Mariss Jansons: Musik als Überlebensmittel

APA5887196-2 - 15112011 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Der lettische Dirigent Mariss Jansons am Dienstag, 15. November 2011, während eines Interviews mit der APA-Austria Presse Agentur in Wien. APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT
Salzburger Festspiele: Der Stardirigent über München, Amsterdam, Wien, Geld und Glück.

Wenn in Salzburg Festspielzeit ist, darf ein Mann nicht fehlen: Mariss Jansons, der charismatische lettische Stardirigent, ist seit Jahren regelmäßig zu Gast an der Salzach. Am 4. und 6. August wird Jansons wieder „sein“ Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks im Großen Festspielhaus leiten; auf dem Programm stehen dabei die jeweils sechste Symphonie von Tschaikowsky und Schostakowitsch sowie die Zweite Mahlers.

Etwas Großes

„Ich hoffe, das Publikum wird den direkten Vergleich der beiden sechsten Symphonien lieben“, sagt Mariss Jansons im KURIER-Gespräch. „Dass wir mit Mahlers Zweiter gastieren, war jedoch die Idee von Intendant Alexander Pereira. Er wollte unbedingt etwas Großes. Und wenn die Zweite Mahlers nicht groß ist, was dann?“

Jansons weiter: „Für mich ist sehr schön, dieses wunderbare Orchester bei einer großen Europa-Tournee präsentieren zu dürfen.“ Nachsatz: „2014 sind wir dann auch mehrere Wochen in Südamerika und den USA, das wird anstrengend“, so der 70-jährige Künstler. Aber: „Es geht mir gesundheitlich gut“, sagt der Maestro – nach zwei Herzinfarkten. Denn: „Meine Frau, meine Familie geben mir Kraft. Und natürlich die Musik. Denn Musik ist Liebe, sie berührt die Seele in ihrem tiefsten Inneren. Das versuche ich jeden Abend hörbar und vor allem fühlbar zu machen.“

Nobelpreis

Auch dafür wurde Jansons im Juni mit dem Ernst-von-Siemens-Preis, dem Nobelpreis der Musik , prämiert. „Ich habe das als große Ehre empfunden. Aber auch als große Verpflichtung, diesen Weg weiterzugehen, und zwar mit meinen beiden Orchestern.“

Mit „beiden Orchestern“ meint Jansons neben den Münchnern auch das Concertgebouw Amsterdam, wo er ebenfalls Chefdirigent ist.

Wie aber sieht in Zeiten allgemeiner Budgetkürzungen die finanzielle Situation aus? „In Amsterdam hat man unser Budget um fünf Prozent gekürzt, aber das ist weniger als bei anderen Institutionen. In München ist die Lage – wie in Österreich – noch relativ gut. Dennoch sind Kunst und Kultur überall bedroht, dabei ist vor allem die Musik ein Überlebensmittel.“

Ein Projekt konnte Jansons in München noch nicht realisieren: Ein neues Konzerthaus für sein Orchester. „Ich kämpfe seit Jahren darum, aber vor der deutschen Bundestagswahl wird erst einmal gar nichts geschehen.“ Lachend: „Aber ich werde weiterkämpfen, bis zum letzten Blutstropfen.“

Liebesbeziehung

Nicht kämpfen muss der Maestro um Angebote. Neben München und Amsterdam ist er auch immer wieder am Pult der Wiener Philharmoniker zu erleben. So auch in der kommenden Saison im Musikverein. „Die Wiener Philharmoniker sind ein vollendeter Klangkörper, ich liebe dieses Orchester.“ Bereits zwei Mal hat Jansons daher auch das Neujahrskonzert dirigiert, denn diese Liebe beruht auf Gegenseitigkeit.

An einem renommierten Haus hat Jansons bis dato nicht dirigiert, an der Wiener Staatsoper. Ein fixiertes Dirigat von Bizets „Carmen“ noch in der Ära Holender musste der Maestro damals aus gesundheitlichen Gründen absagen.

Und seitdem? Jansons lacht: „Ich weiß, diese Frage kommt immer. Und ich muss leider immer die gleiche Antwort geben. Es ist nichts geplant, obwohl mir auch Direktor Dominique Meyer schöne Angebote gemacht hat.“

Jansons:„Es gibt da aber Probleme. Um Oper zu dirigieren, braucht man Zeit. Ich gehöre nicht zu den Dirigenten, die eine Woche vor der Premiere anreisen und sagen, es wird schon gut gehen. Das ist unseriös. Auf meine bisher letzte Oper in Amsterdam, auf Tschaikowskys ,Eugen Onegin‘, habe ich mich drei Monate lang vorbereitet. Mehr Oper hieße somit weniger symphonische Konzerte. Das muss nicht sein. 2015 aber werde ich in Amsterdam Tschaikowskys ,Pique Dame‘ machen. Stefan Herheim wird inszenieren.“

Jansons ist also „wunschlos glücklich“. „Aber einen Traum habe ich. Ein Opernhaus nur mit jungen Musikern und jungen Sängern aufzubauen – das wäre es! Die Seele der Musik direkt an die nächsten Generationen weiterzugeben und die Jugend aufzubauen – leider fehlt mir dazu ein bisschen der Mut. Aber wer weiß, was kommt.“

Kommentare