Kultursponsoring: Wegschauen geht nicht mehr

Kultursponsoring: Wegschauen geht nicht mehr
Kulturinstitutionen stehen zunehmend wegen Spenden aus unsauberen Quellen in der Kritik

Es gibt Dinge, die wichtiger sind als bloßer Reichtum. Kulturinstitutionen wissen das zu nutzen: Wer sie unterstützt, gilt als Mäzen und zeigt, dass er oder sie auch die Menschheit als Ganzes im Blick hat. In Gesellschaften, die auf das Individuum bauen – allen voran den USA – basiert der gesamte Kulturbetrieb auf diesem Deal.

Derzeit müssen sich wohlmeinende Reiche allerdings prüfenden Blicken unterziehen: Ist der Ursprung ihres Vermögens womöglich eine Quelle des Leids, der Umweltverschmutzung? Museen und andere Institutionen sehen sich zunehmend damit konfrontiert, dass sich ihre schöngeistige und moralisch reine Mission nicht mit Geld aus zweifelhaften Quellen finanzieren lässt.

Nach Debatten in den USA und Großbritannien ist nun die italienische Waffenhersteller-Familie Beretta in den Fokus gerückt. Ihre Erzeugnisse fanden sich etwa im Arsenal des Massenmörders von Las Vegas. Während die Firma in den USA die Waffenlobby NRA unterstützt, förderte die Frau des Konzernchefs, Umberta Gnutti Beretta, den italienischen Pavillon der Venedig-Biennale 2017 und stellte dem Künstler Christo 2016 die Privatinsel der Familie am Iseo-See für dessen Projekt „Floating Piers“ zur Verfügung, berichtet artnet.

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Kultur & Klimawandel

Derlei Enthüllungen häuften sich zuletzt. Vor dem Metropolitan Museum New York, das bald vom Österreicher Max Hollein geleitet wird, brachte der Kritiker Jerry Saltz zuletzt ein Transparent an, dass den Vorplatz mit den marmornen Springbrunnen von „David H. Koch Plaza“ in „Klimawandelleugner-Plaza“ umbenannte: Der Milliardär, der die Fontänen finanzierte und sein Geld der Chemie- und Erdölindustrie verdankt, gilt mit seinem Bruder Charles als Hauptsponsor von Klimaskeptikern und ultrarechten Politikern.

Als völlig unvereinbar wurde kritisiert, dass Rebekah Mercer, die Tochter des Milliardärs Robert Mercer, der Donald Trump und seinen Hintermann Steve Bannon, aber auch Klimaskeptiker-Initiativen förderte, im Vorstand des New Yorker Naturgeschichtemuseums sitzt: Eine solche Konstellation „unterminiert das Vertrauen in Institutionen, die wissenschaftliches Wissen vermitteln“, hieß es in einer Petition.

Sag einfach... Naja.

Die Frage, wann Institutionen lieber Nein zu gewissen Spenden sagen sollten, ist im Detail jedoch nicht einfach zu beantworten. Der internationale Museumsrat ICOM hält in seinen Ethik-Richtlinien nur fest: „Bei der Suche nach finanzieller Unterstützung für Tätigkeiten, von denen eine bestehende Gemeinschaft betroffen ist, sollte nicht gegen deren Interessen gehandelt werden“.

Handelt also ein Waffenlieferant, ein Ölbohrunternehmen, ein Glückspielkonzern oder die Tabakindustrie „gegen die Interessen“ der Gemeinschaft – und tut dies auch die Kulturinstitution, die Geld von solchen Unternehmen annimmt?
Fakt ist, dass sich die Kulturwelt lange Zeit nicht allzuviel um solche Fragen scherte. Die Tabakindustrie etwa war lange an vorderster Front der Kulturfinanzierung aktiv – international tat sich besonders der Konzern Philip Morris hervor, in Österreich gehörte die „Austria Tabak“ bis 2002 zu den wichtigsten Kultursponsoren des Landes. Der Staatsbetrieb finanzierte ab 1977 zahlreiche Klassik-Events, betrieb das „Tabakmuseum“ im heutigen MuseumsQuartier und baute eine große Sammlung zeitgenössischer Kunst auf.

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Zuletzt rückte das Engagement des Glücksspielkonzerns Novomatic unter die Lupe – etwa, weil es im neuen Weltmuseum Wien den Saal zu Erzherzog Franz Ferdinands Sammellust sponserte. Steven Engelsman, der die Neuaufstellung verantwortete, verteidigte den Deal im KURIER-Interview.

Der Waffenlieferant Gaston Glock, der 2015 den österreichischen Musiktheater-Preis unterstützte, findet sich heute nicht mehr unter den Sponsoren des Events. Die „Ronald McDonald Kinderstiftung“ oder der Sozialmarkt Wien schmücken sich allerdings nach wie vor dankbar mit der Unterstützung des Unternehmers, der 2017 auch Robbie Williams für ein Privat-Konzert ins Kärntner Treffen einfliegen ließ.

„Es liegt an jeder Organisation zu entscheiden, ob sie einen Sponsor annimmt“, sagt Brigitte Kössner-Skoff, deren „Initiative Wirtschaft für Kunst“ jährlich den Kultursponsoringpreis „Maecenas“ vergibt. Ihre Jury bewerte dabei Innovation und Effizienz. Ein Ethik-Gütesiegel gibt es – noch – nicht.

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