„Lächerlichkeit geh weg aus Wien“: Dreimal Erwin Wurm in Oberösterreich

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Der Starkünstler machte von seinem Rückkaufsrecht für die ans Parlament gelieferten Skulpturen Gebrauch. Damit endet eine Posse.

Am 6. August wird das Transportunternehmen Kunsttrans die beiden Skulpturen von Erwin Wurm abholen, die erst im Oktober 2024 im Oberen Vestibül beim Eingang zur Säulenhalle des Parlaments aufgestellt worden waren.

Damit findet ein ruhmloses Kapitel sein Ende. Denn der Künstler, weit mehr als nur Bildhauer, hatte die Werke zu einem äußerst günstigen Preis (240.000 Euro exklusive Mehrwertsteuer) weit unter Marktwert verkauft. Jeder halbwegs kunstinteressierte Mensch hätte die Geste zu schätzen gewusst. Nicht so Walter Rosenkranz, wiewohl der Nationalratspräsident einst Kultursprecher seiner Partei (FPÖ) war.

Oberhoheit

Über den Ankauf hat der KURIER eingehend berichtet: Nach der umfangreichen, äußerst kostspieligen Sanierung und Modernisierung sollte das Parlamentsgebäude mit zeitgenössischer Kunst ausgestattet werden. Und Hans-Peter Wipplinger, Chef des Leopold Museums, vergab als vom damaligen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) beauftragter Kurator etliche Aufträge.

Klar war von Anfang an, dass einer auch an Erwin Wurm gehen sollte. Die Idee einer großen Plastik vor dem Parlament ließ sich nicht realisieren – mehr oder weniger aus Kleingeisterei. So kam es, dass Sobotka zwei Skulpturen aus der Serie „Skins“ für das Vestibül ankaufen ließ.

Im Oktober 2024 war klar, dass Rosenkranz auf Sobotka folgt. Und Wurm ahnte, was folgen könnte: dass der FPÖ-Hardliner die Skulpturen verräumen oder verkaufen lässt. „Ich wollte aber nicht die Oberhoheit über meine Werke verlieren“, erklärt Wurm gegenüber dem KURIER. „Ich habe daher – unüblicherweise – auf eine Rückkaufsklausel im Vertrag bestanden.“ Und diese habe er geltend gemacht. Dass er mit Rosenkranz, der sich abfällig über den Ankauf geäußert hatte, gesprochen habe, stellt er in Abrede: „Das ist ein Blödsinn!“ Die Rückabwicklung erfolgte per Mail mit dessen Mitarbeitern.

Die Aktion kostet den Staat neben dem Reputationsverlust auch Geld: Der Steuerzahler hat den Abtransport der Skulpturen zu bezahlen. Und Wurm setzte ein klares Statement: Eine der beiden weiß lackierten Alu-Skulpturen, „Gate“ (aus 2021), schenkte er Düsseldorf für den dortigen Kunstpalast. Die andere, „Holding Up“ (2022), geht an einen Sammler in der Steiermark.

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Modellierte in Gmunden: Erwin Wurm

Wurm nimmt die Provinzposse gelassen: „Ich habe derart viel Erfolg im Ausland. Den genieße ich.“ Am 27. Juli lässt er sich in Salzburg feiern, wo seine Selbstporträts als (phallisches) Essiggurkerl am Rande des Festspielbezirks überaus beliebte Selfie-Motive sind: Galerist Thaddaeus Ropac eröffnet just an Wurms 71. Geburtstag am Standort Vilniusstraße 13 die Ausstellung „Mindset“. Auf der Einladungskarte ist vermerkt: „Der Künstler wird anwesend sein.“

Und Alfred Weidinger, Direktor des Oberösterreichischen Landesmuseums, führt Rosenkranz mit Wucht die Bedeutung von Wurm vor Augen: mit gleich drei Ausstellungen – im Kaiserpark samt Marmorschlössl von Bad Ischl, in der Manufaktur der Gmundner Keramik und im Francisco Carolinum in Linz.

Wo Wurm, da Gurkerl

Das Essiggurkerl ist dabei eine Konstante. Das auf Fotografie spezialisierte Francisco Carolinum widmet sich bis 7. 9. chronologisch den „Photographic Sculptures“: Die solide Aufarbeitung beginnt mit Fotocollagen und

-überarbeitungen in Schwarz-Weiß aus den 1980er-Jahren. Damals war der junge Künstler auf der Suche nach neuen Wegen. Ein Foto überschrieb er mit Filzstift: „Lächerlichkeit geh weg aus Wien …“

Kurzzeitskulptur

Aus den 1990ern stammen die leuchtend bunten Fotos, in denen sich Wurm mit der Veränderung von Kleidungsstücken am menschlichen Körper (Pullover!) auseinandersetzte: Seine Modelle nahmen absurde Posen ein und vollführten auch Schabernack mit den Textilien. Von da war es nur mehr ein kleiner Schritt zu den „One Minute Sculptures“ und den Handlungsanweisungen. Auf einem Farbfoto aus der Serie „Outdoor Sculpture“ (1998) sieht man die nackten Beine einer Frau, die sich zwischen die Zehen je vier Essiggurkerln gesteckt hat.

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Auch wenn der Künstler damit das Verständnis dessen, was Skulptur ist, weit dehnte, so behielt er doch die klassischen Funktionen der Kunstform im Auge: Das zeigt sich in Bad Ischl, wo ein Best-of seiner Großplastiken bis 26. 10. den Park der Kaiservilla ziert.

Wurms „Fat House“, ein aus den Fugen geratenes Durchschnittshaus, steht da wie der pummelige Bruder neben dem Marmorschlössl. Edles wird banal, Banales edel – und die Lust, die Umwelt bildwürdig zu machen, bildet eine Klammer zum Instagram-Zeitalter. Denn auch eine Gurke vor der Kaiservilla ist ein schönes Motiv.

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Kopfplastik in der Keramikmanufaktur Gmunden - mit Gurkerl

Essiggurkerln tauchen auch in den klumpenartigen Kopfplastiken auf, die Wurm in der Keramik-Manufaktur Gmunden geschaffen hat: Er steckte sie z. B. in angedeutete Münder. Mit diesen neuen Arbeiten vermag der Künstler durchaus zu überraschen.

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