2017 wurde die Sammlung Essl mehr oder weniger gerettet, das Museum allerdings geschlossen – und die Albertina durfte die Räumlichkeiten in Klosterneuburg als Lager und Werkstätte nutzen. Schröder ließ nun das Gebäude ertüchtigen, um es in ein Schaudepot umzuwandeln. Eine Genehmigung des Kulturministeriums sei dafür nicht vonnöten, sagt er. Dass die Lage nicht optimal sei, wisse er sogar mit Sicherheit. Aber die Sichtbarkeit werde erhöht. Und Kunst ist dazu da, betrachtet zu werden.
Anhand Georg Baselitz lässt sich der Sammlungszuwachs schön demonstrieren: Als Antonia Hoerschelmann an die Albertina kam, gab es in der Sammlung ein einziges Blatt von Hans-Georg Kern, der sich als Künstler Georg Baselitz nennt – nach seinem Geburtsort Deutschbaselitz in Sachsen. Heute besitzt das Museum 135 Zeichnungen, 80 Gemälde und 20 Druckgrafiken. Es habe damit eines der größten Baselitz-Konvolute weltweit.
Der Wahlsalzburger
Anlässlich seines 85. Geburtstags (am 23. Jänner) schenkte der Wahlsalzburger zwei grafischen Sammlungen, der Morgan Library in New York (ein weltberühmtes Kupferstichkabinett) und der Albertina 100 Blätter aus allen Schaffensperioden seit den 1960er-Jahren: Zug um Zug wurde der äußerst wertvolle Schatz im Sommer 2021 aufgeteilt. Und nun sind alle zusammen in der Albertina ausgestellt (bis 17. 9.). Bei vergleichbaren Arbeiten (zum Beispiel aus der Serie „Meine gelbe Periode“, 1997) oder Motiven zeigt sich, dass Hoerschelmann und Schröder zumeist das bessere Händchen hatten.
Im ersten Saal werden ganz frühe Arbeiten mit späten (aus 2006) verblüffend in Beziehung gesetzt; ansonsten aber ist die Ausstellung chronologisch gehängt. Erst mittendrin (ab 1969) beginnt Baselitz seine porträtierten Objekte und Landschaften auf den Kopf zu stellen. Beziehungsweise richtig: verkehrt herum zu zeichnen. Er rettete damit den Expressionismus und das Gegenständliche in die Gegenwart.
Doch irgendwann wurde auch diese Herausforderung zur Routine. Weil das Verkehrtherummalen kein reiner Marketinggag sein sollte (wenngleich der Wiedererkennungseffekt enorm ist), finden sich in der Schau auch ganz normale Zeichnungen. Zum Beispiel von Cowboystiefeln. Baselitz wollte mit ihnen Karl May die Ehre erweisen. Was nahe liegt: Der Autor lebte und starb in Radebeul – nicht weit entfernt von Deutschbaselitz.
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