Kritik: Diese Woche ist noch niemand gestorben

Das TAG erinnert an die große, grimmige Elfriede Gerstl.

Von einem ungeheuren Theaterskandal ist zu berichten: Ihr Rezensent wurde zu Beginn der Vorstellung von „wannst ned sterbst sehn ma uns im nächsten herbst“ im TAG in Wien-Gumpendorf von einem Sektkorken am Knie getroffen und beinahe tödlich verletzt.
Andererseits: Wenn es der Kunst dient, nimmt man gerne Opfer auf sich.

Die Theatermacherinnen Johanna Orsini und Martina Spitzer haben sich nicht weniger als die Wiederentdeckung der 2009 verstorbenen großen Dichterin Elfriede Gerstl vorgenommen. Ein wichtiges Unterfangen. Gerstls Freundin Elfriede Jelinek hat ja gesagt: „Ich verlange, dass die Werke Elfriede Gerstls die nächsten hundert Jahre (und noch viel länger) gelesen werden.“
Orsini und Spitzer sitzen in einem „prekären“, aus wackligen Tischen und widerspenstigen Kabeln zusammengebauten Radiostudio und moderieren eine Sendung über Gerstl, zwischen den Beiträgen spielen sie Musik von Ella Fitzgerald und den Beatles, brühen Kaffee, kochen Eier und hacken Schnittlauch. Ob ihnen außer ihnen selbst überhaupt jemand zuhört, ist unklar – und auch nicht so wichtig.

In Dialogform arbeiten sich die Darstellerinnen (und Regisseurinnen) durch Gerstls Texte: Gedichte, „Hörstücke“, Gedankenfragmente.  Immer wieder zu spüren: Die grimmige Entschlossenheit Gerstls, den Unerfreulichkeiten des Lebens Humor entgegenzuhalten: „Es kann nichts Gutes sein, wenn man das Beste daraus machen muss.“ – „Fernsehkrimi: Zuerst kennt man sich nicht aus und dann ist es fad.“ – „Diese Woche ist noch keiner gestorben, lass uns morgen wieder telefonieren.“

Gesungen wird auch – ein fantastisch durchgeknalltes Stück namens „Ich bin ja so normal“. Ein toller Abend.

Kommentare