Kunst wird nicht in die Wiege gelegt

Belvedere-Direktorin Agnes Husslein in ihrem Büro. Hinter ihr ein Bild der Künstlergruppe Gelatin, die im Vorjahr das „21er Haus“ bespielte.
Direktorin Agnes Husslein spricht über ihr Bemühen, junge Besucher und neue Kunstwerke für das Museum zu gewinnen.

2013 war ein gutes Jahr für das Belvedere – doch wie viele Museen steht das Haus vor der Aufgabe, ein neues, junges Publikum zu begeistern. Agnes Husslein spricht über die Herausforderungen.

KURIER: Wenn man im Belvedere vor Klimts „Kuss“ steht und merkt, dass dieses Bild offenbar zu Menschen aus allen Kulturkreisen spricht, denkt man: Warum ist es so schwer, verschiedene Schichten aus Österreich ins Museum zu bringen?

Agnes Husslein: Ich glaube, dass aufgrund der Dichte der Museen in Österreich die Leute sich sehr genau aussuchen, was sie anschauen. Was mich beunruhigt, ist, dass wir im Verhältnis viel ältere Damen und Herren bei uns haben. Und ich glaube, dass das schon auch mit der Schulbildung zu tun hat. In den letzten 20 Jahren ist in der Schule ein Abfall in der Intensität zu bemerken, mit der Kindern Geschichte, Kunstgeschichte, Musik nahegebracht worden ist. Ich glaube, das ist ein großes Problem.

Liegt das an Lehrplänen – oder daran, dass sich allgemein der Bildungskanon verändert hat?

Natürlich hat sich der Kanon verändert, aber das Problem ist auf mehreren Ebenen anzutreffen. Es gibt unglaublich engagierte Lehrer und Eltern – und andere, bei denen die Kinder einfach im Museum abgegeben werden. Wenn Sie in Paris durch die Museen gehen, haben Sie dort so viele junge Menschen, junge Familien, Migranten – es ist Teil ihres Interesses und ihrer Kultur, dass sie ein Museum besuchen. Bei uns ist dafür kein Interesse geschürt worden.

Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen, ist für alle Museen ein großes Thema. Viele können sich mit dem Erbe, das hier verwaltet wird, vielleicht nicht identifizieren.

Wir bemühen uns alle sehr. Das Belvedere ist das einzige Bundesmuseum, das eigene Programme für Schulkassen anbietet, in denen die Kinder mit der deutschen Sprache noch nicht genug verbunden sind. Man kann aber auch nicht alle Aufgaben der Eltern und der Schule kompensieren.

Aber wo sind die Anknüpfungspunkte, um Kindern und Jugendlichen ein Gespür dafür zu geben, dass es hier auch um IHR kulturelles Erbe geht?

Das Tolle am Belvedere ist, dass wir nicht nur Sammlungen vom Mittelalter bis heute haben, sondern auch Geschichte sehr gut vermitteln können. Gerade mit dem neu eröffneten Winterpalais des Prinzen Eugen. Ich glaube, dass man da nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen viel über die Barockzeit und das, was damals in Europa passiert ist, beibringen kann. Ich sehe es als wichtige Aufgabe, dass wir über die rein kunsthistorischen Bildbetrachtungen hinausgehen. Es wird auch ein großes Stück Geschichte transportiert – auch mit Hans Makart aus dem 19. Jahrhundert oder mit Kunst aus Wien um 1900.

Wie wichtig ist es für die Vermittlung, dass es auch Werke der Gegenwartskunst gibt, die klar mit einem Museum identifiziert werden – so wie Klimts „Kuss“ mit dem Belvedere?

Ich versuche, große, importante Kunstwerke für die Sammlung zu kaufen. Ob das dann einmal solche „signature“-Arbeiten werden, kann niemand sagen.

Aber wäre es nicht hilfreich, wenn man wüsste: Im 21er Haus gibt es das Kunstwerk XY, und man muss dorthin, wenn man es sehen will?

Ich weiß nicht, warum das immer auf ein Werk oder einen Künstler reduziert werden muss. Beim 21er Haus ist klar: Wenn Sie einen Überblick über zeitgenössische österreichische Kunst bekommen möchten, dann bekommen Sie den dort. Wo sonst sehen Sie so viele verschiedenartige Skulpturen von Franz West? Wo sehen Sie sonst Wotruba? Wo können Sie Brigitte Kowanz sehen? Bei uns im Foyer ist ein großes, wichtiges Werk von ihr.

Nicht nur im 21er Haus, auch in anderen Museen wurde zuletzt stark auf Sponsoren gesetzt. Ist das nicht ein unsicheres Standbein?

Das ist sicher ein Punkt, wo in anderen Ländern wesentlich mehr Verantwortung oder auch Interesse besteht. Es ist wahnsinnig schwer, da einen Partner zu finden.

Die Generali-Foundation übersiedelt bald von Wien ins Salzburger Museum der Moderne am Mönchsberg, das maßgeblich unter Ihrer Ägide entstanden ist. Ist diese Kooperation aus einer Notlage entstanden, weil da eine Hülle ohne Sammlung geschaffen wurde?

Man hat Salzburg schon auch mit der hauseigenen Sammlung bespielen können. Aber ja, man braucht Leihgaben, und ich habe es immer als Aufgabe des Leiters gesehen, zusätzlich etwas zu akquirieren. Sabine Breitwieser (MdM-Direktorin, Anm.) hat das bravourös gemacht.

So eine große private Sammlung drückt aber einem Museum ihren Stempel auf.

Es hängt immer auch davon ab, welche Verträge man macht. Man muss konsequent sein und nicht ein bisschen hier, ein bisschen da sammeln. Auch im 21er Haus wird es eine meiner ganz wichtigen Aufgaben sein, wichtige Schenkungen für das Haus zu akquirieren.

Standorte

Mit 957.802 Gästen war das Belvedere 2013 nach dem KHM das zweitbestbesuchte Bundesmuseum. Seit 2011 bespielt das Museum auch das „21er Haus“ im Schweizergarten, seit 2013 das Winterpalais des Prinzen Eugen in der Wiener Himmelpfortgasse.

Angebote

Das Belvedere bietet neben allgemeinen Führungen auch Vermittlungsprogramme für Kinder, Pädagogen sowie „sprachlich und kulturell heterogene Klassen“ an.

Infos & Anfragen unter belvedere.at/de/kunstvermittlung oder unter public@belvedere.at

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