Einer, der an der Zeitschraube dreht

Der Entertainer und Chansonnier Max Raabe ist am 4. und 5. Mai 2015 wieder in Wien zu erleben
Der Entertainer Max Raabe über seine neue CD, Schlager, Pop-Musik und das sehr launische Showbusiness.

Er ist "bekennender Automobilist", "praktizierender Fahrradfahrer" und "dem Wesen nach leidenschaftlicher Berliner". Und er ist eine Stilikone, der sein Publikum stets zu begeistern vermag, der die Welt der 20er- und 30er- Jahre in die Gegenwart holt und alte Schlager zu modernen Hits macht: Max Raabe.

Eben erst hat der gebürtige Westfale zwei Konzerte in Österreich gegeben, ohne das von ihm gegründete Palastorchester, nur mit Pianist Christoph Israel als Partner. Am 4. und 5. Mai 2015 aber ist Raabe mit Orchester in der Wiener Stadthalle zu erleben und am 27. Juni am Linzer Domplatz. Wer bis dahin nicht warten will, kann sich mit einer neuen CD samt Konzertfilm (am 7. Dezember um 18.30 Uhr auf Arte) trösten. Denn bei "Eine Nacht in Berlin" demonstriert Raabe vor allem eines: Höchstes Können gepaart mit Berliner Lässigkeit und viel Charme.

Noblesse

Einer, der an der Zeitschraube dreht
APA3403973-2 - 12012011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Der deutsche Sänger und "Palastorchester"-Gründer Max Raabe am Dienstag, 11. Jänner 2011, während eines Interviews mit der APA-Austria Presse Agentur in Wien. APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
"Es war einfach an der Zeit, die letzten zwei Programme auf Tonträger festzuhalten, denn man wird ja nicht jünger", so der 51-Jährige lächelnd im KURIER-Gespräch. Sehr ernst gemeinter Nachsatz: "Außerdem hat das Palastorchester ein Niveau erreicht, für das man sich nicht schämen muss. In der heutigen Zeit ist dies keine Selbstverständlichkeit." Ja, Max Raabe spricht wirklich so: Ein wenig nasal, eine Spur altmodisch, dabei stets um Noblesse und Haltung bemüht. Selbstironie inklusive.

All das sind Faktoren, die den Künstler zum Star gemacht haben, die Musik aus der "guten, alten Zeit, die es so nie gegeben hat" zu einem fast massentauglichen Phänomen der heutigen Popkultur gemacht haben.

Popkultur? Raabe zieht eine Augenbraue hoch: "Es gibt so viel gute Popmusik, deutsche Popmusik. Ich mache das, was ich kann. So habe ich ja auch begonnen. Ich dachte, wenn mir die Schlager und Chansons des frühen 20. Jahrhunderts gefallen, müssen sie doch auch anderen gefallen." Trockener Nachsatz: "Ich gebe zu: Eine Anmaßung, aber eine wirksame." Und zur Popmusik: "Ich schätze da vieles, eher älteren Datums. Nur wenn deutsche Bands sich in englische Banalitäten retten, wahre ich eine gepflegte Distanz", so der ausgebildete Opernbariton.

Gebrauchsmusik

Was das Geheimnis guter Musik ausmacht? "Gute Musik ist jede Form von Gebrauchsmusik. Also Musik, die man brauchen kann. Mozart hat ,Gebrauchsmusik’ geschrieben, Schubert ebenso, andere große Komponisten ebenso. Ich sehe absolut nichts Verwerfliches darin, wenn man eine Melodie auf der Gasse nachpfeifen kann. Im Gegenteil. So wird die Musik erst lebendig", meint der auch als Komponist erfolgreiche Raabe. Zusatz: "Jede Zeit hat ihre Musik. Ich gestatte mir dennoch, ein bisschen an der Zeitschraube zu drehen."

Das Ergebnis dieser "Drehung" ist bekannt: Raabe und sein Palastorchester locken die Massen an, verkaufen Unmengen an Tonträgern, sind nicht nur an ihrem Stammsitz, dem Berliner Admiralspalast, meist ausverkauft. "Es schadet nicht, wenn man etwas macht, womit man auch noch Erfolg hat", so Raabe. Denn: "Früher haben wir bei Hochzeiten und in Nachtklubs gespielt – das hatte seinen Reiz. Diese Wurzeln behalte ich im Hinterkopf. Das Showgeschäft ist bekanntlich eine launische Diva."

Einer, der an der Zeitschraube dreht
CD
Was aber hält Raabe davon, dass auch immer mehr Opernstars wie etwa Jonas Kaufmann in seinem Revier "wildern"? "Etwas Besseres kann gar nicht passieren. Je mehr Menschen auf ihre Art diese musikalischen Schätze heben, desto besser. Heute ist das Notenmaterial weitgehend zugänglich. Einst musste man noch durch Keller klettern, um die Partituren zu finden. Heute könnte jeder sein eigenes Palastorchester haben und diese Hits singen. Halt! Vielleicht nicht jeder: Eine gewisse Stimme wäre dann doch von Vorteil."

Erzählgesang

Was aber macht ein gutes Showprogramm aus? Raabe trocken: "Der Anfang, die Pause und das Ende. Dazwischen wäre gute Musik anzuraten. Diese darf heiter oder traurig sein. Sie sollte nur da sein." Bevorzugt Raabe das Komische oder das Tragische? "Das ist wie die Frage, ob man lieber Brot oder Kuchen isst. Beides schmeckt gut, und alles hat seine Zeit. Guter Erzählgesang – das ist genau das, was ich mache – benötigt beides. Ich möchte singend etwas erzählen. Mit einem Lächeln, aber auch einem zarten Hauch von Melancholie."

INFOS: www.palast-orchester.de

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