Lockdown: "Die Kultur kassiert hier die Rechnung für andere"
Mit dem allgemeinen Lockdown in Österreich ist auch die Zeit der Öffnung für die Kulturinstitutionen vorerst wieder vorbei. Bis maximal 13. Dezember soll nach jetzigem Stand der Lockdown dauern. Die ersten Reaktionen von Kulturseite sind dabei skeptisch, scheint die Frustration in Teilen der Branche mittlerweile hoch. Im Theater in der Josefstadt stellt man ab kommenden Montag nicht nur den Vorstellungs-, sondern auch den Probenbetrieb ein. Das verkündete Intendant Herbert Föttinger am Freitagvormittag unmittelbar nach der Regierungs-Pressekonferenz zum neuen Lockdown seinem Ensemble. Für die zwei kommenden Premieren „Der ideale Mann“ (25.11.) und „Rechnitz“ (4.12.), die nun abgesagt werden müssen, werde es vorläufig keine neuen Termine geben, sagte Föttinger der APA.
Der Josefstadt-Direktor will das weitere Geschehen abwarten und nicht mit dem heute bekannt gegebenen Lockdown-Ende nach 20 Tagen planen. „Ich gehe nicht davon aus, dass das nur 20 Tage sein wird und glaube auch nicht, dass die Theater unter den Ersten sein werden, die aufsperren dürfen.“ Da werde das Augenmerk wohl eher auf dem Weihnachtsgeschäft des Handels liegen, meinte Föttinger. „Weil wir aber schon an der Belastbarkeitsgrenze waren, bin ich aber eigentlich froh, dass es zu dieser Lösung kommt, auch wenn sie spät kommt.“
"Unzumutbarer Zustand für die Besucher“
Zuletzt hatte das Theater in der Josefstadt mit einigen Impf-Durchbrüchen im Ensemble zu kämpfen. Mit vier Fällen gebe es „einen 'Rechnitz'-Cluster“. Alle Betroffenen wiesen aber dank der Impfungen keine schweren Verläufe auf und seien am Wege der Besserung. Am 4. Dezember hätte man die bereits einmal verschobene Premiere spielen können, so der Theaterleiter, der die in Wien ab heute. Freitag, geltende 2Gplus-Regel nun an genau drei Abenden in den Spielstätten seines Hauses durchsetzen muss. „Ich nehme das zur Kenntnis.“ Bei der Wiener Regelung, wonach auch Genesene oder Geimpfte nur mit einem gültigen PCR-Test ins Theater dürfen, handle es sich jedoch eigentlich um einen „unzumutbaren Zustand für die Besucher“.
„Die große Enttäuschung ist, dass zwar behauptet wurde, dass die Impfung der Game-Changer sein werde, aber klar ist das noch nicht“, so Föttinger, der zwar selbst bereits dreimal geimpft ist, dem aber eine überzeugendere Aufklärung der Impfskeptiker lieber als die nun angekündigte Impfpflicht gewesen wäre. „Alles, was mit Pflicht verbunden ist, macht mir ein bisschen Sorgen.“ Auch die Wortwahl von Bundeskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) bei der heutigen Pressekonferenz empfinde er als schwierig. Indem man den Ungeimpften die Schuld an der Situation gebe, spalte man die Gesellschaft.
Das Theater in der Josefstadt werde wieder Kurzarbeit anmelden und den Proben- und Werkstättenbetrieb einstellen. Man habe genügend Produktionen bereit, um den Spielbetrieb nach Lockdown-Ende rasch wieder aufnehmen zu können. Die finanziellen Außenstände durch frühere Lockdowns seien deutlich geringer als ursprünglich medial kolportiert. „Wir befinden uns dazu in absolut positiven Gesprächen mit der Staatssekretärin und der Kulturstadträtin. Ich kann nur allen sagen: Machen Sie sich keine Sorgen um die Josefstadt! Es wird alles gut.“ Vielleicht nicht gerade alles. Denn, so Herbert Föttinger abschließend: „Wir werden in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Aber wie alle anderen Theater auch!“
"Bald die einzigen, die nicht spielen dürfen"
Die vom Lockdown betroffene Premiere des „Don Giovanni“ der Wiener Staatsoper wird nun im Fernsehen zu sehen sein, wie Direktor Bogdan Roščić gegenüber der APA ankündigte: „Der neue 'Don Giovanni' wird am Sonntag, 5. Dezember, im Hauptabendprogramm von ORF III live übertragen.“ Und für die Zeit nach dem Lockdown plane man Liveaufführungen des Mozart-Werkes: „Wir verlassen uns also auf die Aussage der Regierung, dass der Lockdown für Geimpfte und Genesene, aus denen schon seit 1. Oktober unser Publikum besteht, nach drei Wochen auf jeden Fall vorbei ist und wir wieder spielen können.“ Dass die Besetzung hierbei mitziehe, sei ein Glücksfall: „Aber es wird nicht leichter. Vor einem Jahr waren wir das eine große Theater weltweit, das immer weitergespielt und gearbeitet hat. Jetzt sind wir bald die einzigen, die es nicht dürfen.“
Vereinigte Bühnen müssen 20.000 Tickets umbuchen
"Wir hoffen, dass es bei diesen zwei Mal zehn Tagen bleibt", sagt auch der Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, Franz Patay, zum KURIER. Das Theater an der Wien und die Musicalbühnen müssen mehrere Premieren verschieben, darunter "Miss Saigon", das nun später erstmals zu sehen sein könnte. "Wir können nicht unmittelbar nach dem Aufsperren die Premiere spielen; wir brauchen einige Vorstellungen vor Publikum", sagt Patay.
Die VBW halten den Vorbereitungs- und Probenbetrieb offen, sagt Patay - was auch heißt: "Die Kosten laufen weiter, die Einnahmen aber entfallen". 20.000 Tickets müsse man umbuchen oder rückerstatten. Auch die Nestroy-Preis-Gala am Sonntag wird wohl Veränderungen unterzogen werden, dazu sollte später am Freitag eine Info erfolgen.
"Wien modern" ist resigniert
Besonders getroffen von den Schließungen ist erneut das laufende Musikfestival Wien Modern, das eigentlich bis 30. November hätte dauern sollen. "Die Kultur kassiert hier die Rechnung für andere", zeigte sich Intendant Bernhard Günther im APA-Gespräch resigniert. Das Kulturpublikum habe in den vergangenen Wochen bewiesen, dass mit Vorsichtsmaßnahmen auch ein Alltagsleben möglich sei, ohne mit dem Risiko zu spielen: "Die Kultur hat die aktuelle Maßnahme nicht zu verantworten."
Für Wien Modern gelte es nun, für die kommende Woche unter Hochdruck umzuplanen. "Es ist wieder schnelle Präzisionsarbeit gefragt", so Günther. Bis Sonntag würden alle Vorhaben wie geplant umgesetzt, für die restlichen Projekte kläre man ab, ob einzelne auf die Zeit nach dem Lockdown verschoben werden könnten oder via Streaming doch realisiert werden könnten. Klar sei angesichts der Lage aber eines: "Die Frustration ist bei manchem im Kultur schon sehr hoch."
"Man hätte 2 G früher machen können"
Christian Dörfler, Kinovertreter in der Wirtschaftskammer, zeigte sich ebenfalls zerknirscht und bezeichnete den neuerlichen Lockdown gegenüber der APA als "bedauerlich". Dieser wäre im Gegensatz zu den vorangegangenen dank Impfung nicht notwendig gewesen: "Dieses Mal war es Missmanagement." Man hätte z.B. 2G viel früher einführen können. Die Kinos hätten in den vergangenen Monaten viel Geld, Zeit und Arbeit investiert, um die Menschen wieder zurück vor die Leinwand zu bringen - und das mit Erfolg. "Wir hatten bisher einen sehr guten Herbst." So habe sein Haus, das Wiener Haydn-Kino, den drittbesten Oktober aller Zeiten verzeichnet.
Aber auch das unmittelbare Comeback der Kinos nach dem Ende der Maßnahmen könnte sich einmal mehr als schwierig gestalten - nämlich dann, wenn nach dem Lockdown keine Filme zur Verfügung stehen, weil sich die Starts wegen etwaiger stattfindender Kulturschließungen in Deutschland oder anderen großen Märkten verzögern. Trotzdem ist Dörfler überzeugt: "Die Kinos werden auch dieses Mal wieder zurückkommen." Es sei halt bedauerlich, jetzt wieder von vorn anfangen zu müssen.
"Traurig und auch wütend"
Auch Thomas Gratzer, Direktor des Wiener Rabenhof-Theaters, zeigte sich gegenüber der APA „traurig und auch wütend (auf die Bundespolitik, den unsolidarischen Teil der Gesellschaft, und vor allem jene politischen Kräfte, die zynisch und rücksichtslos die Spaltung der Gesellschaft noch befeuern)“. Der jetzige Lockdown wäre nicht nötig gewesen. Sein Haus habe sich zuletzt bezüglich des Publikumszuspruches gut entwickelt. „Jetzt reißt alles wieder ab, und wir können wieder mal zurück an den Start. Aber nachdem wir wirklich ein sehr treues und auch äußerst verantwortungsbewusstes Publikum haben, schau ich mittel-langfristig trotzdem optimistisch in die Zukunft.“
Hoffen auf die Streamingoption
38 Veranstaltungen sind indes alleine im Konzerthaus von einem Lockdown bis 13. Dezember betroffen, berichtet Intendant Matthias Naske der APA. Darunter seien hochkarätigste Termine wie Konzerte der Wiener Philharmoniker und Symphoniker. Man müsse sich nun wieder an die Umplanung machen, wobei er bei manchen Veranstaltungen auf Streamingoptionen hoffe, obgleich manche auch schlicht abgesagt werden müssten, wie etwa ein geplantes Weihnachtsoratorium.
Es sei traurig, aber offensichtlich sei der neuerliche Lockdown notwendig. „Wenn er am 13. Dezember endet, dann können wir damit leben - glücklich sind wir natürlich alle nicht“, so Naske. Finanziell sei für sein Haus und viele andere Kulturinstitutionen nun wichtig, dass die auf 5 Prozent gesenkte Umsatzsteuer über das Jahresende hinaus bis zumindest Saisonende fortgeführt werde. „Das hilft jenen Institutionen besonders, die sich über ihre Aktivitäten und nicht nur über die öffentliche Hand finanzieren“, unterstrich der Konzerthaus-Chef. Auch die Frage der Kurzarbeit für direkt an der Bühnenproduktion beteiligte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müsse man im Haus nun erneut andenken.
Vorarlberger Institutionen sperren ab sofort
In Vorarlberg warten mehrere Kulturveranstalter nicht, bis am Montag der neuerliche bundesweite Lockdown in Kraft tritt. Bereits am Donnerstag verschob das Bregenzer Theater Kosmos alle Vorstellungen, weil man eine Einladung zu Theaterabenden aufgrund der derzeitigen Infektionslage für nicht vertretbar hielt. Per sofort zugesperrt hat m Freitag der Dornbirner Spielboden, ebenfalls bereits geschlossen ist der Dornbirner Club „Conrad Sohm“.
„Wir hoffen, dass sich noch heuer die Situation beruhigt und stabilisiert und wieder eine Atmosphäre der Offenheit, Neugierde und Kontaktfreude möglich ist“, so Hubert Dragaschnig und Augustin Jagg vom Theater Kosmos. Vonseiten des Spielboden hieß es, man sehe keinen Grund, mit der Schließung bis Montag zu warten: „Wir hoffen auf eine rasche Besserung der Lage und eine Wirkung des Lockdown“. Man suche für alle Veranstaltungen Ersatztermine.
Werben fürs Impfen
„Die aktuellen Infektionszahlen erfordern wieder einschneidende Maßnahmen. Deshalb ist das Conrad Sohm vorübergehend geschlossen“, war auf der Homepage des Dornbirner Clubs zu lesen. Die seit Freitag in Vorarlberg geltende, verschärfte Maskenpflicht nannte der Club „Vabrik“ in Röthis (Bez. Feldkirch) als Grund für seine Schließung. „Corona ist gekommen, um zu bleiben. Wenn wir keine viel, viel, viel bessere Impfquote erreichen, werden Clubs auch in den Wintermonaten 2022, 2023, 2024, 2025 ... nicht geöffnet haben“, warb man dort für eine Impfung.
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