Kulturpolitik: Warum ein Film Preservation Center gebraucht wird
Als das Regierungsprogramm der türkis-grünen Koalition öffentlich wurde, ging ein Raunen durch die heimische Filmszene: Die Regierung hat sich darin vorgenommen, „die Einrichtung eines Film Preservation Centers
umsetzen“ zu wollen.
Tatsächlich steht nichts weniger auf dem Spiel als die Bewahrung und Langzeitsicherung des nationalen filmischen Erbes. Hunderttausende Dosen filmischer Dokumente müssen – in ausreichend gekühlten Sicherheitslagern – aufbewahrt werden. Neben genügend Lagerflächen bedarf es zusätzlich auch Kompetenz und Technologie, um die Filme im Zeitalter der Digitalisierung originalgetreu zu erhalten.
Noch haben die beiden Hauptakteure in der Causa Film Preservation Center – das Österreichische Filmmuseum und das Österreichische Filmarchiv – keinen offiziellen Termin bei der Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek. Doch an einem Treffen wird gearbeitet: „Ich hoffe, dass dieser Ankündigung sehr bald konkrete Maßnahmen und natürlich auch Mittelbindung folgen werden“, wünscht sich Michael Loebenstein, Direktor des Österreichischen Filmmuseums, im KURIER-Gespräch.
Dreifacher Notstand
Sowohl die Filmsammlung des Österreichischen Filmmuseums in Heiligenstadt als auch das Zentralfilmdepot in Laxenburg des Filmarchiv Austria platzen aus allen Nähten. Bereits 2015 gab es erste Gespräche mit dem damaligen Kulturminister Josef Ostermayer zur Idee eines Film Preservation Centers. Ostermayer-Nachfolger Thomas Drozda verkündete die Etablierung eines Film Preservation Centers in Laxenburg, unter Gernot Blümel blieb es bis zum Bruch der türkis-blauen Koalition bei der Projektevaluierung.
„Es herrscht derzeit ein dreifacher Notstand“, kommentiert Ernst Kieninger, Leiter des Filmarchiv Austria, die prekäre Situation: „Die Lagerkapazitäten im Zentralfilmdepot in Laxenburg sind längst erschöpft. Zudem geht es darum, klassisches Filmerbe als analoges Trägermaterial langfristig zu sichern und es dann digitalisiert verfügbar zu machen.“
Gegenwartskino
Aber nicht nur das historische Filmerbe soll langzeitig gesichert werden. Auch die Sicherstellung der aktuellen Gegenwartsproduktionen des heimischen Kinos kann in der derzeitigen Situation nicht gewährleistest werden, warnt Loebenstein: „Es gibt die Idee, die auch stark von den österreichischen Produzenten ausgeht, dass man die zwei Dutzend österreichischen Spiel- und Doku-Filme pro Jahr, die vom Österreichischen Filminstitut gefördert werden, zukunftssicher auf Negativfilm sichert – so wie das auch die US-Hollywood-Studios tun.“
Allerdings könne man nicht alles auf Analogfilm überspielen, weiß Loebenstein: „Insofern muss man up to date bleiben, was digitale Sicherung und Digitalisierung analoger Filme betrifft.“
In den Kernfragen zur Handhabung des österreichischen Filmerbes treten Filmmuseum und Filmarchiv nun geschlossen auf. Das war nicht immer so. Doch von früheren Animositäten zwischen den Häusern will man heute nichts mehr wissen: „Es gibt eine große Schnittmenge an Interessen, und ich denke, ein gemeinsamer Termin bei der Staatssekretärin wäre konstruktiv“, so Loebenstein.
Einig ist man sich auch darüber, dass die Sicherung des filmischen Erbes ein eigenes Etat erhalten sollte. Derzeit läuft der Kostenaufwand für die Langzeitarchivierung als Budgetposten bei der Filmförderung: „Filmförderung und Filmerhaltung befinden sich in einer Konkurrenzsituation“, beanstandet Ernst Kieninger: „Da bedarf es eines Extra-Budgets.“
Neue Lagerflächen
Als Standort für das Film Preservation Center hat bereits eine vom Kulturministerium beauftragte Studie als Standort das Zentralfilmdepot Laxenburg, das viel Platz für neue Lagerflächen bietet, empfohlen. Dort benützen Filmarchiv Austria und das Österreichische Filmmuseum gemeinsam das Nitrofilmdepot. Bereits jetzt gebe es zwischen beiden Häusern eine akkordierte Lagerverwaltung, sagt Kieninger. Eine Drittkonstruktion – also etwa eine eigene Trägergesellschaft für das Film Preservation Center – findet er nicht notwendig: „Beide Häuser können derzeit in einer sehr kooperativen Form zusammen arbeiten. Eine Verkomplizierung wäre unnötig.“
Für Loebenstein lautet die größte Frage: „Möchte man erstmals so viel Geld für die Filmsicherung in die Hand nehmen?“
Neben dem gekühlten Sicherheitslager bedarf es technischer Bearbeitungsräume und eines Konservierungszentrums, wo Restaurierungs- und Filmlaborarbeiten durchgeführt werden können. Insgesamt bräuchte es also für die Errichtung des Film Preservation Centers eine einmalige Summe von 4,2 Millionen Euro. Zusätzlich bedürfte es der Verdoppelung der derzeitigen Fördersumme beider Institutionen von drei auf sechs Millionen Euro jährlich: „Vergleichbare Institutionen in Europa haben Jahresbudgets von sechs Millionen aufwärts“, argumentiert Loebenstein: „In anderen Ländern sind diese Summen Normalität.“
Zudem soll das geplante Film Preservation Center auch für filmkünstlerische Projekte und Filmemacher, die auf analogem Filmmaterial arbeiten, offen stehen. Ein zeitaufwendiges Pendeln nach Laxenburg wäre nicht unbedingt notwendig, meint Ernst Kieninger. „Filme sichten und Kopien kontrollieren kann man auch an Standorten in Wien.“ In Laxenburg selbst sei „ein Labor mit Spezialisierung auf Schwarzweiß und 16mm-Film geplant“.
Streit ums Labor
Für Vertreter der profilierten österreichischen Experimentalfilmszene, die sich ein Filmlabor in Wien wünschen, ist dieses Angebot jedoch zu wenig: „Ein nicht zugängliches Schwarzweiß-Labor in Laxenburg macht für zeitgenössische Filmschaffende kaum Sinn“, kritisiert der Filmemacher Johann Lurf: „Als Filmschaffender wünsche ich mir ein Farbfilmlabor für 35mm und 16mm Film mit dem Standort Wien für die Begleitung des Produktionsprozesses und direkte Kommunikation mit den Laborangestellten, um Umwege über Institutionen zu vermeiden.“
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