Was aber schon auffällt, ist, dass einige der soignierten VIPs sich mittlerweile mit Rollator durch die Gänge der Messehalle bewegen: Die Überalterung des Publikums ist eine Tatsache, die Frage, ob Altmeistergemälde und Antiquitäten der nachfolgenden Generation noch viel Geld wert sind, unausweichlich.
Am Scheideweg
„Tatsächlich entwickelt sich der Markt für Altmeistergemälde in zwei Richtungen“, sagt Philippe Henricot, Spezialist beim Londoner Traditions-Händler Colnaghi in London, zum KURIER. „Die kleineren, unbekannteren Meister verlieren an Wert. Die Werke großer, bekannter Namen sind zunehmend schwer zu finden – und ihr Wert geht nach wie vor nach oben.“
Einige Stände weiter, bei der Rafael Valls Gallery, sind einige Werke solcher „Kleinmeister“ zu finden. Etwa ein Bild eines gewissen Pieter Cornelis Verbeeck, das Reiter bei der Rast zeigt – und links im Vordergrund einen kackenden Hund.
„In früherer Zeit wäre so ein Element als anstößig empfunden und vielleicht übermalt worden“, sagt die Galeriemitarbeiterin Benedikte Moss. „Heute werden wir darauf angesprochen, die Leute finden es witzig und bleiben daran hängen“. Mit 27.000 Euro ist das Werk vergleichsweise günstig – für die Galerie ein Mittel, die Schwelle für Klienten abseits der Kenner-Nische niedrig zu halten. „Wenn etwas direkt anspricht und wall power hat, kann man jede Generation begeistern“, sagt Moss.
Wall Power: Das ist der Begriff, den Kunsthändler verwenden, wenn ein Werk mächtig von der Wand abstrahlt. Die Wiener Händler Wienerroither & Kohlbacher setzen darauf, wenn sie ein Bild des Grafikers Karl Sterrer (1885 – 1972), das einen titanischen Mann zeigt, an ihrem heuer erstmals inmitten der Moderne-Sektion platzierten Standhängen: Das Bild, um 150.000 Euro im Angebot, gehörte einst dem 2017 verstorbenen Wiener Sammler Rudi Schmutz und ist ein Hingucker, wenngleich es nicht dasselbe kunsthistorische Gewicht hat wie die fein ziselierten Klimt- und Schiele-Zeichnungen, bei denen die Händler sonst führend sind.
Die Galerie Demisch Danant mit Standorten in Paris und New York spielt mit der Wand-Macht und kombiniert riesige Historienschinken aus dem 19. Jahrhundert mit Design aus den 1960er Jahren. Er spiele damit auf eine Zeit an, als wohlhabende junge Pariser bereits einmal die mit Erbstücken gefüllten Wohnungen ihrer Eltern übernahmen, erzählt Galerist Stephane Danant.
Auch die riesige Fläche, auf der Ai Weiwei die berühmte Venus von Giorgione in Legosteinen nachbauen ließ, macht sich die wall power ikonischer Altmeistergemälde zunutze: Zu finden ist sie bei der Mailänder Galleria Continua. Neben der Pariser Galerie Mennour oder der Londoner White Cube Gallery gehört sie zu jenen Großunternehmen aus dem Zeitgenossen-Sektor, die sich ins Milieu der TEFAF wagen.
Das Thema „Power“, also Macht und Repräsentation, wird dabei nicht nur auf den Wänden betont: Gefräste Marmorblöcke von Anish Kapoor, Skulpturen von Tony Cragg oder Hängefiguren von Georg Baselitz entsprechen dem Geschmack, der hier als zeitgenössisch gilt, allein ein riesiges Gemälde des Obama-Porträtisten Kehinde Wiley am Stand der Sean Kelly Galerie (950.000 US-$) erinnert daran, dass anderswo in der Kunstwelt eine Umorientierung hin zu afroamerikanischen Künstlern massiv im Gange ist. Dafür ist „Papa Picasso“ weiter stark präsent – am originellsten am Stand der Salzburger Galerie Thomas Salis, die eine völlig untypische, abstrakte Collage von 1965 um 750.000 Euro anbietet.
Die echte Rarität: Frauen
Die in mittlerweile zahllosen Museumsausstellungen vorgebrachte Neubewertung von Frauen in der Kunstgeschichte scheint sich indes nicht wirklich in den Markt fortgeschrieben zu haben: Allein die Düsseldorfer Galerie Ludorff wagt sich hier mit einer Fokus-Schau rund um die Malerin Lotte Laserstein voran – mit 150.000 Euro ist das zentrale Werk, ein Selbstporträt, aber noch immer verhältnismäßig bescheiden bepreist. Auch mit politischer Korrektheit hat es die TEFAF noch nicht so – eine Figurine eines Schwarzen mit großem Penis und einem kleinen Schüsselchen zum Schnupfen von Schnupftabak war am Stand des Münchner Händlers Georg Laue gleich bei der Eröffnung verkauft. Es könnte sein, dass die Sensibilitäten der nächsten Generation anders gelagert sind. Doch die TEFAF bewegt sich, langsam, aber doch.
Hinweis: Der KURIER reiste auf Einladung der TEFAF nach Maastricht.
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