Kritik - Nestroys "Lumpazivagabundus"

Nestroys "Lumpazivagabundus" in derJosefstadt, versuchsweise realistisch gedeutet: Interessant und ein bisschen fad.

Zauberposse mit Gesang: So lautet die Genrezuordnung von Johann Nestroys Klassiker "Der böse Geist Lumpazivagabundus". Regisseur Georg Schmiedleitner zeigt das Stück fast ohne Zauber, ohne Possen und ganz ohne Gesang. Viel bleibt da leider nicht übrig. Aber das, was übrig bleibt, ist interessant.

Das Feenreich ist jetzt ein schäbiges Altersheim, wo die Zauberwesen senil herumsitzen und gelangweilt ihre Wette auf die Lebenswege dreier Handwerker abschließen: Was ist stärker, das Geld oder die Liebe?

Die Antwort wird am Ende lauten: weder - noch, sondern die Spießigkeit.
Dass Schmiedleitner diese vergreisten Geister von gestandenen Alt-Josefstädtern wie Lotte Ledl oder Gideon Singer spielen lässt (die auch ordentlich "josefstädtern" beim Sprechen), mag eine böse Pointe sein. Denn die sich anschließende, brutal auf zwei Nettostunden eingestrichene Aufführung hat nichts mit dem zu tun, was hier früher unter dem Titel Nestroy so lief.

Gollum

Erni Mangolds kahler, gleichermaßen an die Eisleiche Ötzi wie an die Filmfigur Gollum aus "Herr der Ringe" erinnernder Lumpazivagabundus weist die Richtung: Wütend krächzt er seine Flüche - und sorgt persönlich dafür, dass auch später so viel wie möglich schiefgeht.
Leider geht auch auf der Bühne gleich einiges schief: Das "liederliche Kleeblatt" Rafael Schuchter (Leim), Florian Teichtmeister (Zwirn) und Martin Zauner (Knieriem) findet keinen Rhythmus. Da kommt jeder Satz entweder zu spät oder zu früh. Nach der Pause spielen alle drei viel stärker und haben schöne Momente.

Schmiedleitner räumt Nestroy die (auch zensurbedingte!) Kitschschicht herunter: Knieriem ist kein lustiger Zecher mehr, sondern ein schwer kranker Alkoholiker; Zwirn ein uncharmanter Notgeiler; Leim ein haaröliger Tugendstaatssekretär, der seine Freunde in ein kaltes Spießerleben zwingt. Alles starke Ideen. Und das berühmte Kometenlied wird nicht gesungen (auch nicht aktualisiert), sondern in verzweifeltem Brüllton gerappt.

Interessanterweise wird das Stück dadurch nicht nur realistischer, sondern auch fader. Vielleicht braucht es bei Nestroy ja die Zuckerglasur, damit das darunter liegende Aas umso mehr schrecken kann. Jubel, aber auch Angst- und Duldungsstarre im Publikum.

KURIER-Wertung: **** von *****

Fazit: Wechselhaft in jeder Hinsicht

Stück: Drei Handwerker gewinnen im Lotto, zwei bringen ihr Geld rasch durch, einer baut sich sein bürgerliches Glück.

Inszenierung: Betont uncharmant. Die berühmte Briefszene ist, wohl als Kompromiss, ganz klassisch schenkelklopferisch.

Spiel: Wechselhaft.

Musik:
Die Sofas Surfers sind gut, aber fast zu zahm.

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