Der einzige Spaß in der Stadt
Die Komödie „Kafkas Franz“, die am 26. April 1990 im Konzerthauskeller Premiere hatte, war der erste große Erfolg des heute 69-jährigen Regisseurs Kurt Palm. Im Jahr davor hatte er den Sparverein Die Unzertrennlichen gegründet, mit dem er kleine Festivals („Der einzige Spaß in der Stadt“) oder mehrstündige Literatur-Happenings veranstaltete.
Für „Kafkas Franz“, die erste Theaterproduktion des Sparvereins, wollte Palm nicht mit richtigen Schauspielern arbeiten, weil er sich die guten ohnedies nicht leisten konnte. Also stellte er eine illustre Laientruppe zusammen, der unter anderem der Berliner Autor Max Goldt, der Zeichner Tex Rubinowitz, Peter Handkes Tochter Amina und die Volksschullehrerin Elisabeth Kny angehörten.
Keiner von ihnen hatte Schauspielerfahrung, viele waren überhaupt kaum je im Theater gewesen. Erst bei der ersten Probe wurde ihnen klar, worauf sie sich da eingelassen hatten. „Die wussten nicht, dass sie jetzt sechs Wochen lang proben und den Text auswendig lernen müssen“, erinnert sich Palm. „Auch, dass die Probe um zehn begann, war ein Schock. Um die Zeit sind die meisten erst heimgekommen.“
Um es kurz zu machen: Die Inszenierung war ein Riesenerfolg. Die insgesamt 27 Vorstellungen waren voll, die Kritiken waren Hymnen, die Aufführung wurde sogar zu einem Festival ins Ruhrgebiet eingeladen – obwohl sich dort manche etwas anderes unter einem Wiener Theaterwunder vorgestellt hatten.
Jedes Mal, wenn Palm seither jemandem aus dem damaligen Ensemble über den Weg lief, sprach man davon, noch einmal „Kafkas Franz“ machen zu wollen. „Und alle haben gesagt: Wenn die anderen dabei sind, mache ich auch mit.“ Es hat halt mehr als 30 Jahre gedauert, bis alle Zeit hatten.
Phettberg im Publikum
Zu den Fans von „Kafkas Franz“ gehörte auch ein gewisser Josef Fenz, der die Vorstellung mehrmals besuchte – und als Hermes Phettberg später selbst beim Sparverein mitspielte. Die „Nette Leit Show“, die Palm ab 1994 mit ihm produzierte, schrieb Fernsehgeschichte. Danach löste sich der Sparverein – von wegen unzertrennlich! – auf.
Palm wechselte auf größere Bühnen und machte als Musiktheaterregisseur Karriere. In den letzten 20 Jahren war er hauptsächlich als Autor tätig. Er schrieb Sachbücher über James Joyce, Mozart oder Fußball („Die Hitzeschlacht von Lausanne“) und Romane wie „Bad Fucking“ oder „Strandbadrevolution“. Sein neues, insgesamt 15. Buch „Trockenes Feld“ erscheint im August; Palm erzählt darin die Geschichte seiner Familie.
Sein erstes Buch, „Vom Boykott zur Anerkennung“, ist bereits 1983 erschienen. Es handelte vom „Brecht-Boykott“, einer österreichischen Spielform des Kalten Krieges: Die konservativen Kritiker Friedrich Torberg und Hans Weigel hatten durchgesetzt, dass die Meisterwerke des kommunistischen Dramatikers Bertolt Brecht gecancelt wurden, wie man heute sagen würde. Auslöser für den Boykott war der ruchbar gewordene Plan, Brecht in die Leitung der Salzburger Festspiele zu holen.
Mehr als 70 Jahre, nachdem Brechts Engagement in Salzburg verhindert wurde, übernimmt nun der Brecht-Experte Kurt Palm eine Funktion bei den Festspielen: Er wurde von der KPÖ in die sogenannte Delegiertenkonferenz des Festspielfonds entsandt.
Nach dem Erfolg bei der Gemeinderatswahl im März muss die Partei Dutzende solcher Posten besetzen, und Palm war zwar schon in den 80er-Jahren aus der KPÖ ausgetreten, aber das hatte nur persönliche Gründe: „Die Leute, die damals am Ruder waren, sind mir irrsinnig auf die Nerven gegangen. Und wie man jetzt ja sieht, hängt sehr viel an den Personen, die das machen.“
Die Delegiertenkonferenz ist ein Kontrollorgan von relativ begrenztem Einfluss, das ist Palm schon klar. „Meine Aufgabe ist es, dort bestimmte Themen zu deponieren. Aber ich werde dem Hinterhäuser jetzt nicht sagen, wen er engagieren soll.“
Ein Veteranentreffen
Wenn am Sonntag im – natürlich ausverkauften – Rabenhof nun also „Kafkas Franz – The Reunion“ über die Bühne geht, darf man sich keine Wiederaufnahme erwarten, mehr eine Art Veteranentreffen. „Es ist ja schon beachtlich, dass wir alle noch leben“, sagt Palm. Sie werden Erinnerungen austauschen und Lieblingsszenen aus dem Stück lesen; auch Video-Ausschnitte werden gezeigt.
Das Problem, was sie mit ihren Gliedmaßen anstellen sollen, haben die Neo-Schauspieler irgendwann auch noch gelöst, wie Max Goldt damals in seiner Titanic-Kolumne berichtete: „Am besten, man bleibt die ganze Zeit auf einem Fleck stehen und lässt die Arme einfach frei herunterschlackern.“
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