Maertens: "Piefke" und Publikumsliebling

Maertens: "Piefke" und Publikumsliebling
Wie der KURIER erfuhr, spielt das Burgtheater zu Silvester Woody Allen. Michael Maertens, der Teil der Starbesetzung ist, im Interview.

Knapp vor einer Probe, schon im Kostüm, spricht Michael Maertens in seiner Garderobe über die kommende Jelinek/Wilde-Premiere, über seine Nominierung zum Nestroy-Publikumsliebling - und über Silvester.

KURIER: Welches Stück wird heuer die "Silvesterüberraschung" des Burgtheaters?
Michael Maertens: Wir haben uns für ein well made play von Woody Allen, die "Sommernachtssexkomödie", entschieden. Es hat mit Vergänglichkeit zu tun, mit dem Alter, mit Menschen, die sich wie verliebte Gockel benehmen. Es ist keine alberne "Tür auf, Tür zu"-Komödie, sondern mit Wehmut und Melancholie durchsetzt. Jeder ist in jeden verliebt, jeder ist verzweifelt, es klappt nicht mit der Sexualität. Wir nehmen es als intelligenten Spaß, hoffentlich überträgt es sich auf das Publikum.

Die Silvesterpremiere hat im Vorjahr mit "Der Parasit" ja gut funktioniert.

Matthias (Burgdirektor Hartmann; Anm.) möchte aus der Silvesterüberraschung eine kleine Tradition machen, ohne, dass alle Kritiker aus Deutschland anreisen müssen, einfach nur für das Publikum. Diese unkonventionellen Gedanken - dafür mag ich Matthias so gerne. Als er mir dann sagte, dass bei diesem Spaß Sunnyi Melles mitmacht, Martin Schwab, Roland Koch, Dorothee Hartinger, da konnte ich nicht mehr Nein sagen. Ich weiß das ja noch von meinem Vater und meinem Großvater, die haben früher in einer Woche den "Don Carlos" auf die Bühne gebracht. Ich finde das reizvoll: Du hast eine Woche für Textlernen, und weniger als drei Probewochen, denn da ist Weihnachten dazwischen ... aber irgendwie werden wir das schon hinkriegen.

Ihre nächste Premiere ist "Der ideale Mann" im Akademietheater. Nach "Bunbury" ist das ihre zweite Hauptrolle in einer Oscar-Wilde-Übertragung von Elfriede Jelinek.
Bei "Bunbury" hatte ich zuerst Probleme. Ihre Sprache klang so platt und rüde. Erst im Spiel hat sich herausgestellt, dass sie doch ganz nah an Oscar Wilde ist. Beim "Idealen Mann" ist es was anderes. Jetzt geht es weniger um Sexualität, denn um Politik, gesellschaftliche Reputation und Anerkennung. Der Text ist sehr zugespitzt, man hat schnell Assoziationen zu Österreich und zur hiesigen Politik. Inzwischen habe ich mich intensiver mit Jelinek beschäftigt. Ich bin jetzt ein richtiger Fan.

Die Figuren entlarven sich über ihre Sprache.
Oder sie verstecken sich dahinter. Die Figuren verheddern sich in ihrer Sprache, sie entlarven sich dadurch. Wir machen uns den Spaß - weil das Ganze ja in London spielt - das Britische zu betonen, im britischen Tonfall zu sprechen. Das geht mit Jelineks Sprache sehr gut. Sie ist nicht deutsch im Sinne von "taktaktaktak".

Moral ist in diesem Stück kein gangbarer Weg.
Das Stück zeigt: Wenn man sich auf das dünne Eis der Politik begibt, kommt man an der Korruption fast nicht vorbei. Die Figuren sind keine unmoralischen Arschlöcher, sie sind in diesem System gefangen. Aber trotzdem ist es auch eine Gesellschaftskomödie. Da sind kleine, zappelnde Wesen, mit denen man auch Mitleid haben kann.

Sie haben mit Barbara Frey bei "Arsen und Spitzenhäubchen" zusammengearbeitet, das war sehr komödiantisch.
Wenn "Arsen" nicht komisch ist, dann wäre etwas völlig falsch. Aber auch da hatte die Figur etwas Tragisches an sich, dadurch wurde sie ja besonders komisch. Diesmal habe ich eher den seriöseren Part. Es ist nicht der
anarchische Clown, und das gefällt mir gut.

Sie spielen also anders, als man es von Ihnen erwartet?
Das denke ich nicht, dazu ist man mir hier auch schon zu sehr auf die Schliche gekommen. Mit den vielen Rollen wird es schwer, noch zu überraschen.

Sie spielen zu viel . ..
Ja, aber ich kann's nur immer wieder betonen: Ich bin weitgehend unschuldig daran, das hat mit diesen wahnsinnig vielen Übernahmen zu tun. Dass man erfolgreiche Stücke im Gepäck mitnimmt, hat ja auch etwas Reizvolles. Es hat sich ja auch bewährt, die Aufführungen laufen sehr gut. Tatsächlich ist "Der ideale Mann" in den letzten drei Jahren erst meine vierte neue Produktion - und das ist gar nicht so viel.

Sie sind als "Publikumsliebling" für den "Nestroy" nominiert.
Meine Vermutung ist, dass die Jury mich als Publikumsliebling nominiert hat, weil ich so viel gespielt habe, aber in anderen Kategorien nicht vorkomme. Ich mag den "Nestroy" sehr, ich finde es schön, dass unser Metier sich feiert. Und ich kann auch die überhaupt nicht verstehen, die beleidigt sind, weil sie nicht nominiert wurden. Ich bin da relativ uneitel: Ich war sechs Mal nominiert und habe ihn nur ein halbes Mal bekommen - und gehe da trotzdem gerne hin. Paulus Manker hat im Vorjahr 2000 eMails verschickt, und wenn man die geöffnet hat, hatte man automatisch für ihn gestimmt. Das kann ich gar nicht, weil ich nicht so ein Computerfachmann bin. Deshalb rechne ich mir nicht so viele Chancen aus. Aber ich muss nicht der Liebling sein. Dazu bin ich auch zu sehr der Piefke. Ich bin keiner, der Theater spielt, damit die Leute ihn lieben. Oder hassen.

Burg: Jelinek bearbeitet Wilde

Zur Person: Michael Maertens kam als Kind einer Theaterfamilie 1963 in Hamburg zur Welt. 2005 gewann er gemeinsam mit Nicholas Ofczarek den Nestroy.

Premiere: Am 23. 11. bringt Barbara Frey "Der ideale Mann" nach Oscar Wilde heraus. Elfriede Jelinek verankerte die Korruptions-Komödie in der österreichischen Realität.

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