Filmregisseur will nicht fliegen: Roadmovie Richtung Klimaschutz

Kornelia Melsæter als Trompeterin und Klimaaktivistin Trine, die zum Vorspielen per Daumen von den Lofoten nach Oslo reist: „Å Øve – Üben, Üben, Üben“
Der deutsche Regisseur Laurens Pérol über sein Debüt „Å Øve – Üben, Üben, Üben“, in dem sich eine junge Musikerin weigert zu fliegen und als Autostopperin 1.500 km durch Norwegen fährt

Diesmal reiste Laurens Pérol mit dem Zug nach Wien. Meist aber ist er per Anhalter unterwegs. Was er sicher nicht benutzt, ist das Flugzeug. Einladungen, die mit einem Flug verbunden sind, nimmt der deutsche Jungregisseur nicht an, um die Umwelt zu schützen. Auch wenn es sich um so attraktive Angebote handelt wie beispielsweise aus Südkorea: Für zehn Tage all inclusive wäre Pérol und sein Team eingeladen gewesen, um sein Langfilmdebüt „Å Øve – Üben, Üben, Üben“ (ab Freitag im Kino) vorzustellen.

Die Entscheidung, rund um die Filmarbeiten nicht zu fliegen, sei „mit vielen Opfern verbunden gewesen, weil es die Arbeit um einiges erschwerte“, erzählt Laurens Pérol im KURIER-Gespräch: Er und seine Crew hätten in den letzten fünf Jahren rund 33.000 Kilometer auf den Boden hinter sich gebracht – auf dem Weg zu den Drehorten, zum Schnittplatz, zu den Filmfestivals.

Die Hauptfigur von „Å Øve – Üben, Üben, Üben“ hat „nur“ 1.500 km vor sich: So lange misst sich die Strecke zwischen ihrem Wohnort auf den Lofoten, einer Inselgruppe in Norwegen, und der Hauptstadt Oslo. Dorthin ist Trine zum Vorspiel im Opernhaus eingeladen; denn Trine – exzellent: Kornelia Melsæter – ist nicht nur engagierte Klimaaktivistin, sondern auch Trompeterin.

Der schnellste Weg nach Oslo wäre natürlich das Flugzeug, aber das widerspricht ihren Prinzipien. Stattdessen macht sie sich mit ihrer Trompete als Autostopperin auf den Weg. Pérol selbst hat – „ganz Method-Director“ – die Strecke ebenfalls als Autostopper zurückgelegt, ehe er seine Protagonistin auf die gleiche Reise schickte. In „Å Øve – Üben, Üben, Üben“ verarbeitet er diese Erfahrung zu einem poetischen Roadmovie, das von einem Akt der konsequenten Selbstbehauptung erzählt. Trine findet unterwegs offene Ohren für ihr Anliegen, aber so manch einer zeigt ihr auch den Vogel. Sie aber bleibt bei ihrem Nein zum Fliegen, unterstützt von dem Klang ihrer Trompete.

Filmregisseur will nicht fliegen: Roadmovie Richtung Klimaschutz

Autostoppen statt Fliegen: Der deutsche Regisseur Laurens Pérol   

Es gehe ihm nicht darum, den Leuten das Fliegen zu verbieten, so der 1995 in Stuttgart geborene Pérol: „Die Auseinandersetzung damit ist wichtig und die aufrichtige Frage: Gibt es auch ein anderes Szenario?“ Und damit verbunden: Wie löst man das Dilemma, seine Karrieremöglichkeiten mit den eigenen Prinzipien zu vereinbaren?

Mit der rebellischen Trine habe er bewusst eine Figur geschrieben, die einerseits so „ist, wie ich gerne wäre“. Andererseits sollte sie „ganz anders sein als ich und über meine Grenzen hinausgehen“. Er selbst sei beispielsweise sehr konfliktscheu und fände es schwer, Menschen zu konfrontieren. Trine hingegen hält mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: „Es war für mich in gewisserweise eine eigentherapeutische Maßnahme, eine Figur zu schreiben, die ganz anders ist als ich, und sich zu fragen: Was würde Trine machen?“

Filmregisseur will nicht fliegen: Roadmovie Richtung Klimaschutz

Kornelia Melsæter als engagierte Klimaaktivistin

Astor Piazzolla

Zudem wollte Pérol, selbst leidenschaftlicher Trompetenspieler, eine „Trompeterin zeigen, weil man das in Filmen nicht sieht. Ich kenne unglaublich tolle Trompeterinnen.“ Ein Vorbild sei Tine Thing Helseth gewesen, „eine der weltbesten Trompeterinnen“, deren Engagement in Norwegen eine große Begeisterung für weibliches Trompetenspiel ausgelöst hatte: „Ich wollte das Image der Trompete ein bisschen ändern, die ja als sehr maskulines, dominantes, lautes Instrument wahrgenommen wird. Ich kenne aber auch eine weiche Seite der Trompete, die durch eine Protagonistin eine andere Perspektive bekommen kann.“ Astor Piazzollas melancholisches Musikstück „Oblivion“, das Trine für ihr Vorspiel einübt – manchmal am Straßenrand, manchmal in einem Kuhstall –, „erzählt mehr von Gefühl als von technischer Brillanz“.

Filmregisseur will nicht fliegen: Roadmovie Richtung Klimaschutz

Übern am Straßenrand: Kornelia Melsæter als Trompeterin Trine

Laurens Pérol, der an einer Filmschule in Norwegen studierte, ist mittlerweile Student an der Wiener Filmakademie und denkt über sein nächstes Projekt nach, Arbeitstitel „Electrified“. Wiederum ist Nachhaltigkeit beim Erzählen ein großes Thema, sagt Laurens Pérol: „Muss eine Szene wirklich am Strand von Madagaskar spielen? Oder kann es auch die Donauinsel sein?“

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