"Meine Bilder sind auf Ruinen gebaut": Warum Michael Horsky malt und zerstört
Wo ist hier oben, wo unten? Warum ist die Leiter so komisch verdreht? Kann man so überhaupt sitzen? Legitime Fragen, die sich beim Blick auf die vier neuen Ölbilder, die Michael Horsky für seine aktuelle Solo-Schau in der Wiener Galerie Giese & Schweiger (Akademiestraße 1 A, 1010 Wien) geschaffen hat, vielleicht spontan auftun - und doch führen sie am Wesen der großen, quadratischen Gemälde vorbei.
Horskys Werke sind nämlich in erster Linie: Malerei. Als solche folgen die Bilder keinen Regeln von Anatomie und Perspektive, sondern nur den Gesetzmäßigkeiten, die das Format, die Fläche, die Dynamik von Farben und Strichen vorgibt. Horskys Werke sind in diesem Sinn „abstrakt“, auch wenn sie nicht gegenstandslos sind, sondern Menschen, Dinge oder Tiere zeigen.
Auskenner werden in dem zweiten Bild der neuen Serie, die unter dem Titel „Die Biegsamkeit der vier Jahreszeiten“ noch bis zum 20. 12. in der Galerie zu studieren ist, vermutlich den Maler Wolfgang Hollegha erkennen. Der am 2. Dezember 2023 verstorbene Gigant der österreichischen Nachkriegskunst reüssierte auch in New York, zog sich dann aber in die Steiermark zurück, wo er sich ein hohes Atelierhaus mit der charakteristischen Fensterfront baute, die auch in Horskys Bild mit dem Titel „Wolfgangs Leiter“ auftaucht.
Lehrer und Gegenpol
Hollegha war Anfang der 1990er Jahre Horskys Lehrer an der Wiener Akademie der bildenden Künste, das Werk ist eine Art Hommage, wie der 1973 geborene Maler im Gespräch erklärt. „Der Flow, der Rhythmus, der in seinen Bildern steckt - das habe ich verinnerlicht“, sagt Horsky, der aber auf Dauer kein entspanntes Verhältnis zu seinem Lehrer zustande brachte. Denn während Hollegha zwar auch Gegenstände als Ausgangspunkt für seinen Malprozess nahm und etwa Wurzelstöcke zeichnete, war aus seinen fertigen Bildern jede Gegenständlichkeit getilgt.
Abstrakt zum Gegenstand kommen
Horsky wählte - inspiriert von der Arbeit des Malers Siegfried Anzinger - einen umgekehrten Weg: Sein Ziel sei, "mit der sichtbaren Welt umzugehen, aber auf abstrakter Basis", sagt er. Sein Malprozess, in dem er das Bild immer wieder übermalt und ändert, führe dazu, dass sich auf den „Ruinen“ des Verworfenen eine eigene Dynamik entwickle. Irgendwann sei das Werk wie ein „lebendiger Organismus“, sagt er.
Wer Horskys Werke anschaut, sieht Szenarien, aber keine schlüssigen Darstellungen. Auch Verhältnisse räumlicher, anatomischer Art „stimmen“ nicht unbedingt, Motive werden verdoppelt oder verzerrt, Kategorien wie „schön“ oder „hässlich“ gleiten an den Bildern ab. Was aber spürbar ist, ist eine Stimmigkeit und Energie, die wohl ohne die umständliche Methodik nicht denkbar wäre.
Wo geht's zur Kreuzigung?
Für das Bild an der Rückwand des Schauraums hat Horsky seinen Schaffensprozess festgehalten: Dass statt der belebten Blumenwiese einst eine Kreuzigungsszene geplant war, lässt sich aus dem Bildtitel („Kreuzigungsblumen“) für den Laien nämlich nicht unbedingt herauslesen.
Doch Malerei ist stets mehr als ihr Motiv: Auch Meister der puren Abstraktion wie Mark Rothko oder Barnett Newman strebten oft nach der Wirkung von Altmeistergemälden, während sich gegenständliche Maler an den Farbgewittern ergötzten, die Meister wie Velázquez oder Caspar David Friedrich etwa in den Dienst von Stoff- oder Himmelsdarstellungen gestellt hatten. Der kunsthistorisch bewanderte Maler Horsky ist da nur ein kundiger Teilnehmer eines andauernden Dialogs, der das Unterschiedliche verbinden und in raffinierte Form bringen kann. Man sagt auch Malerei dazu.
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