Dem Korsett mit Komik entkommen: Krems zeigt Anna & Bernhard Blume
Hach, wie schön ist doch das moderne Leben: überall diese Klarheit und Übersichtlichkeit, reduzierte Formen von der Blumenvase bis zum Wandgemälde. Nüchternes Denken, ein aufgeklärtes Weltbild und eine gleichberechtigte Gesellschaft stellen sich da wie von selbst ein, wäre da nicht … tja, der Mensch.
Am Menschen fangen die Formen nämlich bald zu drücken und zu spannen an. Anna Blume erfasste das in der Serie „Die reine Empfindung“ (1990/’91) genial: Sie zeichnete dazu fotorealistisch genau Frauenkörper ab, die in Kleidern stecken, die mit modernistischen Quadraten, Dreiecken oder Rauten bedruckt waren – Muster, die an den Bauchfalten und Ärmeln ihre Klarheit verlieren.
Den Bildern stellte die Künstlerin puristische Statements von Vordenkern der Moderne gegenüber, etwa von Wassily Kandinsky, der 1926 von der „Befruchtung der leeren Fläche“ schwafelte.
Es zeigt sich: Die moderne Ordnung war wesentlich eine Erfindung von Männern, ja Machos, die Betonung des Verstandes ging oft Hand in Hand mit der Abwertung von Frauen, die in der gängigen Vorstellung an ihre Empfindsamkeit gekettet waren.
Rollenspiele
In den Fotografien, die Anna Blume gemeinsam mit ihrem Mann Bernhard schuf, war das Gewicht anfangs auch nicht gleich verteilt: Er nahm 1977 an der Kunstschau documenta teil, sie nicht. Ab 1980 aber teilten sich die beiden die Autorschaft und schufen wunderbar schräge und hintergründige Bildinszenierungen, die auch in technischer Hinsicht neue Möglichkeiten ausreizten.
Unter dem Titel „Komplizenschaft (A=B)“ richtet die Kunsthalle Krems dem Künstlerpaar nun eine umfassende Werkschau aus (bis 16. 3. 2025). Für viele wird das Werk der Blumes eine Entdeckung sein – und ein nostalgischer Trip in die 1970er und 80er-Jahre, in denen Fotos noch öfters schwarz-weiß waren und Deutschland auch sonst grauer und spießiger aussah.
Anna und Bernhard Blume, die sich nach ihrem Studium als Kunstlehrer in Gymnasien ihren Lebensunterhalt verdienten, inszenierten sich bewusst in der Kleinbürger-Rolle – etwa beim Waldspaziergang in einer Serie am Eingang der Schau oder vor der Kulisse ihrer tapezierten Wohnung. In den Fotos fliegen dann Teller, Möbel, Kartoffeln (bewusst nicht „Erdäpfel“!) wild durch die Gegend, alles scheint auf den Kopf gestellt: „Wahnzimmer“ heißt eine ihrer bekanntesten Fotoserien, die auch in der Schau zu sehen ist.
Loriot in der Kunst
All das ist sehr lustig, und man kann, ja muss die Blumes wegen ihres Loriot-Humors eigentlich lieben. Allerdings haben die Bilder weitere Bedeutungsebenen – aus der zeitlichen Distanz und mit Blick auf jüngere Kunst-Diskurse sind diese auch klarer erkennbar.
Da ist die feministische Kritik an der Hausfrauenrolle, die Anna Blume in Inszenierungen wie „Küchenkoller“ (1985) oder „Trautes Heim“ (1986) einbrachte: Es gibt hier Parallelen zur „Feministischen Avantgarde“, innerhalb derer Künstlerinnen wie Karin Mack („Bügeltraum“, 1975) oder VALIE EXPORT („Geburtenmadonna“, 1976) ihrer Unzufriedenheit Ausdruck verschaffen.
Oft verschwimmt dieser Protest bei den Blumes mit einer generelleren Auflehnung gegen das bürgerlich-deutsche Zivilisationskorsett. Man wagte etwa einen „Flugversuch“, um auszubrechen: Auf der gleichnamigen Fotoserie (1977/’78) hüpft Bernhard Blume mit seiner Mutter mutig vom Wohnzimmersofa.
Korsett der Formen
Generell aber rannten die Blumes nicht bloß gegen Werte, sondern gegen Formen an – besonders gegen jene der Avantgarde, die ihren Schöpfern zufolge doch ein neues, freies Bewusstsein ergeben sollen. In der Serie „Transzendentaler Konstruktivismus“ (1992) geht es den Kreuzen, Quadraten und Balken aus Kasimir Malewitschs Fundus an den Kragen: Die Formen, als Styropor-Requisiten in die Inszenierung eingebaut, versagen hier im Test auf Alltagstauglichkeit.
Anna und Bernhard Blume setzten ihre Werke als analoge Fotografien um – wie Kurator Andreas Hoffer erläutert, waren sie auch Vorreiter im Einsatz großformatiger Bildausarbeitungen, die schon durch ihr Format „Kunstwürdigkeit“ beanspruchen. Zudem experimentierten sie mit Polaroids, die sie zerschnitten und neu zusammensetzten. Im Spätwerk – Bernhard Blume starb 2011, Anna Blume 2020 – kam auch digitale Technik zum Einsatz.
Diese letzten Werke, zu sehen am Ende der Schau, sind nicht die stärksten: Die Breite der Werkzeugpalette schien hier zulasten der Präzision zu gehen. An der Bedeutung von Anna und Bernhard Blume als Ankerpunkt der künstlerischen Fotografie ändert das freilich nichts: Es ist nur richtig, dass diese Ausstellung sie derart prominent in Erinnerung ruft.
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