Marie Rötzer leitet ab 2026/27 das Theater in der Josefstadt

Marie Rötzer leitet ab 2026/27 das Theater in der Josefstadt
Derzeitige Intendantin des Landestheaters Niederösterreich folgt auf Langzeitdirektor Herbert Föttinger.

Die neue Direktorin des Theaters in der Josefstadt heißt Marie Rötzer. Die derzeitige Intendantin des Landestheaters Niederösterreich wurde heute, Montag, wie erwartet als Nachfolgerin von Langzeitdirektor Herbert Föttinger ab der Saison 2026/27 vorgestellt. Die 56-jährige Österreicherin hat sich damit gegen 22 weitere Bewerbungen durchgesetzt. Ihr Vertrag läuft für fünf Jahre. Die Entscheidung fiel laut Stiftungsrats- und Aufsichtsratsvorsitzendem Thomas Drozda einstimmig.

"Freude, Freude, Freude", so fasste Rötzer ihre Bestellung zusammen. Föttinger habe dem Haus ein zeitgenössisches Profil verliehen und gut in der Wiener Theaterszene verankert. "Ich sehe es deshalb als Herausforderung, das Profil weiter zu gestalten." Für Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) ist Rötzer eine "Idealbesetzung", ihr Konzept habe deutlich herausgestochen. Als kaufmännischer Direktor wurde Stefan Mehrens verpflichtet, der ab der Saison 2026/27 Alexander Götz ablöst. Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) lobte Rötzers bisherige Arbeit, sie habe das Haus in St. Pölten zu einem "Leuchtturm" gemacht, der auch viele Wienerinnen und Wiener in die niederösterreichische Landeshauptstadt gelockt habe.

Marie Rötzer: Europäisches Theater und weibliche Handschriften 

Internationale Koproduktionen, partizipative Projekte, hoher Frauenanteil auch in der Regie und bekannte Namen jenseits der Bundeshauptstadt: Marie Rötzer hat das Landestheater Niederösterreich, das sie seit 2016 leitet, ordentlich umgekrempelt und zu großen Erfolgen geführt. Ab der Saison 2026/27 wird sie ihre Vision nun am Theater in der Josefstadt umsetzen.

Am Landestheater, wo der Vertrag der gebürtigen Mistelbacherin zweimal verlängert wurde, setzte sie kontinuierlich auf Öffnung. So war es ihr von Beginn an wichtig, "ein europäisches Narrativ zu entwickeln - mit einem Theater, das nach Europa hinausschaut, das sich aber auch Europa hereinholt", wie sie einmal im APA-Interview sagte. Dazu zählen internationale Gastspiele ebenso wie Koproduktionen wie etwa mit Luc Perceval und dem NT Gent oder mit dem Grand Théâtre de la Ville de Luxemburg, darüber hinaus holte sie Regisseure aus Kroatien und Ungarn ans Haus.

Unter Rötzers Leitung gelangen dem Landestheater Rekordbesucherzahlen und immer wieder theatrale Coups, so die Verpflichtung von Regiealtmeister Frank Castorf oder von Puppenmagier Nikolaus Habjan, dessen Inszenierung der Jelinek-Satire "Am Königsweg" international gefeiert wurde. Auch die Regisseurin Sara Ostertag, die künftig das TAG übernimmt, holte Rötzer früher als andere große Institutionen ans Haus. Unter ihrer Intendanz - übrigens ihrer ersten - wurden auch internationale Medien wie die "New York Times" auf das Landestheater NÖ aufmerksam.

Marie Rötzer leitet ab 2026/27 das Theater in der Josefstadt

Rosen

Bei ihrer Vertragsverlängerung im Dezember 2021 streute ihr Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Rosen: "Ihr ist es hervorragend gelungen, das Haus national und international zu positionieren und damit ein starkes Zeichen für das kulturelle Potenzial Niederösterreichs zu setzen", sagte sie damals. Das künstlerische Schaffen am Haus wurde u.a. mit drei Nestroy-Preisen gewürdigt: Gleich zweimal hintereinander gab es Preise für den "besten Nachwuchs männlich" (die Regisseure Moritz Beichl 2019 und Mathias Spaan 2020), Rikki Henrys "Hamlet"-Inszenierung wurde 2020 zur besten Bundesländer-Aufführung gekürt.

Wienerin kehrt nach Wien zurück

Geboren wurde Rötzer 16. Juli 1967, nach ihrem Studium der Theaterwissenschaft und Germanistik in Wien wirkte sie zunächst als Dramaturgin u. a. am Maxim Gorki Theater Berlin und an der Gessner Allee in Zürich. Ab 2001 war sie unter dem Intendanten Matthias Fontheim Chefdramaturgin und Mitglied der Künstlerischen Leitung am Schauspielhaus Graz, 2006 folgte sie Fontheim an das Staatstheater Mainz. Sie war u.a. 2009 und 2011 Kuratorin der Theaterbiennale "Neue Stücke aus Europa" in Mainz und Wiesbaden. Ab Ende 2012 arbeitete sie als Referentin des Intendanten und Mitglied der Künstlerischen Leitung am Hamburger Thalia Theater, bevor sie schließlich nach St. Pölten ging. Für ihre Verdienste um die Stadt St. Pölten wurde sie mit dem Jakob-Prandtauer-Preis 2024 ausgezeichnet.

Von manchen Kommentatoren war Rötzer bereits für das Wiener Burgtheater sowie das Volkstheater ins Spiel gebracht worden. Dafür, dass es nun mit dem Theater in der Josefstadt geklappt hat, ist neben den Umständen, dass sie eine Frau und gebürtige Österreicherin ist, wohl nicht unwesentlich, dass sie mit der heimischen Theaterliteratur vertraut ist und mit ihrem Anspruch an die gesellschaftliche Aufgabe des Theaters der kämpferischen, aufklärerischen Position Föttingers nicht unähnlich ist. Wo sie selbst den Kern ihrer Theaterarbeit sieht, hat Rötzer schon 2015 in einem APA-Interview dargelegt: "Es gibt einen Spruch, den ich toll finde, er stand wohl im antiken Theater an den Türen: 'Hier wird eine Sache verhandelt.' Das ist ein Motto, das mir sehr gut gefällt, und danach möchte ich auch mein Programm ausrichten." Daran hat sich seither wohl wenig geändert.

Josefstadt-Direktoren: Von Max Reinhardt zu Marie Rötzer

Das Theater in der Josefstadt kann auf eine über 200-jährige Geschichte zurückblicken, in der es viele künstlerische Höhepunkte (als Theater von Nestroy und Raimund, als Opern-, Operetten- und auch Ballettbühne) gab. Ebenso gab es aber auch unzählige Wechsel der Direktoren nach den an allen Wiener Theatern regelmäßig wiederkehrenden Finanzdebakeln oder Querelen.

1788 errichtete Karl Mayer, Schwiegersohn des Wirten "Bey den goldenen Straussen" in der Kaisergasse (heute: Josefstädter Straße) im Garten der Gastwirtschaft das erste Theatergebäude - heute die älteste noch bestehende ständig bespielte theatralische Institution auf Wiener Boden.

1822 leitete der bekannte Biedermeierarchitekt Josef Kornhäusl den Neubau des zu klein gewordenen Theaters, der mit Beethovens Ouvertüre "Die Weihe des Hauses" unter der Leitung des Komponisten eröffnet wurde. 1834 wurde der "Sträußel Saal" als Ballsaal eröffnet, in dem Johann Strauß Vater und Lanner regelmäßig zum Tanz aufspielten.

Von 1899 bis 1923 war Josef Jarno Direktor des Hauses. Mit Goldonis "Diener zweier Herren" begann am 1. April 1924 die Ära Max Reinhardt im Theater in der Josefstadt, der hier ein glänzendes Künstlerensemble u.a. mit der Familie Thimig, Gustaf Gründgens oder Hans Moser versammelte. Kodirektoren bis zu Reinhardts Emigration 1938 waren Emil Geyer (1926-1933), Otto Preminger (1933/34) und Ernst Lothar (1935-1938).

Die Direktoren seither:
1938-1945      Heinz Hilpert
1945-1953      Rudolf Steinboeck
1953-1958      Ernst Haeussermann/Franz Stoß
1958-1972      Franz Stoß
1972-1977      Franz Stoß/Ernst Haeussermann
1977-1984      Ernst Haeussermann
1984-1987      Heinrich Kraus
1988-1997      Otto Schenk/Robert Jungbluth
1997-1999      Helmuth Lohner/Robert Jungbluth
1999-2003      Helmuth Lohner/Alexander Götz
2003/04          Hans Gratzer/Alexander Götz
2004-2006      Helmuth Lohner/Alexander Götz
2006-2026      Herbert Föttinger/Alexander Götz
ab Herbst 2026 Marie Rötzer/Stefan Mehrens

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