Blasse Gespenster spielen „Liebe“
Der Applaus am Ende klang eher höflich als begeistert, abgesehen davon waren in den Gängen des Josefstadt-Theater einige spitze Bemerkungen zu hören (hier pflegt man noch die Kunst der Altwiener Boshaftigkeit). Kurz: Alexandra Liedtkes Inszenierung von Arthur Schnitzlers „Liebelei“ – mit der die Theatersaison eröffnet wurde – kam nicht übermäßig gut an.
Das ist unverständlich und ungerecht.
Unverständlich, weil Liedtke den Josefstädtern das bietet, was sie doch angeblich so vermissen: den „Schnitzler-Ton“. Also jenen nasalen, scheingemütlichen Konversationsduktus, bei dem man die dahinter liegenden Abgründe mehr ahnt, als spürt. SO muss Schnitzler gespielt werden, sagt man gerne in der Josefstadt – und verlangt umgehend nach dem Riechsalz, wenn z. B. auf der Bühne ein hart inszeniertes, zeitgemäßes „Weites Land“ gegeben wird.
Ungerecht, weil diese fast schon auf spektakuläre Weise unspektakuläre Aufführung nichts falsch macht. Vielleicht ist das der einzige Vorwurf, den man ihr machen kann: Sie riskiert nicht, etwas falsch zu machen.
Liedtke inszeniert in ihrer durch Gehröcke, Zylinder und rauschende Kleider (Kostüme: Su Bühler) vage im „Damals“ verorteten Arbeit, wie man es von ihr gewohnt ist: Genau und unaufgeregt. Die Beziehungen und Konflikte werden in aller Ruhe untersucht. Dabei gelingen packende Momente. Der stärkste: Wenn Fritz (Florian Teichtmeister) und der von ihm gehörnte „Herr“ (Alexander Strobele) wie zwei Gespenster aufeinandertreffen, um ein Duell zu vereinbaren, das beide nicht wollen.
Großartig gelingt auch die Schluss-Szene: Christine (Alma Hasun) hat erfahren, dass ihr Geliebter im Duell wegen einer anderen gestorben ist und läuft davon, vermutlich, um sich das Leben zu nehmen. Ihr alter Vater (Otto Schenk) bleibt zurück, mehr als das Warten auf den Tod hat ihm das Leben nicht mehr zu bieten. Schenk spielt das großartig, mit kleinen Gesten und zarten Zwischentönen lässt er vergessen, dass er sich davor zu sehr auf die typischen Schenk-Sprechmelodien verlassen und damit auch einige eher unpassende Lacher erzeugt hat.
Bilder des Stückes
Todesengel
Teichtmeister ist ein grabesblasser Fritz, ein Geist – er ist schon tot, er weiß es nur noch nicht. Ein Todesengel, dem die liebeshungrige Christine (zuerst fast zu süß, am Ende fast zu aufgelöst: Alma Hasun) verfällt. Diese Christine ist in ihrer Liebes-Hysterie so überzeugend nervtötend, dass man fast verstehen kann, warum Fritz lieber ins Duell als in ihre Arme läuft.
Matthias Franz Stein ist ein herrlich öliger, pragmatischer Theodor, Eva Mayer eine großartig desillusionierte, erotisch unterforderte Mizi. Sehr stark ist auch Therese Lohner als vom Leben hart geklopfte Frau Binder, die anderen das Glück nicht gönnt, das sie selbst nie hatte.
Fazit: Auf der sich sehr geschickt durch die Schauplätze drehenden Bühne (Raimund Orfeo Vogt) läuft eine hoch anständige Schnitzler-Studie ab, der es zum ganz großen Wurf nur an Geheimnis, an Gefährlichkeit, fehlt.
KURIER-Wertung:
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