Lob des Eigensinns

Lob des Eigensinns
Eine wie aus der Zeit gefallene Buchreihe berichtet davon, wie schön diese Welt ist

Während alle Welt davon spricht, dass sich niemand mehr für auf Papier Gedrucktes interessiere, dass die Medienwelt nur mehr aus schnelllebiger Oberflächlichkeit bestehe – wagt sich ein Berliner Verlag an aufwendige Bücher über Esel, Äpfel und Saurier.

Schlichte Botschaft: das Staunen über diese Welt.

Lob des Eigensinns
Über die Dinos zum Beispiel: Zdeněk Burian widmete einen Gutteil seines bildnerischen Schaffens den ausgestorbenen Riesen. Die gewaltigen Saurier-Gemälde des 1981 verstorbenen Tschechen wurden jetzt in Buchform unter dem Titel „Die verlorenen Welten des Zdeněk Burian“ wieder aufgelegt und mit einem Vorwort von Clemens J. Setz versehen.

Ein durch und durch seltsames Buch. Die Malerei, wunderbar bis kitschig, wirkt wie ein Kinderbuch aus den 60ern; urzeitliche Historienbilder in altmodischen Farben nach archäologischen Fundstücken.

Bemerkenswert ist auch die Ausstattung des paläontophilen Prachtbandes: das historische Folio-Format, der kostbare Leineneinband, die solide Fadenheftung. Nicht nur Freunde des Megalosaurus werden damit lange Freude haben.

Lob des Eigensinns
Dann wäre da Pfarrer Korbinian, der sich weigerte, Kinder auf den Namen Adolf zu taufen und dafür in Dachau landete. Dort züchtete er Apfelsorten und gab ihnen die Namen KZ-1, KZ-2, KZ-3 (heute „Korbinians-Apfel“) und KZ-4. Er überlebte das KZ und widmete sich bis zu seinem Tod 1966 dem Obstbau und der wissenschaftlichen Zeichnung von Apfelsorten. 841 Aquarelle von Früchten, die Namen wie „Rheinische Schafsnase“ tragen, sind in einem pomologischen Wunderbuch zu bestaunen: 512 Seiten über Äpfel und Birnen.

Insektopädie

Ein ebenso überraschendes wie fantastisches Buch, erschienen in der Reihe „Naturkunden“ des Berliner Matthes & Seitz-Verlags.

Lob des Eigensinns
Es sind Bücher, die von Tieren und Pflanzen, von Pilzen und Menschen, von Landschaften, Steinen und Sternen handeln. Von belebter und unbelebter, von fremder und vertrauter Natur. Ganz undogmatisch. Schlicht gesagt, berichtet die Reihe davon, wie schön diese Welt ist. Oder auch: wie ungewöhnlich. Etwa im Band „Insektopädie“ von Hugh Raffles, wo ein Kapitel von der Schweizer Künstlerin Cornelia Hesse-Honegger erzählt, die seit Jahrzehnten ... Blattwanzen malt.

Naturkunden“, das sind Bücher über Heringe und Raben, über Falken, sprechende Blumen oder die Berge Kaliforniens. Man möchte sie alle besitzen, streicheln oder, wie Herausgeberin Judith Schalansky sagt, „mit ins Bett nehmen“. Schalansky ist vielbeachtete Autorin („Der Hals der Giraffe“) und Grafikerin und hat einen Teil der Reihe selbst gestaltet, etwa die Kulturgeschichte des Esels in Jutta Persons Porträt über Herkunft, Charakter und Geschichte dieses oft unterschätzten Tieres: Eine Betrachtung über den „Esel als philosophischer Stehenbleiber“ sowie ein „Lob des Eigensinns“ sind da nachzulesen. Auch optisch entzückt der schmale Band: Das Format ist Kleinoktav, also wie ein Schulheft, der flexible Einband ist in Grautönen gehalten. Farbtupfer: das rosa Kapitelband.

Auch darin liegt der Zauber der Buchreihe: Jede dieser gedruckten Hymnen an die Natur ist inhaltlich wie optisch eine Überraschung. Gemeinsam haben sie den Gedanken, die Sehnsucht nach der Natur zu stillen, wie Verleger Andreas Rötzer dem KURIER erzählt hat. Was hat er sich dabei gedacht, Prachtbände über Äpfel und Birnen in teuren Leineneinbänden herausgeben ... in einer Zeit, wo das Ende der gedruckten Bücher beschworen wird?

KURIER: Herr Rötzer, Wer kauft ein Buch über Äpfel und Birnen um fast hundert Euro?

Andreas Rötzer: 98 Euro. Sie sprechen von Korbinian Aigner. Nun, das sind Leute, die ein Buch wollen, das nicht ersetzbar ist. Das Buch ist das einzige über ihn und es ist, gemessen an dem, was es bietet, immer noch ein Schnäppchen. Natürlich kaufen es auch Leute, die ein schönes Buch wollen, im Sinne des Coffee-Table-Books, allerdings mit einem Inhalt, der mehr ist als nur schön.

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Coffee-Table-Book ... das klingt etwas geschmäcklerisch.

Den Vorwurf sehe ich gar nicht gegen uns gerichtet. Bei uns steht immer der Inhalt im Vordergrund. Wenn wir wissen, welche Aussage wir inhaltlich treffen wollen, überlegen wir, welche Form wir dem geben wollen. Im Falle von Aigner: prächtiger Inhalt, prächtiges Buch.

Das trifft ja auf die ganze Serie zu. Der Aufwand, den sie betreiben, ist beachtlich. Nun jammert die ganze Verlagsbranche, und Sie bringen eine neue Serie heraus, die in ihrer Ausstattung fast wie eine trotzige Ansage gegen alles Krisengerede wirkt.

Das ist nicht als Kampfansage gedacht – auch nicht an das eBook, denn da geht es um ganz andere Inhalte. Sondern entspringt dem Glauben an das Medium Buch. Dass dieses Medium auch richtig gemacht werden kann.

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Was ist ein richtiges Buch?

Es ist nicht beliebig. Nicht ersetzbar im inhaltlichen Sinn, aber auch im optischen. Dazu gehört auch die Eigenschaft der Haltbarkeit. Mit Fadenheftung kann es oft gelesen werden, und nicht-holzhaltiges Papier fühlt sich nicht nur schön an, sondern ist tatsächlich haltbar. Unser Leitprinzip ist der antiquarische Wert:Wir wollen Bücher produzieren, die in 50 Jahren noch Wert haben. Was als kostbar empfunden wird, ist im Grunde nur ein Buch, wie es ein sollte.

Hatten Sie keine Angst vor den Kosten dieser Serie? Diese Bücher müssen ja wahnsinnig teuer in der Herstellung sein.

Da liegen Sie nicht falsch. Das Apfel-Buch kostete so viel wie wir im ersten Jahr Umsatz gemacht haben. Das war wirklich eine Investition. Natürlich hatten wir Angst. Daher sind wir sehr froh über unseren Buchpaten. Ein Projektinvestor, der Geld gibt und das in Abhängigkeit vom Verkauf wieder zurückbekommt.

Individualität, Freiheit, Revolte waren stets die Grundsäulen des Verlags, ist auf Ihrer Homepage nachzulesen. Damit macht man aber keinen Umsatz. Und ihre Autoren wie Bataille, Artaud oder Baudrillard sind auch nicht gerade Bestsellerlisten-tauglich. Wie schaffen Sie’s?

Zähne zusammenbeißen. Und es gibt immer mal einen Titel, der uns weiterhilft.

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