Lars von Trier: „Fragen Sie meinen Psychiater“

Matt Dillon brilliert als Serienmörder: „The House That Jack Built“: Ab Freitag im Kino
Der dänische Ausnahme-Regisseur Lars von Trier provoziert mit lakonisch-sinistrem Serienmörder-Epos

Lars von Trier ist immer eine Aufregung wert. Als der dänische Regisseur heuer bei den Filmfestspielen in Cannes bei der Premiere seines Films „The House That Jack Built“ erschien, wurde er mit Standing Ovations begrüßt. Als wollte ihm das Publikum sagen: „Wir haben dir verziehen.“

Vor sieben Jahren war der Provokationsregisseur in Cannes mit Hausverbot belegt worden, weil er sich bei einer Pressekonferenz zu „Melancholia“ zu missglückten Nazi-Scherzen verstieg, die keiner lustig fand. Der ehemalige Cannes-Gewinner hatte sich komplett ins Out manövriert. Mit „The House That Jack Built“ kehrte er wieder zurück – allerdings nicht in den Wettbewerb.

Doch es wäre nicht Lars von Trier, wenn nicht auch sein neuester Film gehörig für Aufruhr gesorgt hätte. An die hundert Zuschauer marschierten bei der Premiere wutschnaubend aus dem Kino; dabei man hätte sich schon denken können, dass ein Serienkiller-Film von Lars von Trier kein Kindergeburtstag werden wird.

Apropos Kinder: Matt Dillon brilliert in seiner für ihn überraschenden Rolle als zwanghafter Psychopath, der auf der Suche nach dem perfekten Kunstwerk Anfang der 70er Jahre bizarre Morde verübt – vor allem an Frauen, aber auch an Kindern. Darüber hinaus ist Jack ein Psychopath mit Ordnungszwang, der an die Schauplätze seiner Bluttaten zurückkehrt und wie ein Wilder den Tatort putzt. Diese Manie erzeugt komische und theatrale Effekt und unterläuft die Brutalität der Handlung, die in verschachtelten Rückblenden als sehenswerte Höllenfahrt erzählt wird.

Im Gespräch erweist sich Lars von Trier als angeschlagener Mann. Er redet unverblümt über seine Depressionen und den Kampf dagegen, mit verlangsamter, leiser Stimme und sparsamen Sätzen. Die Lust an der Provokation und der unterschwellige Humor sind stark abgedämpft, aber immer noch spürbar und machen klar, dass nicht alle seiner Antworten ganz ernst gemeint sind.

KURIER: Herr von Trier, hegen Sie schon länger eine Faszination für Serienmörder?

Lars von Trier: Eigentlich waren es immer die Frauen, mit denen ich zusammen war, die sich besonders stark für Serienmörder interessiert haben. Vielleicht ist irgendetwas sexy daran – aber genau verstehe ich es auch nicht. Ich habe mich für den Serienmörder entschieden, weil man mit ihm nichts falsch machen kann. Was immer er macht, ist entweder unglaublich gefährlich oder wahnsinnig dämlich, vor allem dann, wenn er auch noch ein Psychopath ist. Der hat die Tendenz, sich selbst zu überschätzen und will in Wirklichkeit von der Polizei geschnappt werden.

Ihr Killer trägt bei seinen Morden nicht einmal Handschuhe.

Naja, das war vor der Zeit der DNA-Analyse, aber ich geben zu, dass ich sowohl die Polizei als auch die Frauen dümmer hingestellt habe, als sie in Wirklichkeit sind.

Einmal beklagt sich der Mörder, dass man immer den Männern die Schuld für alles gebe und dass das ungerecht sei. Wollten Sie damit die jüngsten Gender-Debatten kommentieren?

Ich trage eine gewisse Schuld mit mir herum. Meine Mutter war eine strenge Feministin, und ich glaube, sie hat mir ein Schuldgefühl dafür vermittelt, dass ich ein Mann bin.

Sind deswegen die Frauen in diesem Film alle so besonders dumm und nervtötend?

(Schweigt, dann): Das müssen Sie meinen Psychiater fragen.

Lars von Trier: „Fragen Sie meinen Psychiater“

Lars von Trier war heuer in Cannes wieder willkommen.

Sie haben schon öfters gesagt, dass es für Sie nur zwei Möglichkeiten gibt: Sich umbringen oder Filmemachen.

Ja, Filmemachen ist für mich die einzige Form der Entspannung. Ich erhole mich gerade von einer Depression, insofern hat mir die Arbeit gutgetan. Es war wunderbar, mit Matt Dillon zu arbeiten, und auch alle anderen spielen wirklich gut. Aber trotzdem war der Dreh sehr schwierig. Ich war sehr angespannt und musste mich manchmal mit einem kleinen Drink beruhigen.

Ihr Film handelt nicht nur von einem Serienmörder, sondern auch von Kunst und dem Filmemachen selbst. Wo liegt für Sie der Zusammenhang?

Mein Film könnte auch von einem Künstler handeln, wenngleich von keinem sehr guten. Kunst ist ja schwer zu definieren. Vielleicht könnte man ja auch behaupten, dass der Mord an 64 Menschen eine gewisse Form der Kunst ist. Aber ich würde es trotzdem nicht tun (lacht).

Ihr Mörder leidet an Ordnungszwang, was vielen Szenen eine gewisse Komik verleiht.

Ja, das ist ziemlich komisch, aber so ein Ordnungszwang kann auch sehr schmerzhaft. Man muss immer wieder an den gleichen Ort zurückkehren und nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Ich habe als Kind stark an Zwängen gelitten.

Sie verwenden in Ihrem neuen Film auch Clips aus Ihren früheren Arbeiten. Wollten Sie eine Art Bilanz ziehen?

Das war nur ein kleiner Scherz, weil ich Filmclips gebraucht habe, aber keine Rechte zahlen konnte. Deswegen habe ich dann meine eigenen Filme verwendet.

Sie bauen recht grausame Szenen in Ihrem Film ein. Bewusste Provokationen fürs Publikum?

Ich habe ja verstanden, dass mein Film „Nymphomaniac“ aufgeregt hat, aber was Gewalt angeht, sieht man oft viel schlimmere Sachen. Ich empfinde diesen Film nicht als besonders provokant.

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