Martin Kusej gibt Burgtheater-Spielplan bekannt

Martin Kusej gibt Burgtheater-Spielplan bekannt
Der designierte Burgtheater-Direktor holt für die Saison 2019/20 Regisseure aus ganz Europa und setzt auf Vielsprachigkeit.

Martin Kusej stellte bei seiner ersten Spielplan-Pressekonferenz sein Programm für das Burgtheater für die Saison 2019/20 vor. Standesgemäß auf der Bühne des Burgtheaters - und dieses soll in Zukunft der Vielsprachigkeit öffnen.

Burgtheater soll vielsprachig werden

„Das Burgtheater wird sich also fortan und endgültig nicht mehr als 'teutsches Nationaltheater' begreifen, das nur in einer Zunge spricht und nur auf einem Ohr hört“, zitierte Kusej zu Beginn der Pressekonferenz aus dem Editorial seines ersten Spielzeitheftes. Ganze Aufführungen in anderen Sprachen kommen allerdings vorerst nicht.

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30 neue Ensemblemitglieder

„Es ist ein großartiges und wirklich großes Ensemble, das ich hier vorfinde. Dieses Ensemble ist vielleicht der wichtigste Grund für mich, hier arbeiten zu wollen“, sagte Kusej, der rund 30 neue Ensemblemitglieder ans Haus bringt. Darunter finden sich heimische Stars wie Birgit Minichmayr, Tobias Moretti und Florian Teichtmeister, der das Theater in der Josefstadt somit verlassen wird, aber auch Reiner Galke vom Volkstheater.

Aus dem Münchner Residenztheater bringt Kusej 14 Schauspieler mit, zudem finden sich einige Schauspieler aus Ländern wie Ungarn, Island, Israel oder Luxemburg im Ensemble - für den neuen Direktor „eine tolle Mischung“: „Wir bringen andere Sprachen, andere Auffassungen und andere Kulturen hinein.“

Regisseure aus 13 Ländern

„Neue Regisseurinnen und Regisseure, die man in Wien noch nicht kennt“, hat Martin Kusej für das Burgtheater unter seiner Direktion versprochen, „neue Regiehandschriften aus ganz Europa“. Tatsächlich kommen die Regisseure der Saison 2019/20 aus 13 Ländern. Und etliche haben in Wien noch nicht gearbeitet.

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Auftakt mit "Die Bakchen" im September

Ulrich Rasche, jener Regisseur mit dem Kusej am 12. September seine Direktion eröffnet, ist mit seinem modernen, wuchtigen Maschinentheater einer der deutschen Regie-Shootings-Stars der vergangenen Jahre und hat sich im Vorjahr bei den Salzburger Festspielen erstmals in Österreich vorgestellt. Seine dortige „Perser“-Interpretation (eine Koproduktion mit Frankfurt) auf rotierenden Doppelscheiben wurde mit einem Nestroy-Preis als beste Aufführung im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet, so wie im Jahr zuvor bereits seine Aufführung von Schillers „Die Räuber“ am Residenztheater. Am Burgtheater inszeniert er zum Auftakt „Die Bakchen“.

Anne Lenk und Kay Voges unter deutschen Neuzugängen

Auch die 1978 geborene deutsche Regisseurin Anne Lenk arbeitete bisher u.a. am Residenztheater. Prominentester Neuzugang aus der insgesamt achtköpfigen Regie-Mannschaft mit deutschem Pass (gemeinsam mit Gesine Danckwart inszeniert auch Burgschauspielerin Caroline Peters) ist Kay Voges. Der 47-jährige Dortmund-Intendant gilt als Innovator und Experimentator, der nach einer Neupositionierung des Theaters im digitalen Zeitalter strebt, soll derzeit auch in der Endauswahl für die künftige Volkstheater-Leitung sein.

2017 war er mit „Die Borderline Prozession - Ein Loop um das, was uns trennt“ zum Berliner Theatertreffen eingeladen, 2018 realisierte er eine „Parallelwelt“, eine mit Glasfaserkabel ermöglichte simultane Inszenierung am Schauspiel Dortmund und am Berliner Ensemble. Am Burgtheater soll er eine „Endzeit-Oper“ unter dem Titel „Dies irae - Tag des Zorns“ realisieren.

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Unterstützung aus Nordeuropa

Aufregende Neuzugänge kommen aus Nordeuropa: Der Isländer Thorleifur Örn Arnarsson hat mit Neuerzählungen der Heldensagen der „Edda“ und von Ibsens „Peer Gynt“ große Aufgaben zu bewältigen. Er wurde 1978 in Reykjavik geboren, studierte Schauspiel in Island und Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin. Seither arbeitete er an zahlreichen Theater- und Opernhäusern.

Peer Gynt“ realisierte er etwa bereits in Luzern, auch die isländische Sagenwelt wie die „Edda“ (in Hannover) war immer wieder Thema seiner Arbeiten. Ab 2019/20 ist er Schauspieldirektor an der Volksbühne Berlin und plant dort eine Neuerzählung von Homers „Odyssee“ als Teil einer Antiken-Trilogie.

Estnisches Duo mit "Der Meister und Margarita"

Internationale Aufmerksamkeit erregte auch das estnische Duo Ene-Liis Semper & Tiit Ojasoo: Die Künstlerin Ene-Liis Semper, geboren 1969, gründete 2004 mit dem Regisseur Tiit Ojasoo das Teater NO99 in Tallinn, das sie bis heute leiten. Ihre Produktionen „Heiße estnische Jungs“ und „Wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ gastierten 2008 und 2010 bei den Wiener Festwochen, die 2015 auch ihre Handke-Inszenierung „Die Stunde da wir nichts voneinander wußten“ zeigten.

„Onkel Toms Hütte“ war am Volkstheater zu sehen. 2017 erhielten sie den „Europe Prize Theatrical Realities“ für kreative und innovative theatrale Unternehmungen. Am Akademietheater werden sie sich dem Bulgakow-Roman „Der Meister und Margarita“ widmen.

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"Traumdeutung" am Akademietheater

Die Engländerin Katie Mitchell kennt man hierzulande - u.a. von ihren 2014 realisierten Inszenierungen „Wunschloses Unglück“ im Kasino und „The Forbidden Zone“ bei den Salzburger Festspielen. Ihr Landsmann Mervyn Millar ist ein international viel beschäftigter Puppendesigner und -regisseur, Kollege Ben Kidd (geboren 1980 in Leeds) gründete gemeinsam mit dem Iren Bush Moukarzel die Theatergruppe Dead Centre, die sich im Akademietheater mit Freuds „Traumdeutung“ auseinandersetzen wird.

Aus Belgien kommen die Regisseurinnen und Schauspielerinnen Lies Pauwels (51) und Anne-Cecile Vandalem (40), die in Wien jeweils eigene Arbeiten realisieren werden. Der Franzose Nicolas Charaux gewann 2014 mit „Abschied“, einem Theatertext Walter Kappachers über Georg Trakl, das letzte „Young Directors Project“ der Salzburger Festspiele und inszenierte bereits unter Karin Bergmann am Burgtheater.

Bekannte Größen der Theaterlandschaft

Der in der Schweiz geborene und in Australien aufgewachsene Regisseur Simon Stone, die Slowenin Mateja Koleznik, die zuletzt am Theater in der Josefstadt und am Stadttheater Klagenfurt arbeitete und kürzlich krankheitsbedingt eine Inszenierung bei den Salzburger Festspielen absagen musste, der Ungar Kornel Mundruczo (er inszeniert in Salzburg heuer „Liliom“) sowie der Kroate Oliver Frljic (er arbeitete in Graz und gastierte bei den Wiener Festwochen) sind bekannte Größen in der Theaterlandschaft.

Der auch im Film erfolgreiche 39-jährige israelische Schauspieler und Regisseur Itay Tiran ist seit dieser Saison Ensemblemitglied am Schauspiel Stuttgart und bringt einen ungewöhnlichen Österreich-Bezug mit: 2003 inszenierte Paulus Manker am Cameri-Theater in Tel Aviv „iWitness“, Joshua Sobols Drama um den Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter, mit Tiran in der Hauptrolle.

Heimische Neuzugänge

Aus Österreich kommt neben Direktor Martin Kusej, der neben seiner Neuinszenierung der „Herrmannschlacht“ vier eigene Arbeiten aus München mitbringt, und Nikolaus Habjan, der zuletzt sowohl am Burgtheater als auch am Residenztheater arbeitete und in der kommenden Saison auch am Theater an der Wien viel beschäftigt sein wird, noch Mira Stadler. Die 1992 in Klagenfurt Geborene absolvierte ihr Regiestudium bei Anna Maria Krassnigg und Martin Kusej am Max Reinhardt-Seminar.

Rückkehr nach Österreich

Kusej tritt mit Herbst 2019 die Nachfolge von Karin Bergmann als Burgtheater-Direktor an. Kusej wurde 1961 in Wolfsberg geboren und studierte an der Grazer Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Von 2004 bis 2006 war er u.a. Schauspieldirektor der Salzburger Festspiele. Nach einer erfoglosen Bewerbung um den Posten des Burgtheater-Direktors 2009 (er sprach damals von einem „kulturpolitischen Eklat“) brach Kusej seine Zelte in Österreich ab, wurde 2011 Intendant des Residenztheaters in München. Kusej übernimmt die Leitung des Burgtheaters von der Deutschen Karin Bergmann. Sie hatte die Finanzen des Hauses konsolidiert.

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