Lang Lang: „Vielleicht war Mozart ein Alien“

Lang Lang: „Vielleicht war Mozart ein Alien“
Der chinesische Starpianist über Berge, Beluga-Wale, Pablo Picasso, Salvador Dalí, Johann Sebastian Bach, die Folgen der Pandemie und die Einsamkeit in Hotelzimmern

Er ist der absolute Popstar unter den klassischen Pianisten, füllt weltweit die Konzertsäle, fördert mit seiner eigenen Stiftung den musikalischen Nachwuchs und reißt seine Verehrer seit Jahrzehnten zu Begeisterungsstürmen hin. Auch wieder in Wien, wo Lang Lang zwei Mal im Konzerthaus gastierte und Meisterklassen gab. Der KURIER traf den inzwischen 39-jährigen Künstler zum Gespräch.

Gipfelstürmer

Lang Lang über die „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach, die er erstmals in Wien live spielte und auf Tonträger aufnahm: „Das ist wie der Mount Everest, den man besteigt. Man geht vier Schritte vor, dann wieder drei zurück. Und das wiederholt sich, bis man vielleicht am Gipfel ist. Aber ich fühle mich jetzt reif genug, diese Bergtour zu unternehmen. Bach verzeiht nichts, aber durch ihn hat sich auch mein Spiel vor allem in den vergangenen fünf Jahren extrem verändert. Es ist zurückgenommener, klarer, viel näher bei meinem Idol Glenn Gould. Bei Bach kann das Klavier wie eine Harfe oder ein Horn klingen, man kann da Millionen Klänge kreieren. So wie der Beluga-Wal, der mich sehr fasziniert. Der kann auch wie ein Tiger klingen, wenn er will. Das ist unglaublich aufregend. Wir Pianisten sollten uns nicht nur auf die Technik konzentrieren. Die braucht man. Aber im Idealfall sind wir Maler wie Pablo Picasso oder Salvador Dalí, wie Rembrandt oder Claude Monet. Das sind alles Künstler, die ich sehr liebe. Vor allem Picasso, mit dem ich mich immer mehr beschäftige. Er war ein Genie.“

Doch auch mit Komponisten hat sich Lang Lang während der Pandemie beschäftigt. „Ich möchte nach der Bach-Erfahrung jetzt wieder ein bisschen mehr ins französische und russische Fach zurückgehen. Chopin, Rachmaninow, Tschaikowsky und Camille Saint-Saëns werden – auch auf CD – kommen.“

Atmen

Lang Lang weiter: „Wobei das Wichtigste sind Livekonzerte. Ja, Streaming ist in Ordnung, ich habe das auch gemacht während der Lockdowns. Aber Musik ist ein gemeinsames Atmen, das durch nichts ersetzt werden kann. Ich will mit dem Publikum atmen. Auch und vor allem bei Mozart. Ich liebe Bach – ein großer Komponist. Ich verehre Beethoven – ein Mann mit Visionen. Aber ich vergöttere Mozart – ein Genie, von dem man nicht glaubt, dass es so jemanden gegeben hat.“ Lachend: „Aber vielleicht war Mozart auch ein Alien, und wir alle wissen das nur aufgrund seiner Musik.“

Musik spielt die zentrale Rolle im Leben des einstigen Wunderkindes. Doch nun ist auch Lang Langs Familie „das Herz meines Lebens“. „Ich habe eine wunderbare Frau und einen kleinen Sohn. Ich vermisse beide unendlich. Es ist ja aufgrund von Covid 19 so, dass man für jedes Konzert in Quarantäne muss. Ja, man hat in jeder Stadt viele Freunde. Ich hier in Wien besonders, und dafür bin ich sehr dankbar. Aber wenn man am Abend ins Hotel kommt, spürt man diese Einsamkeit, man ist von seinen Liebsten getrennt. Als Pianist kann ich wenigstens üben. Doch was machen Dirigenten?“

Wien will Lang Lang jedoch nicht missen. „Alles in dieser wunderschönen Stadt ist pure Musik. Man fühlt die Tradition. Wien klingt anders als etwa Paris. Paris klingt herrlich leicht und nach Bistros. Wien klingt nach seiner großen Geschichte und nach den Wiener Philharmonikern, mit denen ich sehr viele Pläne habe. Und ich möchte immer hierher zurückkommen.“

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