Kunsthalle Wien: Idylle ist trügerisch, überall
Wie kann es sein, dass die Verhältnisse immer wieder kippen? Dass aus einer Witzfigur ein Diktator wird, aus einer Demokratie ein autoritäres Regime, aus dem Fortschritt ein Rückschritt?
Nicht nur Marcel Odenbach stellt sich dieser Tage solche Fragen. Der deutsche Künstler widmet sich der Thematik allerdings schon sehr lange, immer wieder, extrem genau und beharrlich. Die Bilder und Video-Installationen, die nun in der Kunsthalle Wien im MuseumsQuartier gezeigt werden (Eröffnung Samstag 19 Uhr; bis 30.4.), sind Resultate dieser Beschäftigung; zugleich fordern sie nachdrücklich auf, sich zu vertiefen, genau hinzusehen, Unterscheidungen zu treffen. Wobei Odenbach selbst ein wenig die Befürchtung hegt, sein Werk könnte angesichts der aktuellen weltpolitischen Umwälzungen „zu didaktisch“ daherkommen: „Ich will ja nicht der alte Mann mit dem Stock sein, der ruft: ,Ich hab’s euch immer schon gesagt‘“, erklärt er bei einem Rundgang mit dem KURIER.
Packende Ästhetik
Das Werk, das der 1953 geborene, an der Düsseldorfer Hochschule lehrende Künstler seit den 1970er- Jahren entwickelt, ist aber in seiner Ästhetik zu bestechend und zu packend, um als blutleere Geschichtsstunde zu versanden. In der Kunsthalle, wo Odenbach bereits mehrfach im Rahmen von Gruppenausstellungen zu sehen war, sind nun im wesentlichen zwei Werkstränge vereint: Einerseits Filme, andererseits Collagen, die aber vieles gemein haben, insbesondere eine stille, insistierende Qualität.
Der Prozess, in dem ein vordergründig harmloses Bild nach und nach seine Abgründe offenbart, ist das zentrale Erlebnis bei Odenbachs Werken. Die Videoarbeit „Beweis zu nichts“, die der Wiener Schau den Titel gibt, funktioniert im Kern nicht wesentlich anders: Hier ist es eine Gruppe monumentaler Bronzeskulpturen, die auf zwei Videokanälen bis in die Poren genau abgefilmt wird und dabei eine bedrohliche, dominante, fast waffenähnliche Präsenz erhält.
Zwiespältiges Gedenken
Tatsächlich sind die Skulpturen den Widerstandskämpfern im KZ Buchenwald gewidmet, entworfen wurden sie von Bertolt Brecht und dem Künstler Fritz Cremer, der nach dem Krieg zu einem Chef-Bildhauer der DDR avancierte. „Das Denkmal ist in seiner Formensprache faschistoid“, sagt Odenbach und verweist darauf, dass die Sowjets nach der Befreiung des Lagers dessen „Infrastruktur“ postwendend für eigene politische Gefangene nutzten. Der Film fungiert somit seinerseits als ein Mahnmal, das für die Wiederkehr autoritärer Ideologien – und Ästhetiken – sensibilisiert.
Seine stete Beschäftigung mit Verdrängung und Erinnerung sei „familiär fundiert“, erklärt Odenbach: Zwei Großtanten des Künstlers nahmen sich 1944 aus Angst, ins KZ deportiert zu werden, das Leben. Eine aus Belgien stammende Großmutter, die in der bis 1960 existierenden Kolonie Kongo gelebt hatte, bewog Odenbach wiederum dazu, sich mit Afrika zu befassen.
Krokodil im stillen Teich
Eine fast 15 Meter lange Collage, die zunächst als ein Gewirr von Palmblättern erscheint, tatsächlich aber ein Kompendium von Bildern aus dem Kongo beinhaltet, lässt sich im Saal abschreiten. Dazu läuft noch das Video „Im stillen Teich lauern Krokodile“, das Odenbach als seine „intensivste Arbeit“ bezeichnet.
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