In der Jubiläumssendung geht es u. a. um Satelliten, die der Feuerwehr helfen – ist das ein Thema, das von Ihnen kommt?
Wir haben glücklicherweise eine ganze Gruppe von weltraumaffinen Redakteuren bei der Bilderfest und auch bei ServusTV sind die Leute zum Teil erstaunlich weltraumfit. In diesem konkreten Fall kommt der Anstoß tatsächlich von mir, weil ich Interesse an dieser Arbeit habe und die Leute dahinter auch kenne.
Der Weltraum ist also auch in Österreich ein Thema.
Nicht nur jenseits des Atlantiks, auch in Österreich wird Raumfahrt betrieben. Ich habe ein ganz starkes Interesse daran, dass wir diese Akteure einmal vor den Vorhang holen und zeigen, welch unglaublich spannende Beiträge es hier gibt. In dem genannten Beitrag geht es etwa um die Entdeckung und Überwachung von Waldbränden, der Co-Gründer der Firma OroraTech ist Kärntner. Der neue Chef der Europäischen Weltraumorganisation ESA ist der Tiroler Josef Aschbacher. Die künftige Rektorin der International Space University, Pascale Ehrenfreund, ist Wienerin.
Und auch Sie selbst sind international tätig, u. a. sind sie Analog-Astronaut und Analog-Missionen beteiligt. Was ist das?
Wir gehen davon aus, dass die erste reale Marsexpedition in 20 bis 30 Jahren stattfinden wird. Bis dahin muss man Materialien entwickeln, Arbeitsabläufe testen, Prozesse studieren usw. Das heißt, wir betreiben in Analogie zu zukünftigen Raumfahrtmissionen bereits jetzt Marsforschung auf der Erde in der Simulation und jeder Fehler, den wir auf der Erde entdecken, ist hoffentlich einer, den wir auf dem Mars nicht mehr machen. Diese Analog-Missionen laufen schon seit über 15 Jahren. Im Oktober geht es in unsere inzwischen 13. Expedition in die Negev-Wüste in Israel.
Mars in Israel
Es wird also simuliert, was einmal sein bzw. passieren könnte?
Es wird derzeit eine Marsstation in der Negev-Wüste nach unseren Vorgaben gebaut. Seit drei Jahren laufen die Vorbereitungen dafür, es gibt auch schon die Flight Crew, also die sechsköpfige Besatzung mit Backups dazu sowie einem großen Support im Hintergrund. Wir sind gerade dabei das Mission Support Center einzurichten in Österreich. Also da passiert sehr viel. Es sind dann über 200 Personen aus über 20 Nationen beteiligt und das unter österreichischer Führung.
So etwas in der derzeitigen, durch die Corona-Pandemie stark geprägten Zeit aufzustellen, stelle ich mir nicht einfach vor.
Ja, das stimmt. Wir sind aber gewöhnt, zunächst sehr viel Remote zu arbeiten, wenn Leute aus über 20 Nationen beteiligt sind, geht das auch gar nicht anders. Jetzt ist das Problem, sie ins Mission Support Center zu bekommen. Aber dafür sind entsprechende Konzepte entwickelt worden. Und es mag etwas schräg klingen, aber sobald die Analog-Astronauten in der Station in der Negev-Wüste sind, sind sie in der perfekten Quarantäne-Situation, sie atmen dann zum Beispiel auch nicht mehr ungefiltert die israelische Luft. Es ist das ein Isolationsexperiment, die noch sehr viel tiefer geht und gehen muss, als die Quarantäne-Situation, die wir jetzt im Alltag erleben.
Es gibt aber Analogien etwa was psychische Belastungen betrifft?
Genau so ist es. Die Gründe, warum einem die Decke auf den Kopf fällt, sind in der freiwillig gewählten Isolation in der Weltraumstation die gleichen. Die Mechanismen, mit der wir die Resilienz der Analog-Astronauten stärken, sind die gleichen, die wir den Leuten im Alltag empfehlen. Das fängt mit der Schaffung einer Tagesstruktur an, sich Tagesziele setzen oder auch die Körperhygiene nicht vernachlässigen. Ich sage immer, auch wenn noch kein Mensch zum Mars geflogen ist, das erste Spin-off dessen haben unfreiwillig jetzt mit Covid.
Mit Covid hochgeschwappt und durch Social Media verstärkt sind Zweifel an der Wissenschaft und Verschwörungstheorien. Wie sehen Sie das, wie gehen Sie damit um zum Beispiel auch bei „P. M. Wissen“?
Wir haben eine Polarisierung erlebt in einer Tiefe, die mich offen gestanden erstaunt und ein wenig erschreckt hat. Es war überraschend, wie schnell sich Menschen mit ihren Standpunkten eingraben - auch dank Social Media, die als Emotionsverstärker wirken - und in ihre Bubble abtauchen. Umso wichtiger war es für uns bei „P.M. Wissen“, die Fahne der Wissenschaft hochzuhalten und dort sehr neutral und inhaltlich sehr, sehr sauber über Themen wie etwa Impfstoffentwicklung zu berichten.
Auch ServusTV stand, wie Sie wissen, im Kreuzfeuer der Kritik durch die Auftritte von Sucharit Bhakdi und Co.
Unser Weg bei „P.M. Wissen“ war da ganz klar, das Bild der Wissenschaft zu zeichnen, das vielleicht nicht ganz so headline-fähig war und ist. Wir haben an den Reaktionen auch auf Social Media gemerkt, dass das vielen Leute sehr wohl getan hat, dass wir mit dieser Art der Berichterstattung entschleunigt, entspannt haben.
Wissen und Gewissen
Gibt es zum Teil grundlegende Missverständnisse darüber, wie mit wissenschaftlichen Ergebnissen umzugehen ist?
Sicherlich. Wissenschaft ist ein Prozess und das ist auch das, was uns von der Religion unterscheidet. Wir sind auch in der Lage, Fehler zu revidieren, weil sich die Datenlage verändert hat oder etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach noch nicht gewusst wurde bzw. gewusst werden konnte. Die Ergebnisse sind das, was wir als Wissenschaftler zum jetzigen Stand nach bestem Wissen und Gewissen als das der Wahrheit am nächsten anbieten können. Der höchste Grad der Wissenschaft ist der zum jetzigen Zeitpunkt gerade noch nicht falsifiziert. Deshalb setzt sich die Wissenschaft auch dem internationalen Diskurs und der fachlichen Diskussion aus. Das ist vielleicht nicht der beste Prozess, aber der beste, den wir kennen.
Gab es bei dieser TV-Arbeit für Sie Momente, in denen Sie überrascht wurden, die Sie verblüfft oder neue Erkenntnisse gebracht haben?
Das passiert häufig. Das ist das Spannende an dieser Arbeit und warum ich sie so gern mache - man wird gezwungen, über die eigenen Fachgrenzen hinaus zu denken. Wenn etwa ein Beitrag über experimentelle Archäologie ist oder einer über Psychologie, für den man im CT steckt oder wenn man bei einem Raketenstart dabei ist oder auf der TU Graz im Blitzlabor in ein Autor gesetzt wird, dann sind das einfach gewaltige Erfahrungen. Ich lerne bei jeder Sendung etwas dazu und das ist für mich auch eine große Motivation. Natürlich ist es besonders beeindruckend, wenn man am eigenen Körper etwas erfährt durch Experimente. Besonders war auch ein Besuch des Fusionsreaktors in Garching bei München, wo gerade Wartungsarbeiten stattgefunden haben und wir deshalb hinein durften. Man steht dann da und denkt sich, Wahnsinn, das ist sonst der heißeste Ort im Sonnensystem ist, heißer als im Inneren Sonne, wenn da Kernfusion betrieben wird. Es sind tolle Erfahrungen, die ich jedem interessierten Zuschauer auch wünschen würde.
Gibt es Themen, die Ihnen unter den Nägeln brennen?
Forschung findet ja nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist Teil der Gesellschaft. Da gibt es Themen, die man auf einen breiteren gesellschaftlichen Konsens stellen sollte. Da gibt es klassische wie etwa die Genetik. In meinem Fall ist es die Raumfahrt. Hier zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab in Richtung New Space (eine Raumfahrt, die von privaten Anbietern und Startups an- und betrieben wird, Anm.). Hier gibt es in Österreich einen gewissen Aufholbedarf in Richtung Industriepolitik und das Thema möchte ich auch ein wenig nach außen tragen.
Private Missionen
Was ist das Ziel?
Wir haben schon einmal eine „Extra“-Ausgabe gemacht und das kam beim Publikum ganz gut an: Es geht darum, nicht nur die Menschen hinter den Projekten zu zeigen, sondern das auch in einen industriepolitischen Kontext zu stellen und die Innovationsschritte dadurch aufzuzeigen. Es ist schon toll, wenn wer eine neue Rakete baut – ab was ist der tiefere Sinn dahinter, was kann das verbessern in unserer Welt? Das muss man erläutern und das wollen wir tun, weil es sonst niemand tut.
Da scheint mir gerade ein Wettlauf stattzufinden, einerseits innerhalb des privaten Sektors, dann privat versus staatliche Institution und dann auch noch geopolitisch.
Das sind neue Entwicklungen, die vor zehn, fünfzehn Jahren völlig undenkbar waren. Damals wurden beispielsweise Pläne von Musk und Bezos milde belächelt von den Vertretern von Boeing und Lockheed. Auch in Österreich hatte man Überlegungen und weil das hier völlig undenkbar ist, sind die handelnden Personen weg. An dem Punkt stellt sich aber schon die Frage, was läuft bei uns in Österreich falsch, dass man solche Leute möglichst schnell vertreibt. Das ist extrem schade, denn die intellektuellen PS hätten wir ja offenkundig. Was auch stimmt: Die Raumfahrt ist das Fieberthermometer der Geopolitik. Da sieht man auch daran, wie die chinesischen Kolleginnen und Kollegen, die Bevölkerung und auch die Politik elektrisiert ist vom Thema Raumfahrt. In manchen Bereichen ist Europa immer noch extrem gut aufgestellt, aber es gibt auch Themen, wo es echten Aufholbedarf gibt. Wir täten alle wirklich gut daran, uns innovationsfreundlicher zu verhalten, statt alte Pfründe versuchen zu erhalten.
Denkt man bei „P.M. Wissen“ daran, öfter monothematische Sendungen zu machen?
Das gibt es ab und an, es gab etwa eine zur künstlichen Intelligenz gemeinsam mit dem Ars Electronica Center. Es wird das aber eher die Ausnahme bleiben. Denn wenn ein Zuseher am Schwerpunkt-Thema kein Interesse hat, dann geht der verloren. In einer Normal-Ausgabe ist das Spektrum so breit mit etwa zehn Themen, das sich jeder etwas finden kann. Diese Buntheit, die es im Heft gibt, wollen wir auch in der Sendung haben.
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