"kreuz & quer"-Chef: "Ohne Quote ist eine Doku nicht gelungen"

"kreuz & quer"-Chef Christoph Guggenberger.
Christoph Guggenberger, Chef der ORF-Sendereihe „kreuz & quer“, im Gespräch über Religion im Fernsehen, Quoten und Algorithmen.

KURIER: Religion ist laut jüngster Wertestudie kein zentraler Lebensbereich der Österreicher mehr. Schlechte Nachrichten für das Format „kreuz & quer“?

Christoph Guggenberger: Ich möchte die Studie nicht anzweifeln, aber ich bemerke keinen Zuschauerrückgang. Sobald man eine umfassende Sicht der Dinge zulässt, ohne missionsartigen Charakter und ohne in eine gewisse Richtung zu lenken, funktioniert eine Doku. „kreuz und quer“ ist auch keine klassische Religionssendung, sondern ein Format, das sich mit Haltungen, Ethik, Werten und damit auch mit Religion beschäftigt.

Sie sind seit 15 Jahren Chef von „kreuz & quer“. Wie hat sich das Format verändert?

Die Zuschauer interessieren sich zunehmend für den Gegensatz zwischen materiellen und immateriellen Werten, aber auch für Beziehungsthemen oder die Frage nach dem Sinn im Leben. Und es sind auch neue Themen dazugekommen wie z.B. gesellschaftliche Fairness, Gentechnik oder die Frage nach dem Umgang mit Daten und Algorithmen.

Wie passt denn das zu einer Sendung wie „kreuz & quer“?

Wenn ein Computersystem so etwas wie denken kann, muss man sich überlegen: Was ist, wenn das System auch selbstständig handeln kann? Dann stellt sich für uns irgendwann die Frage nach dem Begriff der Seele.

"kreuz & quer"-Chef: "Ohne Quote ist eine Doku nicht gelungen"

Christoph Guggenberger.

Der ORF hat den Auftrag, sich mit allen Religionsgemeinschaften in Österreich zu beschäftigen. Wie regeln Sie das anteilsmäßig?

Es gibt Dokus, die klar ein konfessionelles Thema abdecken, hier versuchen wir, ausgewogen zu sein. „kreuz & quer“ ist ein Format für alle unsere Gebührenzahler. Wir haben Zuschauer, die sich für klassische Religionsthemen interessieren genauso wie Agnostiker oder Atheisten. Daher muss unser Programm so spannend sein, dass es die anderen auch interessiert. Das ist die Kunst. 

Sie behandeln da gesellschaftlich wichtige Themen. Ist halb elf am Abend nicht ein undankbarer Sendeplatz dafür?

Natürlich ist es spät, aber der Sendeplatz hat auch einen großen Vorteil, denn um diese Uhrzeit können wir ein bisschen mehr ausprobieren. Ich lege viel Wert darauf, dass wir Experimente wagen. Das können wir uns quotenmäßig leisten, aber wir müssen es uns auch leisten.

Widerspricht der Blick auf die Quoten nicht dem Gedanken von „Public Value“, von Qualitätsinhalten?

Eine Doku, die einen wichtigen Inhalt hat, aber keine Quote, ist nicht gelungen. Wir haben den Auftrag, auch das Publikum zu erreichen. Das macht’s für uns ein bisschen schwieriger, aber das ist auch der Spaß an der Arbeit.

Sie haben Biochemie studiert – wie sind Sie zu „kreuz & quer“ gekommen?

Ich habe mich auch in der Biochemie immer dafür interessiert, welche Konsequenzen das Handeln der Wissenschaft hat – etwa bei Fragen der Reproduktionsmedizin. Was wird man sich in Zukunft genetisch alles aussuchen können, wenn es darum geht, Kinder zu bekommen? Dürfen wir alles, was wir können? Eine äußerst spannende Thematik, von der ich weiß, dass sie auch unser Publikum interessiert.

Zur Person

Christoph Guggenberger ist seit 2003 Sendungsleiter des ORF-Formats „kreuz & quer“. Studium der Biochemie, danach war er u. a. beim KURIER und beim Radio tätig.

Zur Sendung

„kreuz & quer“ läuft immer dienstags um 22.35 Uhr in ORF2. Für die heutige Doku (Dienstag, 13. November) "Mein neues Leben" hat Filmemacher Zoran Dobric den aus Afghanistan stammenden Noorullah Qureshi begleitet. In seiner Heimat wurde Qureshi mit dem Tod bedroht, nun möchte er sich in Österreich ein neues Leben aufbauen. Nach dem positiven Asylbescheid beginnt für ihn erst einmal ein bürokratischer Hürdenlauf – Behördenwege, AMS-Kurse, Job- und Wohnungssuche.

"kreuz & quer"-Chef: "Ohne Quote ist eine Doku nicht gelungen"

Noorullah Qureshi versucht, sich in Wien ein neues Leben aufzubauen.

Direkt im Anschluss um 23.25 Uhr wiederholt "kreuz & quer" eine Doku aus dem Jahr 2017: "Der Entscheider". Es ist die Geschichte von Qureshis Asylverfahren, erzählt aus der Perspektive des 33-jährigen Entscheiders, Florian Tschabuschnig, der als Angestellter des österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über den Verbleib des afghanischen Asylwerbers in Österreich entscheiden würde. Ein Blick hinter die „Kulissen“ des österreichischen Asylwesens. 


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