Zwischen schön und schiach liegt oftmals der Betrachtungswinkel. Von oben, also vom Penthouse in der Innenstadt aus betrachtet, ist Wien einfach nur bezaubernd. Traumhafte Kulisse, kaiserlich, sicher, sauber, (hoch)kulturell ansprechend und – wie uns eine internationale Managerumfrage seit Jahren versichert – die Stadt mit der besten Lebensqualität, in der sogar Pferde (nicht die im Leberkäse) in prunkvollen Räumlichkeiten residieren.
Von unten, also von der Sozialwohnung in Transdanubien aus betrachtet, ergibt sich natürlich ein gänzlich anderes Bild, das sich scheinbar auf die Grundstimmung (Wien ist die drittunfreundlichste Stadt der Welt) niederschlägt.
Man könnte folglich zur Diagnose kommen: Die Stadt ist bipolar. Einmal up, dann wieder down. Einmal Manie, dann wieder Depression. Einmal grau, dann wieder blau. Wien ist eben anders.
Raunzen
Aus der Sicht des Hip-Hop-Duos Kreiml & Samurai ist die positivste Seite des Wieners seine Negativität. „Drum is eh ollas fürn Oasch, trotz bester Lebensqualität. Wir raunzen übers Wetter, wuascht obs schee is oder regn’t. Und keppeln über Themen, die da eh keiner versteht...“ Diese Einschätzung stammt aus dem Song „Wiener“ und war einer ihrer bislang größten Erfolge – 800.000 Aufrufe bei YouTube belegen das. Der Song reiht sich in eine lange Liste von musikalisch humorigen wie bitterbösen Raunzerein und Sudereien von Künstlern wie Heller und Qualtinger, Ambros und Danzer. Aber ein echter Wiener, geht nicht unter, das wusste schon der Mundl.
Von dieser Kultfigur holen sich Kreiml & Samurai gerne auch die nötige Würze für ihre Texte. Das lässt sich auch auf ihrem vierten, kürzlich veröffentlichten Album mit dem Titel „Auf olle 4re“ nachhören. Darauf geht das Duo mit gewohnt breitem Wiener Dialekt an die Sache. In den zwölf neuen Songs wird der Grind berappt, Schmäh geführt, mit „denen da oben“ abgerechnet, ohne dabei das Niveau aus den Augen oder gar die Haltung zu verlieren.
Für das Klangbild ist Brenk Sinatra verantwortlich. Die Dienste des Beatbastlers und Produzenten aus Kaisermühlen schätzen nicht nur Kreiml & Samurai, sondern auch andere Rapper. „Zum Glück hatte er Zeit und Lust, mit uns zu arbeiten. Wir haben ihm musikalisch freien Raum gelassen. Er wusste, was wir auf dem neuen Album machen wollten“, sagt Kreiml dem KURIER. Und zwar gescheiten, aber gerne auch ranzigen Dialektrap, der von ins Jetzt übertragenen Oldschool-Beats (klingt nach Warren G, Dr. Dre, also nach US-Westküste der 1990er-Jahre) funky und nach vorne gepeitscht wird.
Grün und Violett
Die beiden Wiener – der eine Rapidler (Samurai), der andere Austrianer (Kreiml) – kennen sich bereits seit der Schulzeit und haben als Rapper eine gewisse Lust daran gefunden, Hässliches mit Herzlichem zu vermischen. Was auf den ersten beiden gemeinsamen Alben vielleicht noch etwas zu ungelenk klang, trägt seit dem Vorgängeralbum „Wuff Oink“ (2017) nun auch endlich Früchte. Eine gewisse Neuausrichtung in Sachen Inhalt und Dringlichkeit der Raps, das klare Bekenntnis zur Mundart und ihr ungeschönter Blick auf die Hauptstadt dürften geholfen haben, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.
Bei Kreiml & Samurai wird es nie zu klischeebeladen, nie zu „tiaf“, obwohl die Wortwahl gerne härter ausfällt. Klar wird dabei auch übertrieben. Davon lebt das Hip-Hop-Genre. Aber im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen besingen sie keine teuren SUVs, in denen man mit wenig Hirn auf dicke Hose machen kann. Von der Attitude her seien sie eher Punks als Gangsterrapper, sagt Samurai. Und so wird man auch nicht gegenüber Frauen ausfällig. Anstatt dauernd über das neue Gucci-Handtascherl und die freshen Sneaker zu rappen, politisiert man lieber am „Würstlstand“ bei einer „Eitrigen“, also einer Käsekrainer (natürlich mit süßem Senf, was sonst?!) und widmet dem „Boulevard“, der Polizei und Herbert Kickl ein paar Zeilen.
„Wir haben mit Marken und Luxus nichts am Hut, das ist nicht unsere Welt. Unsere Welt ist der Grind. Wir gehen lieber ins Tschocherl und trinken dort unser Bier. Wir sind inhaltlich ein Gegenstück zum gerade überall zu hörenden Deutschrap“, sagt Samurai.
Dialektrap
Kreiml & Samurai pflegen auf ihrem neuen Album „Auf olle 4re“ einen rohen Wiener Jargon. Produziert wurden die zwölf neuen Songs von Brenk Sinatra, einem weltweit gefragten Beatbastler aus Kaisermühlen
Tierisch
Der Schweinehund ist das Wappentier von Kreiml & Samurai. Er steht für Lebensgenuss und ist die Antithese zur Selbstoptimierung. Tiere scheinen es den beiden angetan zu haben. Denn das von ihnen mitbetriebene Musiklabel heißt Honigdachs, eine der besten Adressen des Landes, wenn es um anspruchsvollen Rap mit Lokalkolorit geht
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