Kultur in der Krise 1: Angst vor leeren Töpfen

Kultur in der Krise 1: Angst vor leeren Töpfen
Der KURIER erklärt in einem neuen Schwerpunkt, warum in der Kultur derzeit Krisenstimmung herrscht.

Massive Schwierigkeiten“ drohen dem Theater in der Josefstadt – auch wenn das Haus derzeit „wirtschaftlich gut dasteht“, wie Direktor Herbert Föttinger betont. Aber heuer werden die „letzten Rücklagen aufgelöst, um die kollektivvertraglichen Lohnerhöhungen für unsere 360 MitarbeiterInnen zu finanzieren“. Und im kommenden Jahr hilft nur noch eines: mehr Geld von Stadt und Bund, um steigende Personalkosten aufzufangen.

Nicht nur Föttinger findet derzeit deutliche Worte: Zahlreiche österreichische Kulturinitiativen haben in den vergangenen Wochen ein zunehmend düsteres Bild ihrer finanziellen Lage gezeichnet.

Schatten

Dabei geht es nicht nur um Subventionskürzungen. Die Eurokrise und drohende Sparpakete werfen lange Schatten auf die Kulturwelt, obwohl sich bisher kaum etwas an der tatsächlichen Höhe der Fördermittel geändert hat.

Das Kulturministerium und auch die Stadt Wien (als größte Geldgeber) haben für 2012 mehr oder weniger unveränderte Budgets. Große Projekte wie die Wiedereröffnung des 21er Hauses konnten zuletzt verwirklicht werden.

Doch die Krisenstimmung ist spürbar – auch wenn Krisendiskussionen von vielen Kulturschaffenden nicht gerne gesehen werden. Mehrere Institutionen wiesen aber zuletzt lautstark darauf hin, dass es bei ihnen nichts mehr zu kürzen gibt – im Gegenteil: Jahrelang abgefangene Kostensteigerungen u. a. beim Personal werden nun zum unüberwindbaren Problem. Und die soziale Lage der Künstler sei schlecht wie nie.

Diese jüngste Häufung an Hilferufen aus der Kulturszene geht weit über das gewohnte Maß hinaus. Daher wird der KURIER in den kommenden Wochen der finanziellen Lage der Kultur einen Schwerpunkt in der Berichterstattung widmen.

Im Überblick zeigt sich, wie umfangreich die Liste an Kulturinstitutionen ist, die sich vor finanziellen Bedrohungsszenarien sehen. Die Wirtschaftsentwicklung lässt erwarten: Mehr Geld für Kultur wird es so bald nicht geben.

Die Politik hält fest, dass konstante Budgets in Krisenzeiten als Erfolg zu sehen seien. Ministerin Claudia Schmied betonte jüngst, dass es „unrealistisch“ sei, dass vom Bund zusätzliche Finanzierungsaufgaben übernommen werden. Doch das vorhandene Geld reicht zunehmend nicht mehr für alle.

Die soziale Lage der Künstler ist von Prekariat, Teilzeitarbeit, Arbeitslosigkeit geprägt; laut einer großen Sozialstudie Schmieds (2008) betrug das Einkommen aus künstlerischer Arbeit im Mittel 4500 Euro netto – im Jahr.

Und in finanziell engen Zeiten blüht der Verteilungskampf: Die vergleichsweise großzügigen Mittel, die in Wien, Graz oder Salzburg in die großen Institutionen fließen, sind für viele kleine Stein des Anstoßes.

Die Krise hat die Kultur erreicht.

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Sparen bei Kultur ist „Realität“

„Wir müssen der Realität ins Auge schauen“, sagt der Leiter des Linzer Computerkunstfestivals Ars Electronica, Gerfried Stocker, zum KURIER: Eine Million Euro weniger gibt es heuer von der Stadt Linz. Stocker: „Diese Kürzung aufzufangen ist nur möglich, weil wir in den vergangenen Jahren bei Dritt- und Projektmitteln, Vermietungen, Auslandsprojekten sehr erfolgreich waren.“

Mit dieser Kürzung ist Linz nicht alleine. Kleine und große Institutionen stehen vor finanziellen Herausforderungen: Die Bundestheater müssen bis 2015 12,4 Millionen Euro sparen oder zusätzlich einnehmen. „Anhand des Geldes, das man uns gibt, definiert man den Leistungskatalog“, sagte Burg-Chef Matthias Hartmann jüngst. „Ich würde auch in einer Garage weiter Theater machen, ohne Geld.“

Auch die Vereinigten Bühnen Wien, millionenschwer dotierter Reibebaum der freien Szene, haben seit 2008 einen Subventionsrückgang um zehn Prozent (rund 4 Millionen Euro pro Jahr) verzeichnet. Der Carinthische Sommer wird heuer wegen „massiver Kürzungen durch das Land“ Kärnten letztmalig eine Kirchenoper produzieren. Jede weitere Budgetreduktion beim steirischen herbst wäre „fatal“, ließ Leiterin Veronica Kaup-Hasler nach dem Vorjahres-Festival wissen.

Mehrere neu gegründete Initiativen wie Kunst hat Recht oder die Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser in Wien verweisen auf ungleich verteilte Förderungen, die schlechte soziale Lage von Künstlern oder sinkende Einnahmen im Internetzeitalter.

Selbst Institutionen, deren Subventionen gleich bleiben, sehen sich bedroht: gesetzlich vorgeschriebene Gehaltsanpassungen verkleinern nach und nach den Spielraum für die künstlerischen Ausgaben. Und nominell gleich hohe Förderungen sind durch die Inflation Jahr für Jahr weniger wert. Darüber klagt u. a. das Wiener Konzerthaus seit Jahren; das Kunsthistorische Museum, das eine große Zahl von Wissenschaftlern beschäftigt, spürt die Veränderungen besonders stark.

Sponsorenausfälle, wie sie die Filmfestivals Diagonale und Crossing Europe hinnehmen mussten, sind in engen Situationen besonders schwierig zu kompensieren. Besucherrückgänge bei den Museen lassen erahnen, dass die Wirtschaftskrise zunehmend auch bei den Börserln des Publikums ankommt.

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