Kruder & Dorfmeister: Das Echo des Wiener Sounds
Die Antwort lautet: Nein. Kruder und Dorfmeister geben gemeinsam keine Interviews. Und einzeln? Nein! Man bitte um Verständnis, so das Management auf KURIER-Anfrage. Okay, die beiden Wiener Produzenten sind also noch immer redefaul. Auch zum 25-jährigen Jubiläum ihrer ersten und mittlerweile legendären EP „G-Stoned“ wird harmonisch geschwiegen. Dafür lassen sie lieber ihre Beats sprechen – mit einem drei Stunden dauernden audiovisuellen DJ-Set, das Peter Kruder und Richard Dorfmeister am 25. und 26. November im Wiener Konzerthaus (gediegen und bestuhlt) zelebrieren werden.
Die als „An Evening with Kruder & Dorfmeister“ angekündigten Abende kann man durchaus als rare Auftritte bezeichnen, denn die beiden Wiener Produzenten gehen schon seit Jahren getrennte Wege. Nur hin und wieder, dann, wenn es etwas zu feiern gibt oder wieder ein bisschen Geld aufs Bankkonto soll, schickt man sich Sound-Files hin und her oder trifft sich persönlich, um gemeinsame Sache zu machen.
Gegenkonzept
Aber warum widmet man Kruder & Dorfmeister eine Seite in der Zeitung, werden sich einige (vor allem jüngere) Leser fragen. Warum diese Aufmerksamkeit, wenn die letzte relevante gemeinsame Veröffentlichung 20 Jahre zurückliegt?! Nun gut: Ende der 90er-Jahre fehlten die Tonträger der beiden Musiker in keiner gut selektierten Plattensammlung. Auf die Spotify-Generation umgemünzt heißt das: Die Arbeiten von Kruder und Dorfmeister waren damals in jeder Wohnungsparty-Playlist gesetzt. Vor allem bei der Aufwärmphase der Sause wirkten sie stimmungsaufhellend und unterhaltungsfördernd. Für die Primetime waren sie stattdessen zu lahm: Denn die mit Beserlschlagzeug, Klavier, Flöten, Kontrabass und im Chill-out-Modus daherkommenden Tracks gehen nämlich nicht über die 110 Beats per Minute hinaus. Das ist eher etwas für den Seidenpyjama als fürs Discohoserl. Damit lieferten sie Anfang der 90er-Jahre, als Eurodance-Kracher wie „Rhythm Is A Dancer“ (Snap) die Charts stürmten und Techno gerade im Mainstream angekommen war, ein willkommenes Gegenkonzept zu Böller-Beats und Happy Hardcore.
„Diese Early-Rave-Days waren wirklich nicht unser Ding. Wir waren beide genug auf Raves und die waren auch riesengroß. Aber der Techno, der zu dem Zeitpunkt bei uns gespielt wurde, das war nicht der Techno, den ich und Richard verstanden haben“, sagt Peter Kruder in einem Interview, das er kürzlich detektor.fm gegeben hat. Interview? Ähm, ich dachte, man gibt keine ...
Egal. Wesentlich konsequenter waren die beiden stets in Sachen Klangästhetik. Ihre Tracks hatten ein Alleinstellungsmerkmal, einen Wiedererkennungswert, hoben sich aus der Masse hervor. Es sind entspannte Instrumentalstücke zwischen Jazz, Dub und Hip-Hop, die nie stören, nie ungut auffallen – und deshalb auch auf der ganzen Welt so gut ankommen. Es ist Musik, die einem in Hotels beim Frühstücksbuffet oder Afterwork-Umtrunk in schicken Bars begleitet.
Weltkarriere
Die Musik der zwei mittlerweile über 50-Jährigen war und ist aber viel mehr als nur der „Carpe Diem“-Soundtrack zum gepflegten Abhängen, in ihr steckt unglaublich viel Liebe zum Detail. Nach dem Welterfolg der EP „G-Stoned“ ließen sie kein konventionelles Album folgen, sondern lieferten ein enorm erfolgreiches Mixtape („The K&D Sessions“, 1998), fertigten Remixe für Madonna und Depeche Mode und absolvierten gut bezahlte DJ-Jobs rund um den Globus – vom Schlafzimmerstudio in der Wiener Grundsteingasse rauf auf die großen Pop-Bühnen dieser Welt. Kruder und Dorfmeister schafften es in den Neunzigerjahren, Wien vom Popmusik-Importeur zum -Exporteur zu machen – das Genre „Vienna Sound“ war damit geboren. Eine Marke, die bis in die frühen Nullerjahre nicht nur in Wien (man erinnere sich an die „Dub Club“-Abende im Flex), sondern weltweit gefeiert wurde – Wien war damals tatsächlich Hotspot in Sachen elektronischer Musik.
Der Wind drehte sich wieder, denn der zum Herumhängen geeignete Sound wurde von Restaurantleitern und Hotelmanagern entdeckt – fortan wurde er bei Sektempfängen zu Fingerfood gereicht. Das erhöhte zwar bei K&D und anderen Downtempo-Produzenten den Kontostand, war aber künstlerisch nicht das, was man wollte. „Man lernt nach so vielen Jahren, damit zu leben. Erst war es Downbeat, dann Wiener Elektronik, darauf folgte Trip-Hop, danach ging’s runter und hieß abwertend Hotel-Lobby-Sound und Kaffeehaus-Musik“, kommentierte Dorfmeister einmal das „Lounge“-Etikett, das ihnen angehängt wurde. Es führte dazu, dass K&D ab 2000 getrennte Wege gingen, der heiß ersehnte Longplayer blieb aus. Stattdessen veröffentlichten beide mit ihren Folgeprojekten (Tosca, Peace Orchestra, Voom Voom) Soloalben. Kommt jetzt das gemeinsame Album noch? Keine Ahnung. Keine Interviews.
Tipp: Der ursprünglich als einziger Wien-Termin angekündigte Abend am 26. 11. ist längst ausverkauft. Für die eingeschobene Zusatzshow am 25. 11. waren bei Redaktionsschluss noch Karten zu haben.
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