"Wotruba International": Ein Familientreffen der modernen Bildhauerei

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Eine elegante Schau zeigt den Bildhauer, der wie kein zweiter Österreichs Nachkriegskunst prägte, im Kreis Gleichgesinnter.

Wenn es um das Werk von Fritz Wotruba (1907–1975) geht, ist die Grenze zwischen Kunstgeschichte und Zeitgeschichte nicht zu ziehen. Seine oft aus Blockelementen aufgebauten Skulpturen, Plastiken und Reliefs, denen bis heute an öffentlichen Plätzen und in Skulpturengärten zu begegnen ist, sind gleichsam durch die Kräfte geformt, die Österreich in der Nachkriegszeit prägten.

Wotruba verkörperte das Aufholen zur Moderne, hinter der die junge Republik durch das NS-Regime und die Zerstörungen des Krieges zurückgeblieben war. Seine Figuren versprachen Klarheit und Stabilität nach Zeiten der Unruhe, waren aber auch Reibebäume für Konservative und Altnazis, die die Nachkriegsgesellschaft weiter stark prägten.

Die Ausstellung „Wotruba International“ (bis 11. 1.) passt so gesehen zu den Jubiläen von Kriegsende und Staatsvertrag, und sie passt nicht zuletzt ins Belvedere 21: Dessen Ursprungsbau, von Karl Schwanzer für die Weltausstellung 1958 konzipiert, bestückte der Bildhauer einst mit Reliefs, später hatte er hier seine erste große Solo-Schau in Wien.

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Entösterreichert

Und doch wollen die Kuratorinnen Verena Gamper und Gabriele Stöger-Spevak den Bildhauer, der auch als Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste die heimische Szene massiv prägte, bewusst „entösterreichern“: Denn es war der vor dem Krieg aufgebaute und im Schweizer Exil ausgebaute internationale Ruf, der den Sockel für Wotrubas Status in seiner Heimat bildete.

Die Schau, der intensive Recherchen in dem seit 2011 ans Belvedere angedockten Wotruba-Nachlass vorausgingen, erzählt von diesen Netzwerken in einem eleganten Parcours, der maßgebliche Wotruba-Werke mit ausgewählten Arbeiten internationaler Zeitgenossinnen und Zeitgenossen paart.

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Viele von ihnen kannte Wotruba persönlich: So äußerte sich der Franzose Aristide Maillol, dessen Frauenakt „Gefesselte Aktion“ (1905) am Eingang empfängt, 1937 in Paris anerkennend über Wotrubas „Torso“ (1928/’29) – was dieser zum Eigenmarketing auch gleich auszuschlachten wusste.

In der Folge war Wotruba bei internationalen Ausstellungen präsent – bei mehreren Venedig-Biennalen, den frühen documentas in Kassel, der Überblicksschau „New Images of Man“ im New Yorker MoMA 1959. Seine Werke trafen dort auf jene von Alberto Giacometti, Henry Moore, Germaine Richier oder Louise Nevelson.

Die Wiener Schau vollzieht einige Paarungen exakt nach – und gibt damit über den Wotruba-Fokus hinaus einen generellen Einblick in die Bildhauerei um 1950.

Distanziert

„Laufstege“ aus Pappe, die die schweren Objekte locker tragen, wecken dazu Assoziationen zu Steinbrüchen ebenso wie zu Archivboxen. Das schafft sanfte Distanz und hilft, zu erspüren, welche Aspekte dieser Kunst heute noch zu uns sprechen. Klar ist: Das Skulpturenverständnis der Nachkriegsmoderne sollte sich selbst als der staubige Monolith erweisen, an dem sich neue Bildhauer – von Franz West bis zu Erwin Wurm – rieben.

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