Kusej: München ist ein weites Land

Kusej: München ist ein weites Land
Der streitbare Österreicher Martin Kusej eröffnet mit Schnitzler seine erste Spielzeit am Bayerischen Staatsschauspiel.

Wenn Martin Kušej die Aufregung bewusst inszeniert hat, dann war das eine seiner besten Regieleistungen: Der Amtsantritt des neuen Intendanten im Bayerischen Staatsschauspiel ist in Deutschland derzeit beinahe so ein großes Thema wie die Bestellung des Fußballteamchefs in Österreich. Und auch die heimischen Theaterfreunde schauen mit Spannung nach München, wo Kušej am Donnerstag seine erste Spielzeit mit Schnitzlers "Das weite Land" eröffnet. Galt doch der gebürtige Kärntner, der zwei Jahre lang als Schauspielchef bei den Salzburger Festspielen tätig war, als heißer Kandidat für das Burgtheater, wurde aber wenig elegant zugunsten Matthias Hartmanns übergangen.

Obwohl die Theaterbegeisterung in Deutschland weniger ausgeprägt ist als in Österreich, gelang es Kušej schon vor seinem Amtsantritt, aufzufallen. So entließ er nahezu alle Schauspieler aus der Ära seines Vorgängers Dieter Dorn.

Match

Kusej: München ist ein weites Land

Dann trug er seinem Kollegen Hartmann ein mediales Match an, indem er laut darüber nachdachte, Wiener Stars wie Birgit Minichmayr und Nicholas Ofczarek abzuwerben (was schon deshalb nicht möglich ist, weil sich große Namen nicht mehr exklusiv an ein Haus binden lassen). Auch die Wahl des Stückes ist eine Kampfansage: "Das weite Land" hatte vor einer Woche auch an der Burg - wenig erfolgreich - Premiere.

Inzwischen geben sich sowohl Kušej als auch Hartmann friedfertiger. Theaterbesucher "reisen nicht von Wien nach München, um zu vergleichen, oder umgekehrt", sagte Hartmann im KURIER. Und Kušej erklärte zwar, er sehe die Konkurrenzsituation "sportlich", ergänzte aber: "Wir machen in München sicher nicht Theater für oder gegen Wien."

Die Eröffnungspremiere ist auch aus österreichischer Sicht spektakulär: Tobias Moretti - sein "Ottokar" an der Burg in Kušejs Regie ist noch in bester Erinnerung - spielt die Traumrolle des Hofreiter. Der oft als "Regie-Wüterich"
bezeichnete Kušej kündigte an, er wolle nicht "wahnsinnig originell" sein, sondern "ganz altmodisch ein psychologisches Stück mit einer Geschichte erzählen. Man muss nicht immer alles dekonstruieren." Ungewöhnlich ist auch die zweite Premiere: Bei "Eyjafjallajökull-Tam-Tam" - es spielt auf einem wegen der Vulkanasche gesperrten Flughafen - kommt das gesamte Ensemble zum Einsatz. Im Spielplan gibt es auffallend viel Zeitgenössisches. Kušej betont, er möchte Stücke auf die Bühne bringen, und nicht dramatisierte Romane oder Filme (auch das kann man als Spitze gegen Hartmann entschlüsseln).

In einem Interview mit der deutschen Presseagentur ließ Kušej der heimischen Kulturpolitik schöne Grüße ausrichten: Diese sei "streng zentralistisch geführt", nicht "wirklich visionär" sowie "nicht aufregend".

München: Ein Intendant, drei Bühnen

Zur Person: Martin Kušej kam 1961 in Wolfsberg zur Welt. Er war als u. a. Bundesliga-Handballer tätig, bevor er Regie in Graz studierte. Seine kraftvollen, meist mit dem Bühnenbildner Martin Zehetgruber erarbeiteten Inszenierungen sorgten rasch für Furore. Etwa "Weh dem, der lügt" an der Burg oder "Höllenangst" in Salzburg (wo er 2005/'06 Schauspielchef war).

Das Haus: Kušej löste Dieter Dorn als Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels ab. Hauptspielstätte ist das Residenztheater (in München auch "Resi" genannt) mit mehr als 1000 Plätzen. Weiters gibt es das Cuvilliés-Theater (ein prachtvoller Rokoko-Bau, auch als Altes Residenztheater bekannt) und die Studiobühne im Marstall der Münchner Residenz.

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