Faithfull: Wenn Seelenschmerz die Herzgegend trifft

epa02842988 Britain singer, songwriter and actress Marianne Faithfull performs on stage in Genoa, Italy 26 July 2011. Faithfull tonight will receive the prize 'Janis Joplin's 2011'. EPA/LUCA ZENNARO
Marianne Faithfull bereitete "An Intimate Evening" im Stadttheater Walfischgasse.

Ihr gequältes Timbre macht Seelenschmerz zu Schallwellen. Mit gänsehauterregender Bruchgoldstimme liefert Marianne Faithfull den Soundtrack zur aktuellen Wetterlage: verzweifelten Optimismus, auch wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.

Wer spricht, fragt Rilke, von Siegen? Überstehen ist alles. Die legendäre Überlebende der Swinging Sixties gastiert, nur begleitet vom Gitarristen Neill McColl, mit „An Intimate Evening“ bis Freitag im Stadttheater Walfischgasse.

Nach ihrer Kennmelodie „Broken English“ von 1979 und „Stations“ aus dem letzten Album „Horses and High Heels“ (2001) ist die Großnichte von Leopold von Sacher-Masoch mit den Lyrics von Leonard Cohens „Tower of Song“ bei ihrem Lebensthema angekommen: „I’m Crazy For Love“. Um dann mit den Elementen zu kämpfen, die da sind: die Lesebrille, um sich die Texte vom Blatt ins Gedächtnis zu rufen, der Mikroständer und zu heiße Bühnenscheinwerfer. Sie ist in ihren Bewegungen etwas ungelenk. Sympathisch also. Nicht furios. Damit das heiser-rauchige Stimmmaterial weiterhin markant brüchig wie eh und je bleibt, zündet sie sich zwischendurch immer wieder eine Zigarette an.

Mit „Crazy Love“ von Nick Cave aus „Before The Poison“ und „Strange Weather“ von Tom Waits ist sie erneut in der Kunst des Düsteren zu Hause. Gibt sich überrascht, dass sie vor fast 50 Jahren „As Tears Go By“ aufgenommen hat.

Ihre einzige Zugabe: der Shel-Silverstein-Song „The Ballad of Lucy Jordan“, bei dem man immer das traurig wimmernde Keyboard im Ohr hat – für Freunde der überspitzten Melodramatik vermutlich das beste Lied der Faithfull.

KURIER-Wertung: **** von *****

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