Mit der Besetzung von Birgit Minichmayr als Österreichs bedeutendster Malerin ist Salomonowitz ein echter Coup gelungen: Die Burgschauspielerin „verkörpert“ die Kärntner Künstlerin, die den Begriff der „Body Awareness“ – der Körperbilder – prägte und die Wahrnehmung ihres Körpers zum Ausgangspunkt ihrer Malerei machte, im wahrsten Sinne des Wortes. Zudem eignete sie sich punktgenau Lassnigs signifikanten Sprachduktus an: Bis zu ihrem sechsten Lebensjahr lebte Lassnig bei ihrer Großmutter auf einer Hütte und sprach starken Kärntner Dialekt, den sie im Lauf ihres Lebens verlor. Insofern ließe sich anhand ihrer Sprachfärbung festmachen, wie alte die Malerin zum jeweiligen Zeitpunkt gerade gewesen ist: „Birgit war da extrem exakt“, sagt Salomonowitz.
"Sehr witzig angezogen"
Auch was Ausstattung und Kleidung betrifft, wurde genau recherchiert: Kostümbildnerin Tanja Hausner hatte mithilfe von Fotos und Videoaufzeichnungen Lassnigs Gewand detailgetreu nachempfunden: „Sie hat sehr viel Wert auf ihren Kleidungsstil gelegt und war sehr witzig angezogen“, erzählt Salomonowitz über die Künstlerin, die auch gerne noch als alte Frau in Trainingsanzügen auftrat.
Minichmayr verkörpert Lassnig in allen Stadien ihres Lebens – bis hin zu ihrem Sterbebett als über 90-Jährige –, ohne sich dabei äußerlich stark zu verändern: Kurzhaarperücke, große Brille und Lassnigs schräger Kleidungsstil müssen reichen. Die Vorgabe, die Malerin in allen Altersstufen, aber ohne Maske zu spielen, hätte Minichmayr ganz besonders gefallen, meint die Regisseurin: „Sich das zu erarbeiten, war eine große Herausforderung. Und ich muss sagen, ich fand es extrem mutig von ihr, ohne Altersschminke eine alte Frau zu spielen. Das kann ja auch grotesk daherkommen.“
Aber es funktioniert. Anfänglich ist man vielleicht ob des Altersunterschieds etwas verwundert, wenn der Sänger und Schauspieler Oskar Haag plötzlich als 19-jähriger Arnulf Rainer auftritt und mit Lassnig eine Beziehung anfängt. „Aber dann versteht man das System, man steigt ein und fühlt mit“, so Anja Salomonowitz: „Es hat mich sehr gefreut, dass diese Idee vom Publikum so gut angenommen wird.“
Männliche Kunstwelt
„Mit einem Tiger schlafen“ ist also kein Bio-Pic, sondern ein Stilmix aus Spielfilm und Doku, surrealistischen Elementen, Laiendarstellern und Menschen, die sich selbst spielen. Immer wieder treten Figuren aus ihren Rollen heraus, wenden sich direkt an die Kamera und kommentieren das Geschehen. Die Star-Fotografin Elfie Semotan, zum Beispiel: Sie fertigte einst Fotos von Maria Lassnig an und spielt diese Szene mit Birgit Minichmayr. Danach wendet sie sich direkt an die Kamera und erzählt von ihrer Begegnung mit der Künstlerin, die lange Zeit von der männlich dominierten Kunstwelt ignoriert worden war und oft ein sehr komplexes Verhältnis zu ihrer Umwelt unterhielt.
„Mit einem Tiger schlafen“, nennt sich ein berühmtes Lassnig-Gemälde, das Salomonowitz zum Titel ihres Filmes machte. Warum ?
„Weil ,mit einem Tiger schlafen’ für mich so viel heißt wie ,mit der Welt raufen’“, erklärt die Regisseurin: „Das kann eine äußere Welt sein, aber auch eine innere.“
Was sie selbst immer schon an der Malerei von Maria Lassnig fasziniert hätte, wären deren Farben: „Begonnen hat alles mit den Farben. Sie hat ihre Farben selbst gemischt und selber erfunden. Die Grellheit, die Ausdruckskraft – rosa, türkis, gelb, lila ... Immer, wenn ich vor einem Lassnig-Bild gestanden habe, fand ich das sehr inspirierend.“
Im Jahr 1980 erhielt Maria Lassnig dann an der Hochschule für angewandte Kunst als erste Frau im deutschsprachigen Raum eine Professur für Malerei. Zuvor hatte sie lange Jahre in Paris und noch länger in New York gelebt. Gerade dort hat sie ganz besonders viel in Türkis gemalt, erzählt Anja Salomonowitz. Ihrem Assistenten Hans Werner Poschauko habe sie dann erklärt, wo das Türkis herkam: „Es ist das Türkis des Wörthersees. Sie hatte Sehnsucht nach Kärnten.“
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