Kurt Girk: "Aaa Liad scheena wia’s andere!"

Kurt Girk – mit Akkordeonist Tommy Hojsa (re.) – in seinem Element: Der 83-jährige Ottakringer singt nicht einfach Wienerlieder, er verkörpert sie.
Ein neues Buch setzt dem großen Charmeur des Wienerlieds zu Lebzeiten ein Denkmal.

Kurt Girk muss gar nicht einmal singen, um seine Ausstrahlung zu beweisen, er braucht nur seinen Mantel abzulegen. Mit blütenweißem Hemd, goldener Uhr und einem massiven Ring am Finger bringt der schmale alte Herr sofort Eleganz in die Vorstadt-Weinschenke "Steirer Alm", die bis zum vergangenen Sommer "zum G’spritzten" hieß und in der er seit vielen Jahren verkehrt.

Das Lokal wird sich während des Gesprächs mit dem KURIER bis auf den letzten Platz füllen, Girk wird die Damen mit Sätzen wie "Meine spezielle Verehrung!" begrüßen und mit alten Gästen Schmäh führen. "Ich hab Leut, die kenn ich sechzig Jahr’ schon", sagt er.

Kurt Girk genießt nicht erst seit gestern Legenden-Status unter Fans des Wienerliedes. Ein neues Buch würdigt den heute 83-Jährigen in Wort und Bild, eine beigelegte CD vermittelt den Sänger bei seiner seelenvollen Darbietung von Klassikern wie "Zauber der Vorstadt" oder "I möcht an Wein sehn".

Charisma und Tradition

Dabei geht es nicht allein um das Festhalten einer musikalischen Tradition, zu der Girk ein rares Bindeglied bildet: Einen Gutteil der Faszination des Sängers geht davon aus, dass er durch volle Identifikation mit seiner Musik und seinem Milieu eine unglaublich vielfältige Welt eröffnet. Diese Aufrichtigkeit begeistert auch solche, die mit dem Wienerlied nicht so viel anzufangen wissen – in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort wäre Girk vielleicht Rapper oder Soul-Sänger geworden.

Girk war freilich immer Ottakringer. Nach seiner Kindheit, in der er mit Straßensängern herumzog ("I hab aufpasst auf die Wachleut’, weil Straßenmusikanten warn ja damals verboten in der Dollfuß-Zeit") lernte er den Schneiderberuf ("I war immer ein eleganter Bursch, für uns war’s ja ned einfach, das Gwand war teuer, aber weil i Schneider war, hab i mir alles zug’legt") – und sang, bald schon mit den Koryphäen des Fachs. Ein Engagement in den USA hätte er in den 1950er-Jahren bekommen können, erzählt er, aber da wollte er nicht mehr weg.

"I hab immer a Geld ghabt, I hab ka Ausland braucht", sagt Girk, der finanziell nie aufs Singen angewiesen war – er war "Eisentandler", also Schrotthändler, später versuchte er sich auch als singender Wirt. Dass er Ende der 1960er wegen angeblicher Beteiligung an einem Postraub für sechs Jahre in den "Häfn" musste – absolut unschuldig, wie er beteuert – gehört zu den weniger sonnigen Kapiteln seiner im Buch festgehaltenen Biografie.

Alterslose Musik

In der Weinschenke sind mittlerweile Girks Mitmusiker – der Kontragitarrist und Sänger Rudi Koschelu, der Akkordeonspieler Tommy Hojsa – eingetroffen. Als sie eine Weile später mit der Musik loslegen, fängt es in Girks Gesicht zu pulsieren an, die Augen leuchten – und es wird klar, dass dieser Mann gar keine 83 Jahre alt sein kann: Der Sänger scheint durch seine Musik jenseits der Zeit zu stehen, er könnte fünfzehn sein oder fünfzig – ungeachtet des Alters, das natürlich seine Spuren im Gesang hinterlässt, ist Girk vor allem eins: präsent.

Dass sich der Wienerlied-Veteran als Teil eines großen Kontinuums begreift, merkt man auch, wenn Girk von seinen Kollegen und Idolen sprich: Etwa vom Sänger Karl Loserth ("Das war der ,Straßenprinz‘, ja , der hat was können. Und er war ein sehr legerer Mensch"), oder vom Komponisten Franz Paul Fiebrich, der einige von Girks liebsten Liedern schrieb ("Aaans scheena wia’s andere!"). Dass eine junge Generation mittlerweile die Tradition des Wienerlieds weiterführt, macht Girk froh und wohl auch ein bisschen stolz. Wobei: "Heut a Wienerlied schreibm is ned leicht, waast, heut. Damals war a ganz anderes Milieu, ganz andere Leut, die gibt’s alle nimmer."

Girk selbst wurde vor einigen Jahren ein Lungenflügel entfernt, doch vom Singen (und vom Rauchen) hält ihn das nicht ab. Dass seine Musik für ihn ein Lebenselixier ist, steht außer Zweifel. "Mein Gott, wenn’s so weitergeht, macht’s gar nix", sagt der Sänger. "I hab kaane Altersschwächen, Demenz hab’ i a no ned, das is’ wichtig. I hab ’ viele Freunde, die san schon ganz woanders."

Info: Nächste Auftrittstermine: 19. November, Gasthaus am Predigtstuhl, Oberwiedenstraße 34, 1170 Wien, 01/484 11 563. Dezember, Weinschenke Steirer Alm, Heigerleinstraße 1, 1160 Wien, 0699/115419657. Dezember, Kulturcafé Max, Mariengasse 1, 1170, 01/486 31 02

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