Martin Kušej präsentiert Spielplan: Keine Angst vor dem Virus
Wenn man ihn fragte, wie es ihm so geht in Coronakrisenzeiten, dann würde Burgtheaterdirektor Martin Kušej mit einem „Nicht gut“ antworten. Wiederholt habe er sich, erzählte er am Montag, die Frage gestellt: „Ist es nicht eh egal, was ich tue?“
Unmittelbar vor der Premiere von „Der Leichenverbrenner“, die am 13. März hätte stattfinden sollen, wurde der Shutdown verordnet – und Kušejs erste, mit einer Sitzplatzauslastung von 80,4 Prozent ziemlich erfolgreiche Spielzeit jäh gestoppt. In der Folge gab es Geisterspiele und die Erkenntnis: „Streaming ist Ersatz, das analoge Theater das Kerngeschäft.“
Er hätte natürlich gerne einen konkreten „Fahrplan“: „Wann dürfen wir wieder normal proben und spielen?“ Aber die Frage bleibt unbeantwortet. Er sei jedoch von der Politik angehalten worden, an einer Planung ab Herbst weiterzuarbeiten. Daher tue er eben so – welch paradoxe Situation! – und stellte zusammen mit Vizedirektorin Alexandra Althoff den Spielplan vor, der unter dem Motto „Die Politik der Körper“ stehen wird.
Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger hätte sich von Innenminister Karl Nehammer eine Ausnahmegenehmigung geholt, um seine Programmpressekonferenz als Polit-Statement inszenieren zu können. Kušej hingegen fügte sich lammfromm den Verordnungen: Er stellte sich im Kasino zweimal hintereinander den Pressevertretern, die im Halbkreis an Tischchen saßen. Kein Schnickschnack, aber trotzdem eine Inszenierung, eben eine die Absurdität versinnbildlichende Anti-Inszenierung.
Dass es unmöglich sein werde, bei den Salzburger Festspielen „Maria Stuart“ mit vielen Beteiligten herauszubringen, sei ihm, meinte Kušej, schon bald klar gewesen. Er sagte die Koproduktion ab – und musste sich mithin eine neue Eröffnungspremiere einfallen lassen. Als Gegenstück zu Franz Grillparzers Märchen „Der Traum ein Leben“, das er bereits vor Jahren inszenierte, bringt er „Das Leben ist ein Traum“ von Pedro Calderón de la Barca auf die Bühne – mit Norman Hacker und Franz Pätzold in den Hauptrollen (geplante Premiere am 11. September). Es geht um einen Prinzen, von Geburt an gefangengehalten, der sich kein bisschen dankbar für die erfolgte Befreiung zeigt ...
Humanismusdebatte
Auch wenn die Parallelen nicht zufällig sind und weitere Stücke auf die gegenwärtige Krise verweisen (darunter „Kinder der Sonne“ von Simon Stone nach Maxim Gorki im April 2021), so handle es sich nicht, wie Kušej betonte, um einen Corona-Spielplan. Die zweite Premiere zum Beispiel, geplant am 12. September im Akademietheater, beschäftigt sich mit der Flüchtlingsfrage: In der Neubearbeitung „antigone. ein requiem“ von Thomas Köck nach Sophokles wollen die Athener die angespülten Leichen der Fremden am Strand verwesen lassen; Antigone hingegen schleppt die Toten in die Stadt – und stößt eine Humanismusdebatte an.
Angesetzt sind sechs Uraufführungen und zehn Erstaufführungen, darunter Produktionen, die wegen des Lockdowns nicht realisiert werden konnten, eben auch (im Oktober) „Der Leichenverbrenner“. Auf genaue Termine legt man sich allerdings nicht fest. Noch im September soll der „superspannende“ Krimi „Das Himmelszelt“ von Lucy Kirkwood (mit 14 Frauenrollen!) Premiere haben und im Oktober die Farce „Mein Kampf“ von George Tabori (Regie: Itay Tiran), die 1987 im Akademietheater ihre Uraufführung erlebt hatte. Als weitere Highlights folgen u.a. „Ernst sein ist alles oder Bunbury“ von Oscar Wilde (Regie: Antonio Latella), „Richard II.“ von William Shakespeare (Regie: Johan Simons) und „Fräulein Julie“ von August Strindberg (Regie: Mateja Koležnik).
Castorf inszeniert Handke
Mehr als zuletzt rückt die österreichische Dramatik in den Fokus: Barbara Frey inszeniert „Automatenbüfett“ von Anna Gmeyner, Lucia Bihler „Die Jagdgesellschaft“ von Thomas Bernhard – und Frank Castorf das neue Stück von Peter Handke, „Zdeněk Adamec“, das seine Uraufführung bei den Salzburger Festspielen haben soll.
Alle 540 Mitarbeiter würden darauf brennen, wieder zu spielen. Um dem Publikum, das vielleicht Angst vor einer Ansteckung haben könnte, Mut zu machen, werde er sich gerne auch selbst unter die Zuschauer setzen, sagte der Direktor zum KURIER: „Klar würde ich das machen. Ich persönlich hab’ überhaupt keine Angst.“
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