Im Mittelpunkt von Lius Analyse steht die sogenannte „Professional Managerial Class“ (PMC) – ein Begriff, der in den 70er-Jahren geprägt wurde und, ähnlich wie „Angestellte“ oder „White Collar Workers“, auf die urbane Mittelschicht abzielt.
Die Kritik der marxistisch geprägten Autorin an der „Tugendprahlerei“ und den „Moralpaniken“ kommt nicht von rechts, sondern von links: „Erst entlassen die angestellten Manager die Arbeiterschaft, um sie anschließend noch wegen ihres schlechten Literaturgeschmacks, ihrer schlechten Ernährung, ihrer instabilen Familien und miserablen Erziehungsgewohnheiten zu demütigen.“
Deutlich wird auch ihre tiefe Enttäuschung über den global als Hoffnungsträger gefeierten US-Präsidenten Barack Obama: Dieser habe „unter der Führung der PMC-Eliten – für die Interessen der Wall Street anstatt für die Arbeiterklasse“ regiert und „mehr Empathie“ für den CEO von JPMorgan gezeigt, „als für normale afroamerikanische Familien“.
Weinstein – und sonst?
Auch der Spott über den Lifestyle der von ihr ins Visier genommenen Schicht darf nicht fehlen: „PMC-Mütter müssen pränatales Yoga machen, während sie ihre schwangeren Bäuche mit Mozart beschallen.“
Und auch der Bereich der Sexualität wird in die Analyse einbezogen: „In krassem Gegensatz zu den sexuell aufgeklärten PMClern wurden Männer und Frauen aus der Arbeiterklasse in der Populärkultur der 1970er-Jahre als gefangen in Misogynie, Homophobie, Vorurteilen und Gewalt dargestellt […]“ Oder, noch politischer: „Es wäre wunderbar, wenn wir die Aufmerksamkeit und Sorgfalt, die wir den Opfern von Harvey Weinstein widmen, auch auf andere Arbeitnehmer ausdehnen könnten, die an weit weniger glamourösen Arbeitsplätzen ausgebeutet und missbraucht wurden.“
Liu durchbricht mit ihrem Buch das klare Links-Rechts-Schema. Sie zeigt – wie in anderer Weise etwa Sahra Wagenknecht –, dass die Frontlinien in vielen Debatten heute quer zu gängigen Kategorisierungen verlaufen.
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