"Lonely Ballads" im Werk X: Pandemie der Einsamkeit

Isabella Jeschke eröffnet den gelungenen Abend: "Lonely Ballads: EINS + ZWEI" im Werk X.
Das Aktionstheater Ensemble mit neuem Stück, einer Doppel-Uraufführung. Es sind Monologe der Verzweiflung.

„Mir gehen die Berührungen so ab“, sagt Isabella (Isabella Jeschke), die eigentlich ganz gut durch die Pandemie gekommen ist. Sie habe jetzt mehr Geld als zuvor, anstatt den üblichen 750 Euro Mindestsicherung beziehe sie „fast tausend Euro. Im Monat. Wegen den ganzen Hilfszahlungen, SVS Überbrückungsfonds, Härtefallfonds 2, Arbeitsstipendium, KSVF ...“

So viel Geld hatte Isabella noch nie am Konto. Großes Glück. Dann der manische Schub, das Pendel schwingt zurück auf die andere, depressive Seite: „Ich werde nicht wahrgenommen“, sagt die Schauspielerin im ersten Teil des zweiteiligen Abends im gedämmten Bühnenlicht stehend. Sie gibt den ersten von vier Monologen, die Regisseur Martin Gruber wieder mit seinen - in diesem Fall vier Schauspielern (Isabella Jeschke, Thomas Kolle, Tamara Stern, Benjamin Vanyek) - gemeinsam erarbeitet hat.

"Lonely Ballads: EINS + ZWEI", das am Mittwochabend im Werk X Premiere feierte, ist eine dichte, geschickt miteinander verwebte Mischung aus persönlichen Pandemie-Bestandsaufnahmen, Kindheitserinnerungen, seelischen Verletzungen und alltäglichen Hindernisläufen, die mit viel Körpereinsatz verarbeitet werden.

"Lonely Ballads" im Werk X: Pandemie der Einsamkeit

Thomas Kolle muss sich fürchterlich aufregen.

Sound of Silence

Umringt von großartig aufspielenden Musikern (Nadine Abado, Andreas Dauböck, Kristian Musser sowie Simon Gramberger, Joachim Rigler und Simon Scharinger von der Gesangskapelle Hermann) werden die Schauspielerinnen und Schauspieler einzeln und nacheinander in die Mitte geworfen. Auf Isabella folgt der „Küchennazi“ Thomas (Thomas Kolle): Verlassen von seiner Partnerin kann er nun endlich so kochen, wie es verdammt noch einmal richtig ist. Endlich muss er seiner völlig untalentierten und unmotivierten Freundin, also Ex-Freundin, nicht mehr dabei zusehen, wie sie die Karotten immer zu groß schneidet; wie sie sich ständig dieses Junkfood reinhaut, weil sie zu faul ist, sich selber etwas zu kochen. „Sie bestellt ja nur. Wenn sie kocht bedeutet das, sie bestellt sich etwas.“

Das muss Thomas jetzt nicht mehr aufregen. Denn Bettina hat in der Pandemie die Flucht ergriffen, hat sich vor seiner kleinbürgerlichen und mit viel Selbstliebe aufgeladenen Überheblichkeit sowie seiner falschen Toleranz verabschiedet. Dabei wollte er ihr ja nur helfen: „Ich habe ja nur versucht ihr zu sagen, wie man die Dinge richtig macht, weil sie weiß es ja nicht: Schau, Bettina, so schneidet man eine Kartoffel ...“

Auf Thomas folgt Tamara (extrem physisch präsent: Tamara Stern). Und auf Tamara folgt Benjamin (berührend: Benjamin Vanyek). Sie alle berichten von (ihren eigenen) Nöten, Neurosen und Niederlagen.

"Lonely Ballads" im Werk X: Pandemie der Einsamkeit

Benjamin Vanyek

Mitten in diesen gegen sich selbst geführten Kämpfen beginnt die Band – links und rechts auf der Bühne hinter einem semitransparenten Vorhang stehend – zu spielen. Es sind für dieses Stück neu arrangierte Lieder, die man bereits aus vergangenen Stücken kennt. Großartige Musik, die es nun auch zum Kaufen (CD/Vinyl) gibt. Wunderschöne Balladen, die dieses Potpourri an Widersprüchen und seelischen Untiefen, diesem Ping-Pong unterschiedlicher Stimmungslagen den passenden Rahmen geben.

Zurück zum Anfang des Abends, zu Isabella: Sie hat im Lockdown viel herumgevögelt und ist nun schwanger. Sie geht seit Tagen gar nicht mehr aus dem Haus. „Diese letzte Zeit hat mich so überfordert, dass ich jetzt gar nichts mehr mache. Ich sitze einfach auf der Couch oder lege mich auf den Boden und schaue wie die Sonne wandert. Und wenn ich dann mal kurz einschlafe, ist es auch egal, weil dann bin ich überrascht, wenn ich aufwache und die Sonne ist woanders.“ Das ist ein schöner, zugleich aber auch sehr trauriger Gedanke. Die Pandemie verschwindet irgendwann, aber die Einsamkeit bleibt. 

Weitere Aufführungen im Werk X, Wien 12, Oswaldgassse 35a: Do. 17., Fr. 18., So. 20. und Mo. 21 Juni jeweils 19.30 Uhr, Karten unter 01/535320011 oder auf der Homepage. 

"Lonely Ballads" im Werk X: Pandemie der Einsamkeit

Tamara Stern

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