Im Juli 2021 war Elisabeth Schweeger zur künstlerischen Leiterin der Kulturhauptstadt 2024 ernannt worden. Und dann bahnte sich in Bad Ischl ein Umsturz an. Denn bei der Bürgermeisterwahl am 26. September erhielt Ines Schiller, die das Amt 2019 von ihrem Lebenspartner Hannes Heide übernommen hatte, nur 37,6 Prozent der Stimmen; ihr Herausforderer Hannes Mathes – ein Überläufer – kam auf 36,6 Prozent. Doch die Stichwahl im Oktober konnte die SPÖ-Bürgermeisterin knapp für sich entscheiden. Und so blieb alles beim Alten – auch in der Struktur der Kulturhauptstadt-GmbH.
Die Fäden im Hintergrund zieht daher weiterhin Heide, der zwölf Jahre lang mit überwältigendem Erfolg Bürgermeister gewesen war, bevor er nach Brüssel ging. Ohne sein Engagement wäre Ischl wohl nicht zusammen mit dem Salzkammergut Kulturhauptstadt geworden. Das Einzige, was man dem Aufsichtsratsvorsitzenden vielleicht vorwerfen kann, war im Oktober 2020 die Bestellung von Stephan Rabl.
Das Ende der Originale
Der ehemalige Leiter des Dschungels in Wien traf bis zur Abberufung im März 2021 eigentlich nur eine Entscheidung – und die war fragwürdig: Er ließ den Titel in „Die Originale“ umbenennen. Schweeger, seit November im Amt, machte sie rückgängig.
Mittlerweile ist die altgediente Kulturmanagerin und Kuratorin eingearbeitet. Sie hat sich eine Wohnung im Zentrum von Bad Ischl genommen: „Ich schau auf das Wohnhaus des Komponisten Oskar Straus. Wien bleibt aber mein Hauptwohnsitz.“
Und sie hat mit vielen Beteiligten gesprochen, mit Veranstaltern, Künstlern, Touristikern, dem Szenekoch Krauli, Landeshauptmann Thomas Stelzer und den Bürgermeistern der insgesamt 22 „sehr eigenwilligen“ Gemeinden, die am Projekt der „Bannerstadt“ Ischl mitarbeiten, darunter vier aus dem steirischen Teil des Salzkammerguts (Bad Aussee, Altaussee, Grundlsee und Mitterndorf).
„Ich kenn’ ja das Terrain“, sagt sie. Denn ihre Tanten lebten in St. Gilgen. „Trotzdem schaue ich jetzt anders auf das Salzkammergut – nach 30 Jahren in Deutschland.“ Schweeger, Jahrgang 1954, leitete ab 1993 den Marstall in München, von 2001 bis 2009 das Frankfurter Schauspielhaus, danach die KunstFestSpiele in Hannover. „Das Salzkammergut hat viele versteckte Geschichten. Man macht Türen auf und staunt.“
1.070 Vorschläge
Auf einen „Open Call“ gingen unfassbare 1.070 Projektvorschläge ein. Es scheint, dass aus der Vergangenheit nichts gelernt wurde. Denn bereits für Graz 2003 hatte es einen solchen Wettbewerb gegeben. Der damalige Intendant Wolfgang Lorenz beteuerte zwar, die ansässige Künstlerschaft einbinden zu wollen; im Endeffekt realisierte er aber nur einen Bruchteil der eingereichten Ideen, was für Frustration und Unmut sorgte.
„Ich hätte den Open Call vielleicht anders gestaltet“, sagt Schweeger. Nun gelte es, das Beste daraus zu machen. Mit ihrem sechsköpfigen Team hat sie bereits alle Einreichungen gesichtet. „Wir werden sie im Mai öffentlich präsentieren – auf einem ,Marktplatz der Ideen‘.“
Es gehe darum, Kontakte zur Wirtschaft und zu Förderern herzustellen. „Ich hoffe, dass sich einige Synergien ergeben. Und wir schauen, wie wir Projekte vernetzen können.“ Denn das Budget ist mit 26 Millionen Euro „nicht so groß“. Und ein Gutteil muss für jene Projekte verwendet werden, die im Bewerbungsbuch angeführt sind.
Mit den Leitlinien „Macht der Tradition“, „Kraft der Gegenkultur“, „Durst auf Rückzug“ und „Auswirkungen des (Hyper)Tourismus“ – kann sich Schweeger identifizieren. „Dass man z. B. den Mut aufbringen will, sich der Vergangenheit zu stellen, um in die Zukunft zu schauen: Das find’ ich spannend!“
Vorrangiges Ziel sei es, den ländlichen Raum zu entwickeln: „Im Sommer ist viel los, im Frühjahr und Herbst aber nicht. Was kann man tun, damit die Menschen nicht nur saisonal Arbeit haben, sondern ganzjährig?“
Auch wenn es bis zum Ausbruch der Pandemie in Hallstatt extremen Tourismus gab, sei es kein Ansatz, den Fremdenverkehr abzudrehen: „Es geht vielmehr darum: Wie kann man ihn weiterentwickeln?“ Anbieten würden sich Kulturtourismus in der Vor- und Nachsaison und vielfältige Angebote für längere Aufenthalte: „Davon profitieren alle.“ Und es würden vielleicht nicht mehr so viele junge Menschen wegziehen.
Daher verlangt Schweeger Nachhaltigkeit: „Ich lege ein Hauptaugenmerk darauf, dass die Projekte nach 2024 bestehen bleiben.“ Es geht daher auch um Verbesserungen der Infrastruktur, die allerdings nicht aus dem Budget der Kulturhauptstadt finanziert werden dürfen.
Das Stephaneum in Bad Goisern, seit dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen geschlossen, soll revitalisiert werden: „Die Diözese ist daran interessiert“, sagt Schweeger. „Die Kunstuniversitäten von Linz und Graz könnten dort Programme für den Übergang vom Studium in das Berufsleben anbieten.“
Ein Krippenmuseum
Auch Lauffen, auf halbem Weg zwischen Bad Goisern und Bad Ischl an der Traun, soll aufgewertet werden: Der deutsche Investor Peter Löw hat mehrere halbverfallene Häuser erworben, die nun im Rahmen seines „European Heritage Projects“ renoviert werden. Geplant sind u. a. die „Nutzung des Kirchplatzes als Markt und Veranstaltungsort“, die „Wiederaufnahme der historischen Wallfahrt“ sowie ein Krippenmuseum.
In Ischl will man das Lehartheater, gegenwärtig ein Schandfleck, instandsetzen: „Die Gemeinde hat sich mit den Besitzern geeinigt, die das Gebäude gerettet haben. Denn sonst wäre daraus ein Kaufhaus geworden“, erzählt Schweeger. „In den letzten Jahren wurden Befundungen gemacht, das Bundesdenkmalamt hat zu den Plänen seinen Segen gegeben. Ich glaube, dass die Sanierung bald auf Schiene ist.“ Sie geht davon aus, das Theater 2024 nutzen zu können.
Man denkt auch an eine Neuaufstellung des verstaubten Stadtmuseums. Und das ehemalige jüdische Leben soll im Programm eine wichtige Rolle spielen; der Antisemitismus samt den Enteignungen in der NS-Zeit stand bereits im Vorjahr im Zentrum des „Festivals der Regionen“, das Airan Berg bewusst im Salzkammergut ausgerichtet hatte. Zudem werde die Widerstandskämpferin Resi Pesendorfer ein Denkmal bekommen. Den Sisi-Kult hingegen will Schweeger nicht befördern: „Wenn man an Klischees festhält, ist der Blick in die Zukunft unmöglich.“
Für ein abgerundetes Programm sei „noch viel Tüftelarbeit notwendig“, sagt Elisabeth Schweeger. Und verspricht: „Im Herbst werden wir das grobe Gerüst haben.“
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