh aus dem Startblock raus. Habe Sie keine Bedenken, dass es ein Fehlstart ist.
Die einen meinen, es sei zu früh, die anderen sagen zu spät. Ich glaube, dass es richtig war, drei Monate bevor die Entscheidung gefällt wird, dem Stiftungsrat mitzuteilen, dass man zur Verfügung steht. In einer Aktiengesellschaft passiert das gemeinhin ein Jahr davor. Dass ich mich grundsätzlich mit der Überlegung, den Vertrag zu verlängern, trage, war ja kein Geheimnis.
Das Bestellungsprozedere, das kennen Sie aus eigener Erfahrung sehr gut, läuft nicht ohne politische Nebengeräusche. Hier ist nun der „rote“ Wrabetz, dort der „türis“ dominierte Stiftungsrat. Spekulieren Sie mit einem Kreisky-Bacher-Modell mit umgekehrten Vorzeichen?
Ich glaube - auch in Anbetracht der Diskussionen um Bestellungen im öffentlichen Bereich -, dass es diesmal besonders auf die Entscheidung jedes einzelnen Stiftungsrates ankommen wird und dass sie diese nach bestem Wissen und Gewissen treffen werden. Wir tragen ja auch am Ende die Verantwortung: Herausforderungen der Post-Pandemie-Zeit, Standort-Projekt fertigstellen, Zukunftsprojekte anstoßen - wenn da eine falsche Entscheidung getroffen wird, sind schnell mal 50 oder 70 Millionen Euro weg. Auch daher gehe ich davon aus, dass die Stiftungsräte nach sehr, sehr sachlichen Kriterien und unbeeinflusst von der Politik ihre Entscheidung treffen werden. Ich spekuliere da nicht darauf, sondern ich vertraue darauf.
Direktoren-Suche
Es steht ja eine ORF-Gesetzesnovelle aus. Sie wollen, um mit dem Player-Angebot schneller auf den Markt zu kommen, vorerst nur eine kleine. Mit einer großen lässt sich, wie die Vergangenheit zeigte, auch recht fein eine Halbzeit-Lösung herbeiführen. Kann Sie eine solche Aussicht noch abhalten von der Bewerbung bzw. ist das für Sie akzeptabel?
Ausschreibung und Bestellung werden auf Basis des geltenden Gesetzes erfolgen. Ich rechne nicht damit, dass es in den nächsten sechs Wochen noch eine Gesetzesnovelle gibt. Von daher ist die Sachlage klar. Ob es dann irgendwann danach einmal eine weitere gibt, wird man sehen. Ob das zu einer Änderung der Führungsstruktur führt, auch das wird sich zeigen. Jedenfalls: Darüber denke ich jetzt sicher nicht nach. Für mich ist entscheidend, was ist in den nächsten Jahren zu tun, was sind die Antworten auf die anstehenden Herausforderungen.
Wie schaut Ihr Plan B aus?
Ich bewerbe mich um die Verlängerung des Vertrages.
Ein jeder Generaldirektor hat ein Direktorium, das er sich sucht und das vom Stiftungsrat ebenfalls gewählt werden muss. Wie soll das Ihre aufgestellt sein? Vor gut fünf Jahren hatten Sie etwa angekündigt, dass Sie die Hörfunk-Direktion zur Halbzeit durch einen Chief Digital Officer ersetzen wollen – was nicht stattgefunden hat.
Aus guten Gründen. Wir haben erst 2017 das Standort-Projekt neu aufgestellt, das im kommenden Jahr wegen der bekannten Verzögerungen durch Einsprüche und bei Genehmigungen fertig gestellt wird. Es war deshalb auch sinnvoll, die Radio-Direktion, die ja von einer Channel-Managerin in Personalunion geführt wird, zu belassen, solange die unterschiedlichen ORF-Radio-Standorte Funkhaus, Heiligenstadt und ORF-Zentrum Bestand haben. Wie ein Direktorium künftig aussehen wird, das werde ich mir im Detail auf Basis meiner Erfahrungen in den vergangenen Jahren und aufgrund meiner Zukunftsvorstellungen überlegen. Das wird dann, so wie es gesetzlich vorgesehen ist, in meiner Bewerbung zu finden sein.
Wrabetz wieder zum ORF-Generaldirektor gewählt
Ihre Routine und Erfahrung in dieser Frage ist ja groß, also sollten Sie eine Idee haben, was künftig sinnvoll ist. Man spekuliert etwa immer wieder darüber, ob es weiterhin eine Technik-Direktion geben soll oder darüber, wie man das Zukunftsthema Digitalität in der Führungsstruktur abbildet etc.?
Da muss man zwei Dinge unterscheiden. Zunächst: Wir haben einen riesigen Sprung in der Digitalisierung in den Ablauf- und Produktionsprozessen gemacht, was durch die Corona-Pandemie nochmals beschleunigt wurde. Mit dem Abschluss des Bau-Projekts und der Einrichtung des Content Management Centers wird das nochmals einen Quantensprung geben. Dann kommen alle ORF-Medien voll digitalisiert aus einem Schalt- und Steuerungszentrum. Das ist fürs Publikum nicht so interessant, ist aber von großer Bedeutung für das zukünftige Arbeiten. Zuordnungen zu Direktionen ergeben sich in der Folge dann daraus. Um beim Beispiel Technik zu bleiben: Wo wir mehr fokussieren werden müssen, ist zum Beispiel das Access Management, weil wir künftig Inhalte nicht mehr nur über einige Fernseh- und Radio-Kanäle ausspielen, sondern über dutzende unterschiedliche Plattformen. Dafür braucht es nicht nur technisch gute Lösungen, sondern da geht es auch um Platzierungen, Umfeld, Marketing etc.. Also, das ist z.B. ein Feld, wo man die Aufgabe bündeln wird und das könnte bei einem Chief Digital Officer stattfinden. Aber da gibt es noch ein paar Funktionen mehr, wo man Aufgaben zusammenführen wird.
Dass eine oder andere Mitglied des mittleren oder oberen Managements wird als potenzieller Gegenkandidat bzw. mögliche Gegenkandidatin von Ihnen kolportiert, andere fürs Direktorium. Das ist viel Bewegung und Fantasie drin. Wie gehen Sie damit um, wie schätzen Sie das ein?
Ich werde mich natürlich nicht an Spekulationen beteiligen oder gar mögliche Kandidaten, wofür auch immer, bewerten. Ich glaube nur, dass es generell sinnvoll ist für das Unternehmen, wenn ein Schritt nach dem anderen gemacht wird und das meine ich auch in Hinblick auf die anstehenden Herausforderungen. Das heisst, wenn jemand eine kleine Abteilung geführt hat, er oder sie dann eine größere übernehmen oder von einer größeren in die Geschäftsführung wechseln kann. Da ist für mich vieles vorstellbar.
Alexander Wrabetz (61) kommt aus einem freiheitlichen Elternhaus - sein Vater war FPÖ-Parteianwalt. Der gebürtige Wiener war Vorsitzender der sozialistischen Studenten (VSStÖ) und nach der Promotion im Bankenbereich und in der ÖIAG tätig. Der Jurist kam 1995 ins ORF-Kuratorium, wurde 1998 unter Gerhard Weis kaufmännischer Direktor und beerbte Monika Lindner 2006 dank SPÖ, FPÖ, Grünen, BZÖ, Unabhängigen
Bauchladen voll der Jobs
Der multimediale Newsroom, wo die Informationsteile von TV, Radio und Online zusammengeführt werden, soll im kommenden April voll einsetzbar sein. Schon ein schöner Zufall, dass Sie deshalb kurz nach der Wahl im Sommer einen ganzen Bauchladen voll mit neuen Jobs, die Sie vergeben können, haben.
Das ist kein Bauchladen, sondern es geht hier um die Führungsstruktur der Zukunft. Die werden wir in den nächsten Monaten aufstellen. Da braucht es einen guten Mix aus Leuten, die schon Erfahrung haben, und teilweise neuen Mitarbeitern. Das ist eine ungemein spannende Aufgabe.
Traditionell spricht in solchen Situationen wie dieser jetzt immer über irgendjemanden die Politik mit …
… Nein. Es zeigt sich ja derzeit, dass politische Besetzungen nicht unbedingt eine Erfolgsgarantie darstellen - für keinen der Beteiligten. Im Newsroom werden sehr, sehr gute ORF-Journalistinnen und Journalisten arbeiten und entsprechend werden wir auch die Besetzungen vornehmen.
Der Newsroom soll mit April 2022 am Laufen sein. Nun wird da und dort moniert, dass zwar das Ziel festgelegt ist, aber der Weg dorthin holprig und unklar ist, also, die Leute sozusagen nicht mitgenommen werden. Die letzte Klausur dazu ist auch schon eineinhalb Jahre her.
Die letzte Klausur dazu ist erst 3 Monate her. Wir haben das Bauprojekt, dessen Teil der multimediale Newsroom ist, so aufgestellt, dass wir in der geplanten Zeit fertig werden und das trotz Pandemie. Wir werden trotzdem in den Kosten bleiben und den Rahmen sogar unterschreiten und wir liegen auch in den technischen Qualitäten voll im Plan. Das alles ist keine Selbstverständlichkeit, dahinter steckt professionelle Arbeit. Aber das wird nun einfach mal als gegeben abgehakt und zur Seite geschoben. Dieses tolle Bauwerk muss jetzt noch mit Leben erfüllt werden, das ist ja klar. Aufgrund der Pandemie arbeiten 70 Prozent der ORF-Mitarbeiter im Homeoffice. Dass unter diesen Umständen das gemeinsame Zusammensitzen in Klausuren und Seminaren nur schwer möglich ist, liegt auf der Hand. Vieles ist auch in diesem Bereich bereits sehr gut angelaufen wie etwa die Rotation, bei der Journalistinnen und Journalisten vom Fernsehen ins Radio und vice versa wechseln. Denn das ist ja später das Wichtige, dass jeder mal auch die „andere“ Welt kennengelernt hat. Wir sind mitten in den Struktur-Überlegungen, was den News Desk und die einzelnen Teile des Newsrooms betrifft und auch da arbeiten wirklich gute Leute sehr engagiert. Die entscheidenden Führungskräfte machen sich da viele Gedanken darüber, wie das funktionieren kann und soll. Beim Nachdenken über das Newsroom-Portal haben sich dutzende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebracht, das läuft also auch.
Allzu lange ist aber auch nicht mehr Zeit.
Ich bin aber auch immer schon der Meinung gewesen, dass zu lange Trockentrainings nicht sinnvoll sind. Es gibt einen genauen Stufenplan, den ich auch im letzten Stiftungsrat erörtert habe. Dort, wo es zu Team-Zusammenführungen kommen wird, wird das stattfinden, nachdem die jeweilige Team-Leitung fixiert ist, weil die dann diesen Prozess am besten mitgestalten kann. Ich orte in vielen Bereichen eine große Freude auf das, was da kommt, und darauf, wie man die neuen Möglichkeiten wird nutzen können. Sicher wird es auch immer welche geben, die abwarten und sich das mal anschauen wollen. Dass das funktionieren wird, zeigen die Redaktionen von Wetter und Religion jedenfalls schon vor, die schon jetzt erfolgreich in der neuen Struktur arbeiten.
Eine Radio-Information, die hier raufgesiedelt wird, ist aber schon auch eine andere Nummer.
Das ist keine Frage, aber da gibt es ja auch Projekte, die laufen. Im Augenblick beispielsweise mit Investigativ-Journalisten der Hörfunk-Information in der Fernseh-Redaktion. Es gibt da Führungskräfte, die sehr, sehr aktiv diesen Prozess vorantreiben. Dann gibt es andere, die sind eher zurückhaltender. Da geht es wohl auch um die Frage, wo sieht man seine eigene Zukunft.
Einige werden keine Zukunft sehen, nehme ich an, weil es die Funktion nicht mehr gibt nach der Zusammenlegung im multimedialen Newsroom. Apropos: Ist die Konstruktion schon gefunden, damit das zentrale Newsroom Management nicht zu sehr nach zentralem Chefredakteur aussieht?
Dazu sage ich schon lange, es muss das ein Team sein, also eine Chefredaktion, und nicht eine einzelne Person, die hier über alle Medien von früh bis spät entscheidet. Aber es wird natürlich Bereiche und Ressorts geben, da wird es halt nur mehr eine Chefin oder einen Chef geben können.
Der ORF konnte trotz Pandemie und einem Verlustszenario von 75 Mio. Euro das Jahr 2020 positiv bilanzieren. Bei Umsatzerlösen von 966 Mio. (645 Mio. Gebühren) liegt das Plus im Konzern bei 22,3 Mio. Euro. Der ORF hat etwa 3.000 Mitarbeiter, Tendenz fallend. Bei den TV-Quoten liegt der ORF mit 36 Prozent aktuell über Vorjahr und im Radio stabil
Nochmals kurz zum Bau hier auf dem Küniglberg. Ein Thema ist hier noch offen: Was passiert mit dem Landesstudio Wien. Kommt es wie alle andere verstreut liegenden ORF-Teile auf den Küniglberg. Angeblich sei das billiger?
Das Landesstudio Wien wird seinen eigenen Standort in der Argentinier Straße behalten.
Weil?
Mir ist und war die starke regionale Aufstellung des ORF immer ein besonderes Anliegen. Dazu gehört meines Erachtens auch eine gewisse räumliche Eigenständigkeit der Landesstudios – auch und gerade in Wien. Und darüber hinaus brauchen wir, auch wenn wir alles hier auf dem Küniglberg konzentrieren, in Wien einen Ausweichstandort etwa für Krisenfälle. Das heißt, wir brauchen über das ORF-Zentrum hinaus eine gewisse Infrastruktur.
Der Titel Ihrer letzten Bewerbung lautete „Der ORF als Leitmedium im digitalen Zeitalter“. Wie weit wurde das Ihrer Meinung nach umgesetzt?
Wir sind sicherlich im digitalen Bereich das Leitmedium in Österreich - mit orf.at, unseren non-linearen Video- und Audio-Streaming-Angeboten, aber auch zB mit der neu gestarteten „ZiB“ auf Instagram, die auf etwa 700.000 Abonnenten kommt und damit sehr schnell die größte Social-Media-Nachrichten-Plattform Österreichs geworden ist. Da sind wir ganz gut weitergekommen. Allerdings sind noch wichtige Schritte zu tun, die wir allerdings erst umsetzen werden können, wenn man die gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechend abändert.
Gib es Innovationen in dieser laufenden Periode, auf die Sie besonders stolz sind?
Über die nach außen hin weniger sichtbaren Innovationen und Digitalisierungs-Schritte im technischen Betrieb habe ich schon gesprochen. Dann bin auch stolz draufwas dieses kleine junge Social-Media-Team mit der „ZiB“ auf Instagram geschafft hat. Weiters, dass im Film/Serien-Bereich etwa mit „Vienna Blood“ der Sprung in die internationale Liga geschafft wurde. Und es ist gelungen - vor allem in der ORF-Information, aber nicht nur - eine ganze Generation neuer Persönlichkeiten, von Tobias Pötzelsberger über Simone Stribl, Martin Thür, Margit Laufer bis Matthias Westhoff, zu etablieren.
Flotte mit oder ohne Strategie
Ein organisatorischer Einschnitt war die Weiterentwicklung der Flottenstrategie mit dem Einsetzen der Channel-Manager auch bei den TV-Sendern. Vollends geglückt scheint mir das nicht.
Wir haben heute mehr Zuschauer im Fernsehen als vor drei Jahren. Wir haben zudem auch mehr Hörer im Radio als vor drei Jahren und wir haben auch mehr im Online-Bereich. Was das Fernsehen betrifft: ORF2 steht unbestritten sehr gut da, auch ORFIII funktioniert bestens. Bei ORF1 haben wir im Vorjahr verstärkt Maßnahmen gesetzt mit denen es gelungen ist, die Quoten zu stabilisieren.
Flottenstrategie heißt, dass es eine aufeinander abgestimmte Programmierung und eine klare Fokussierung auf Zielgruppen gibt. Ich würde nicht behaupten, dass das überall stattfindet.
Dann täuscht der Eindruck. Der Sinn von Channel-Management ist es, dass die Verantwortlichen einen gewissen Freiraum haben und diesen nutzen. Eine Abstimmung braucht es nur, wenn es wirklich gravierend wird. Ohne diesen Bewegungsspielraum bräuchte man ja kein Channel-Management. Jeder weiß, was die Aufgabe von ORF2 ist, jeder weiß, was die Aufgabe von ORFIII ist und das wird auch sehr gut erfüllt. Bei ORF1 ist im Prinzip auch klar, in welche Richtung es gehen soll. Die Trennschärfe zwischen den Sendern ist jetzt allerdings nicht mehr so klassisch gegeben, wie sie vielleicht in früheren Zeiten war. Das Thema hier ist, dass sich ORF1 auch um mittlere Altersgruppen kümmern muss, weil wir dort großes Potenzial sehen. Insgesamt finde ich, dass die Abstimmung in der Flotte gut funktioniert.
Ein Drittel der Bevölkerung Österreichs ist aber unter 30 Jahre. Das ist ein weites, nicht eben heterogenes Feld. Was kann der ORF jenen bieten, die künftig seine Konsumenten sein sollen? Und klafft da nicht eine eklatante Lücke?
Gerade im europäischen Vergleich betrachtet gelingt es dem ORF sehr wohl und in einem sehr hohen Ausmaß, die Jungen anzusprechen und das im Radio, im Online-Bereich und wieder zunehmend - jetzt zum Teil auch bedingt durch die Pandemie - auch im TV Bereich. Wir haben etwa gesehen, dass man in der Information auch mit klassischen TV-Formaten, wenn sie gut und richtig gemacht sind, junge Zielgruppen gewinnen kann. Wir haben es jetzt bei „Starmania“ gesehen, womit die ORF-Unterhaltung die Jungen extrem gut erreicht hat, auch wenn diese Zielgruppe weniger Zeit mit klassischem Fernsehen verbringt. Natürlich ist das ein Bohren dicker Bretter. Da müssen wir auch unseren Teil dazu tun und schauen, dass eine neue Generation von Programmgestaltern die Chance bekommt, hier Dinge zu zeigen, die insbesondere diese Millennial Generation anspricht. Das wird eine der großen programmlichen Herausforderungen sein für die nächsten Jahre. Denn gerade bei diesem Publikum ändert sich das Konsumverhalten gerade extrem stark und schnell. Die Frage ist deshalb, mit welchen Inhalten, in welcher Aufbereitung und auf welchem Weg erreicht man sie. Das gilt im Übrigen für alle klassischen Medien.
Junge Programmmacher
Dafür braucht es, wie Sie sagten, junge Programmmacher. Da ist es schon auch ein gewisses Problem des ORF, dass er in den vergangenen Jahren nicht als Sprungbrett für große Jobs irgendwo da draußen fungiert hat. Also, von einem RB Salzburg auf Rundfunk ist man doch einiges entfernt.
Da muss man aber auch berücksichtigen, wie sehr sich die Branche in den letzten Jahren insgesamt verändert hat. Und wenn man sieht, was für Probleme Privatsender in Deutschland haben, da ist der Anreiz, sich dort einzubringen, überschaubar. Das betrifft auch speziell mit der Information einen Bereich, wo der ORF eine seine Stärken hat, sich deutsche Private weitgehend zurückgezogen hatten und jetzt die Kehrtwende versuchen. Ich meine, der ORF ist als Arbeitgeber in dieser Branche unter den ersten Adressen in Europa. Und mir ist generell für die Zukunft wichtiger, dass wir in Österreich erste Anlaufstelle für Talente und High-Potentials sind als ein Sprungbrett woanders hin.
Und nun zum Sport - der sorgt im ORF in schöner Regelmäßigkeit für Top-Quoten. Allerdings gibt es mit ServusTV einen Sender, der sich zum Kontrahenten um die Senderechte entwickelt hat – zum Teil versucht man auch den gemeinsamen Paarlauf. Manchen prophezeien dem ORF deshalb eine Zukunft ohne Sport, weil er sich das nicht mehr leisten wird können. Einiges ist ja tatsächlich auch noch offen: zum Beispiel ÖSV und ÖFB.
Das Sportrechte-Thema ist noch einmal schwieriger geworden ist, weil mit ServusTV ein sehr, sehr finanzkräftiger Player hier auftritt. Für uns ist hier die Frage, wo und wie können wir unsere Stärken, die wir haben, am besten zur Geltung bringen und wo ist es sinnvoll, auch zu kooperieren, denn wir werden uns künftig nicht alles leisten können. Ein gutes Beispiel ist die Formel 1, da bin ich sehr froh, dass es gelungen ist, die Rechte zu teilen und das ist mir allemal lieber, als wir hätten sie ganz verloren. Das Zuschauerinteresse zeigt, dass es die richtige Entscheidung war. Aber das ist ein mittlerweile so kompliziertes Feld, in dem es viel Erfahrung braucht und wo es wichtig ist, ein gutes Team an Sport-Rechte-Managern im Haus haben, das dann aus dem Faktum, dass wir finanziell nicht überall mitgehen können, das Beste macht. Man muss sich ja auch klar darüber sein, dass ein Verzicht auch Folgen hat. Dadurch etwa, dass wir zeitweise beim Tennis eine Lücke aufgemacht haben, ist ServusTV auf den Geschmack gekommen. Das heißt, beim Sport geht es nicht nur um ein einzelnes Senderecht, sondern auch darum, dass man in den Augen des Publikums ein relevanter Player ist und wir wollen ein relevanter Player bleiben. Deshalb werden wir uns auch weiterhin bestmöglich um Sportrechte bemühen…
… zumal wenn dann sieht, was ein Sonntag ohne Sport bzw. Sport bei anderen aus den Quoten von ORF1 macht.
Ja, sicher.
Ein besonderes Sport-Recht, dass der ORF wenigstens heuer noch ausüben kann, ist die Fußball-Europameisterschaft. Da wurden Spiele sublizensiert an einen Sender der Fellner-Familie. Sind da Spiele Österreichs dabei und ist es korrekt, dass bei der letzten Sublizensierung, die für einige Aufregung gesorgt hatte, kein Cash geflossen ist?
Ich kann und darf natürlich nicht zu Einzelverträgen Stellung nehmen, nur ganz grundsätzlich, es geht bei Lizensierungen immer um Cash-Zahlungen. Alle Österreich-Spiele gibt es natürlich nur im ORF.
Folkloristische Führungschwäche
Sie sind seit 15 Jahren Generaldirektor. Ein Vorwurf an der Art Ihrer Unternehmensführung, der auch immer wieder mal von Stiftungsräten erhoben wird, lautet: zu langsam, zu spät, zu wenig und das, obwohl Sie der ORF-Generaldirektor mit einer Machtfülle sind, die es vorher nie gegeben hat.
Das sind meines Erachtens etwas folkloristische Zuschreibungen. Die Realität sieht anders aus. Eigentlich müsste man ja sagen, wenn das Unternehmen programmlich gut dasteht, wirtschaftlich auch in Krisenzeiten gut dasteht, strategisch richtig aufgestellt ist und infrastrukturell, Bau etc., alles bestens gemacht wurde, dann kann auch nicht so viel falsch gelaufen sein in der Unternehmensführung. Und nachdem es in der Sache eigentlich kaum Kritik gibt - alle Beschlüsse im Stiftungsrat wurden weitestgehend einstimmig gefasst -, sondern, im Gegenteil, Anerkennung, bleibt dann eine Stil-Kritik – dazu kann nur sagen: Das sind Folklore-Zuschreibungen, die durch nichts belegt oder bewiesen sind und die man halt mal in den Raum stellt. Wenn es so wäre, wie in der Frage behauptet, wäre der ORF nicht das erfolgreichste öffentlich-rechtliche Medienunternehmen in Europa. Aber, ich kann damit leben.
Sie leiden also nicht darunter, dass Ihr Genie verkannt wird?
Das eine ist der unternehmerische Erfolg, das andere ist, so orte ich es, dass man einen dann einfach auch immer wieder in Frage stellen muss. Aber zu einem stehe ich auch: Die Machtfülle als Geschäftsführer setzt man tunlichst nur dann ein, wenn es wirklich notwendig ist. Ein Beispiel: Ich sag mal so, ohne dass ich sehr wichtige Entscheidungen alleine getroffene hätte - nach kurzen Beratungen –, wären wir im ORF nicht so gut durch die Pandemie gekommen. Bei anderen Sachverhalten ist es hingegen so, dass man bestimmte Strukturen geschaffen hat, die auch darauf beruhen, dass die bestellten Manager selbständig entscheiden können. Da hat es einfach keinen Sinn, von vornherein Dinge an sich zu ziehen, sondern man greift erst dann ein, wenn es wirklich wichtig für die Sache ist.
Und verordnet zum Beispiel ORF1 „Starmania“…
… und sagt: Wir treffen jetzt die Entscheidung. Ja.
Danke für das Gespräch.
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