Lohner: Familienhölle in der Josefstadt

Lohner: Familienhölle in der Josefstadt
Kühl nahm das Premierenpublikum Eugene O’Neills dramatisierte Familienaufstellung "Eines langen Tages Reise in die Nacht" mit Helmuth Lohner auf.

Eugene O’Neills 1941 geschriebenes, 1956 uraufgeführtes Stück "Eines langen Tages Reise in die Nacht" ist nichts anderes als eine Familienaufstellung in dramatisierter Form. Kein Wunder, dass er das Stück nach seinem Tod für 25 Jahre sperren wollte (seine Witwe hielt sich nicht daran).

Der mit dem Literatur-Nobelpreis und mit vier Pulitzer-Preisen ausgezeichnete Dramatiker beschreibt darin die eigene dysfunktionale, der Alkohol- und Drogensucht verfallene  Familie: Der Vater, ein Schauspieler ist krankhaft geizig. Der Bruder, ebenfalls Schauspieler, ist eine gescheiterte, bösartige Existenz. Die Mutter hasst das Leben in einer Theater-Familie. Mit dem Tuberkulose-kranken Dichter und Journalisten Edmund hat O’Neill sich selber sehr genau und schonungslos zur Bühnenfigur gemacht.

Sie alle sind einander in unauflösbarer Hassliebe verbunden. Sie ertragen einander nur  mit Hilfe von Alkohol oder Drogen. Mit der Nebenwirkung, dass sie im Rausch ihre Lebenslügen nicht mehr aufrecht erhalten können und beginnen, einander die Wahrheit zu sagen.

Kühle Reaktion

Torsten Fischer, der den Text radikal zusammen strich (und paradoxer Weise vielleicht genau dadurch ein paar Längen in der Handlung erzeugte), inszenierte diese Familienhölle gnadenlos und ohne Aussicht auf Hoffnung. Ob Edmund – wie im Stück eigentlich vorgesehen und wie von O’Neill in der Realität vorgelebt – eine Chance hat, dieser Familienfalle zu entkommen, bleibt in dieser Fassung sehr fraglich.
Vielleicht war deshalb die Reaktion des Premierenpublikums derart kalt: Selten hörte man in Wien einen so kurzen, desinteressierten Premierenapplaus (durchsetzt mit ein paar einsamen Bravos).

Helmuth Lohner als Vater, der sogar die Gesundheit seines Sohnes seinem Geiz opfert; Ulli Maier als an der Nadel hängende, am Leben zuschanden gehende Mutter; Markus Gertken als wie ein Ertrinkender um sich schlagender Taugenichts; und Michael Dangl als hustendes, um Aufrichtigkeit und Erlösung schreiendes Alter Ego des Dichters:
Sie alle spielen uneitel, dicht, wahrhaftig und ergreifend. Sie spielen nur nie: kulinarisch. Nichts in dieser schonungslos ehrlichen Inszenierung spendet Trost. Wer das ertragen kann, findet eine bemerkenswerte Aufführung.

KURIER-Wertung: **** von *****

Fazit: Ein Tag in der Familienhölle

Stück
Eugene O’Neill beschreibt einen Tag in der Familienhölle, vom Morgen bis in die Nacht. Die  Figuren sind seinem eigenen Leben entnommen, entsprechen seinem Vater, seiner Mutter, seinem Bruder und sich selbst.

Inszenierung
Torsten Fischer  setzt die ohnehin schon erbarmungslos harte Handlung – Saufen, weil man die Wahrheit nicht erträgt, die durchs Saufen ans tageslicht kommt – ohne Aussicht auf Trost oder Hoffnung in Szene.

Spiel
Hinreißend. Aber Vorsicht: Freunde gepflegter Schauspiel-Kulinarik werden hier nicht fündig.

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