Leipziger Buchpreis an Guntram Vesper

Die Preisträger Jürgen Goldstein, Brigitte Döbert und Guntram Vesper
Zum Start der Leipziger Buchmesse erhielt der deutsche Schriftsteller den renommierten Belletristik-Preis.

Die Leipziger Buchmesse ist am Donnerstag unter großem Publikumsinteresse angelaufen. Bei dem wichtigsten Frühjahrstreffen der Branche stellen mehr als 2200 Aussteller aus 42 Ländern bis zum Sonntag ihr neues Programm vor.

Leipziger Buchpreis an Guntram Vesper
ABD0201_20160317 - Der Schriftsteller Guntram Vesper wird am 17.03.2016 auf der Buchmesse in Leipzig (Sachsen) für seinen Roman "Frohburg" in der Kategorie Belletristik mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2016 ausgezeichnet. Der Preis in den Kategorien Übersetzung, Sachbuch/Essayistik und Belletristik ist insgesamt mit 60.000 Euro dotiert. Foto: Jan Woitas/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Höhepunkt des Eröffnungstages war die Verleihung des mit insgesamt 60.000 Euro dotierten Leipziger Buchpreises. Der Autor Guntram Vesper (74) hat den renommierten Preis im Bereich Belletristik gewonnen. Die Jury zeichnete am Donnerstag in der Kategorie Belletristik seinen neuen Roman "Frohburg" aus. Weitere Preisträger sind die Übersetzerin Brigitte Döbert und der Sachbuchautor Jürgen Goldstein. Die Sieger nahmen die mit insgesamt 45.000 Euro dotierte Auszeichnung zu gleichen Teilen entgegen.

Geschichtspanorama

In dem über 1.000 Seiten starken Roman beschäftigt sich Guntram Vesper mit dem Ort seiner Geburt: Frohburg, einer Kleinstadt südlich von Leipzig, wo er Kindheit und Jugend verbrachte, ehe die Familie 1957 in die Bundesrepublik floh. Die Jury bemerkte: "In 'Frohburg' erzählt Vesper von deutschem Leben im zwanzigsten Jahrhundert, von Kultur, Politik, Krieg und Nachkrieg, und entwirft damit ein Geschichts- und Geschichtenpanorama, das sich zumeist aus eigenem Erleben und Beobachten speist und das ein Land und eine Zeit gültig festhält." Vesper lebt als freier Autor in Göttingen. Er verfasste Gedichte, Erzählungen und Hörspiele und wurde schon vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis.

Strunk und Schimmelpfennig gingen leer aus

Der 74-Jährige setzte sich gegen die ebenfalls nominierten Autoren Marion Poschmann ("Geliehene Landschaften - Lehrgedichte und Elegien"), Roland Schimmelpfennig ("An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts"), Nis-Momme Stockmann ("Der Fuchs") und Heinz Strunk ("Der goldene Handschuh") durch. Im vergangenen Jahr hatte als erster Lyriker Jan Wagner mit "Regentonnenvariationen" gewonnen.

Preise für Sachbuch und Übersetzung

Der Preis in der Sparte Sachbuch/Essayistik geht an Jürgen Goldstein für sein Buch "Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt". Die Studie über den Entdeckungsreisenden und Intellektuellen Forster (1754-1794) gehe über die Gattung der Biografie hinaus, "indem sie sachkundig und thesenstark das anthropologische Lebenswerk eines Mannes deutet, dessen politisches Denken durch seine bahnbrechenden Reisen unmittelbar geprägt wurde", urteilte die Jury. Goldstein, Jahrgang 1962, lehrt als Professor für Philosophie an der Universität Koblenz-Landau.

Den Übersetzer-Preis erhielt Brigitte Döbert für die Übertragung des Buchs "Die Tutoren" von Bora Cosic aus dem Serbischen. "Wenn Ideologien zerbröseln, gerät die Sprache außer Rand und Band. Mit überbordendem Wortwitz bildet Brigitte Döbert ein Kompendium balkanischer Verrücktheiten nach", hieß es von der Jury. Döbert (Jahrgang 1959) übersetzt aus dem Bosnischen, Englischen, Kroatischen und Serbischen und lebt in Berlin.

Kein Österreicher auf Shortlist

Die zum zwölften Mal verliehenen Preise sind mit jeweils 15.000 Euro dotiert und zählen zu den wichtigsten Literaturauszeichnungen in Deutschland. Aus Österreich stand heuer kein Autor auf der Belletristik- oder Sachbuch-Shortlist. Einzig bei den Nominierungen für den Übersetzer-Preis fand sich mit der ehemaligen Burgtheater-Dramaturgin Claudia Hamm eine Kandidatin mit Österreich-Bezug.

Ebenfalls am Donnerstag vergeben wurde der mit 5.000 Euro dotierte Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik. Preisträger ist der Lyriker und Rezensent Nico Bleutge. Laudator Lothar Müller von der Süddeutschen Zeitung würdigte Bleutges "Kunst der Charakteristik" und dessen Fähigkeit, über Nobelpreisträger und Debütanten gleichermaßen zu urteilen. Der Lyrik werde noch immer zu wenig Platz in den Medien eingeräumt, sagte der Preisträger in seiner Dankesrede. Nur eine lyrische Glosse zur Buchmesse und ein paar Reime zu Ostern würden den Möglichkeiten des Gedichts nicht gerecht.

INFO: Leipziger Buchmesse. 17. bis 20. März
www.leipziger-buchmesse.de

"Wir dürfen unser / Leben / nicht beschreiben, wie wir es / gelebt haben / sondern müssen es / so leben / wie wir es erzählen werden: / Mitleid / Trauer und Empörung", dichtet Vesper selbst über sein Leben, das 1941 in der sächsischen Kleinstadt Frohburg begann - Namensgeber seines nun mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichneten 1.000-Seiten-Romans "Frohburg".

Als Sohn eines Landarztes kam Vesper im Teenager-Alter über Berlin in die Bundesrepublik. Im hessischen Friedberg besuchte er ein Internat, anschließend studierte er in Göttingen. Als sich 1967 die legendäre Gruppe 47 zu ihrem letzten Treffen in der Pulvermühle in Oberfranken traf - Grass, Walser und Härtling waren dabei -, las Vesper seine Gedichte vor.

Heute lebt Vesper als Schriftsteller und Privatgelehrter in Göttingen und in Reiskirchen am Vogelsberg. Neuling ist er nicht mehr, dafür inzwischen vielfach ausgezeichnet. Er gehört der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz an und ist Gründungsmitglied der Freien Akademie der Künste in Leipzig. Außerdem ist Vesper Gastprofessor und Poetikdozent.

INFO: Guntram Vesper: "Frohburg". Schöffling & Co., 1.008 Seiten, 35 Euro

"Wenn die demokratischen Parteien das nicht schaffen, versagen sie", sagte der 77-Jährige. Der syrische Philosoph Sadik al-Azm, einer der wichtigsten progressiven Denker der arabischen Welt, mahnte mehr Verständnis für die Hintergründe des Bürgerkriegs in seinem Heimatland an. Hauptakteur sei der Staat, der sich unter dem diktatorischen Regime von Präsident Assad gegen die eigene Zivilgesellschaft wende. Sadik al-Azm ("Islam und säkularer Humanismus") kann selbst nicht mehr in Syrien leben, 2012 erhielt er politisches Asyl in Deutschland.

Er eröffnete den diesjährigen Themenschwerpunkt der Messe. Unter dem Motto "Europa 21 - Denk-Raum für die Gesellschaft von morgen" gehen Autoren, Wissenschafter und Experten der Frage nach, wie angesichts der zunehmenden Zuwanderung das gesellschaftliche Zusammenleben künftig aussehen kann.

El Gawhary: Jeder Vierte im Libanon ein Flüchtling

Karim El-Gawhary, Leiter des ORF-Studios in Kairo, verwies mit Blick auf die Flüchtlingsdebatten in Europa auf die Hilfsbereitschaft in den arabischen Nachbarstaaten. Allein im Libanon sei inzwischen jeder vierte Einwohner ein syrischer Flüchtling. "Wenn ich das mal auf Ihr schönes Deutschland umrechnen darf, wären das 20 Millionen Flüchtlinge", so der Journalist.

Der Westen trägt seinen Worten zufolge große Mitverantwortung für die dramatische Lage in den arabischen Kriegs- und Krisenregionen. Er habe aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen jahrzehntelang diktatorische Regime in der Region unterstützt. "Wir sind nicht unschuldig, wir sind immer auch Teil des Problems", sagte der Nahostkorrespondent. Sein neues Buch "Auf der Flucht" schildert hart und berührend aktuelle Flüchtlingsschicksale.

Der Islamwissenschafter Michael Lüders warnte in der Gesprächsrunde, dass die aggressiven fremdenfeindlichen Aktionen in Deutschland eine Gegenwehr der Flüchtlinge auslösen könnten - bis hin zu einem "Zerfall der bürgerlichen Ordnung". "Und die Politik ist völlig überfordert."

Das Thema Flucht bewegt auch den Kinderbuchmarkt: Mehrere der 30 im "Leipziger Lesekompass" ausgezeichneten Titel befassen sich mit diesem hochaktuellen Thema. "Wir wollen Lust auf Lesen machen - und zeigen, welche neuen Bücher es gibt, auch zu den Themen Integration, Inklusion, Migration und Miteinander leben", sagte der Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, Jörg F. Maas.

Schon zum Start der viertägigen Büchermarathons waren am Donnerstag Tausende Literaturfreunde auf das Messegelände geströmt. Der Frühjahrstreff der Buchbranche gilt als wichtige Plattform für Autoren, Verlage, Buchhändler und Literaturagenten. Mehr als 2.200 Aussteller aus 42 Ländern stellen ihr neues Programm vor. Anders als die Frankfurter Buchmesse ist der Branchentreff in Leipzig an allen Tagen auch für das allgemeine Publikum zugänglich. Zusammen mit dem begleitenden Lesefestival "Leipzig liest" rechnen die Veranstalter bis zum Sonntag mit rund 250.000 Besuchern.

Vor Beginn der Buchmesse waren die Organisatoren in einem Offenen Brief aufgefordert worden, die rechtspopulistische Zeitschrift - Chefredakteur ist Jürgen Elsässer - auszuladen. "In Deutschland gibt es Meinungsfreiheit. Wer nicht gegen das Grundgesetz verstößt, darf an der Messe teilnehmen", sagte eine Buchmesse-Sprecherin am Donnerstag.

In der Nacht auf Donnerstag habe der Sicherheitsdienst mehrere große Löcher in Scheiben eines Messegebäudes bemerkt, sagte eine Polizeisprecherin. Der Schaden werde auf 10.000 Euro geschätzt. Es werde wegen Sachbeschädigung ermittelt. Der Stand der Zeitschrift wurde von mehreren Sicherheitskräften bewacht.

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