Der Inhalt in Kurzfassung: Straßensängerin (La Gioconda) liebt Mann (Enzo), liebt aber ihre blinde Mutter zumindest genauso; Mutter wird von Bösewicht (Barnaba) als Hexe denunziert, aber von jener Frau, die wiederum von Enzo geliebt wird (Laura), gerettet; Gioconda wird daraufhin dankbar und aufopferungsvoll zur Retterin der Liebe zwischen Enzo und Laura; dazu gibt es noch einen bösen Ehemann von Laura, Mord, Gift, Pseudogift wie bei "Romeo und Julia" - und all das spielt in Venedig und basiert irgendwie auf Victor Hugo. Merken muss man sich den Inhalt nicht, weg damit.
Es hat halt zumeist gute Gründe, warum ein Werk kaum gespielt wird. Oper wie ein Klischee, wie ein Potpourrie zusammengestohlener Ideen.
Das nächste Problem dieser Produktion der Osterfestspiele ist wohl der Koproduktionspartner: das Royal Opera House Covent Garden. Denn der dortige Direktor Oliver Mears führt Regie. Er versucht der Geschichte Aktualität zu geben, es geht bei ihm vor allem um Übergriffe, um Mütter, die ihre Kinder verkaufen, man kann ja alles irgendwie hineininterpretieren.
Die noch größere Baustelle ist aber die extrem schwache Personenführung. Bei Netrebko macht das noch weniger aus, sie ist als Multitalent ja auch darstellerisch so begabt. Bei allen anderen wirkt sich das schon Richtung Langeweile und Nicht-Plausibilität aus.
Ebenfalls übel sind die Kostüme. Jonas Kaufmann, den Enzo, erkennt man anfangs unter seiner Matrosenmütze nicht einmal. Und Anna Netrebko hat man selten in so banalen, klischeehaften, billig wirkenden Kostümen gesehen. Optisch also zum Abwinken das Ganze.
Aber Netrebko besticht mit einer grandiosen Gesangsleistung, die beweist, dass sie nach wie vor auf der Höhe ihrer Kunst agiert. Sie begeistert in dieser großen Primadonnenrolle, die mehr gesangliche Präzision, Dramatik und Ausdruck verlangt als stilistische Feinheiten, mit Präsenz in allen Lagen, traumhaft schönem Timbre, guter Höhe und berührender Phrasierung.
Auch Jonas Kaufmann ist topbesetzt, kämpft mehr mit der Rolle als Netrebko und hat das Pech, dass er immer vor allem an Jonas Kaufmann gemessen wird. In den zarten, lyrischen Passagen ist er hinreißend und insgesamt nach wie vor über den meisten anderen Tenören im italienischen Fach (im deutschen sowieso).
Eve-Maud Hubeaux singt die Laura phänomenal und leidet darstellerisch an der schwachen Regie. Luca Salsi (Barnaba) ist ein erstklassiger Bösewicht, kraftvoll und markant. Agnieszka Rehlis schenkt Netrebkos blinder Mutter ihren fabelhaften Mezzo, Tareq Nazmi müht sich durch die Partie des Alvise.
Sir Antonio Pappano am Pult des Orchestra dell'Accademia Nationale di Santa Cecilia ist ein erstklassiger Gestalter, guter Erzähler, die Partitur glitzert farbenprächtig unter seiner Führung, besser machen kann sie aber nicht einmal er.
Das Publikum feierte die Sänger, vor allem Netrebko, euphorisch und strafte die Inszenierung ab.
Insgesamt jedenfalls sehr viel Luxus für ein mediokres Werk am Vorabend der Salzburger Stichwahl.
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