Es gibt wohl keinen US-amerikanischen Künstler, der im Ausstellungsbetrieb der vergangenen 20 Jahre in Österreich präsenter war als Alex Katz. Die Werkschau „Cool Painting“ in der Albertina (bis 4. 6. 2023) ist bereits die vierte Solo-Ausstellung, die das Museum dem im Juli 1927 in Brooklyn, New York, geborenen Maler ausrichtet; auch im Museum der Moderne Salzburg und im Essl Museum hatte Katz bereits Einzelpräsentationen.
„Seit die Essl-Sammlung Teil der Albertina ist, haben sie hier sehr große Bestände – ich glaube, es gibt hier mehr Gemälde als in jedem anderen Museum mit Ausnahme des Colby College“, sagt Katz mit Verweis auf die Universität in Maine/USA, der er 1992 mehr als 400 Werke überantwortete. Der Albertina schenkte er danach allerdings fast sein gesamtes druckgrafisches Werk.
Dass das Museum erst jetzt eine große Katz-Werkschau zeigt, hat damit zu tun, dass im Vorjahr Kernbestände an die Jubiläumsschau des Guggenheim Museum in New York verliehen wurden, die vom Publikum gestürmt und von Kritikern hoch gelobt wurde, wie Katz nicht ohne Stolz erzählt. Es ist leicht, zu vergessen, dass der Maler, der seit über 70 Jahren aktiv ist, relativ lang auf den Erfolg warten musste – war er mit seiner Malerei doch lange ein Außenseiter im US-Betrieb.
„Um 1990 begannen einige europäische Händler mit mir zu arbeiten“, erinnert sich Katz. „Und Leute, die hier über meine Arbeit schrieben, holten mich aus dem Kontext der Pop Art heraus und sagten, mein Werk hätte mehr mit klassischer Malerei des 17. Jahrhunderts zu tun.“
Diese Verbindung habe er zwar nicht von sich aus gezogen, sagt Katz, doch sie entspräche durchaus seiner Logik. „Als ich so um die 30 Jahre alt war, gab es in New York eine Ausstellung mit Leihgaben aus Österreich“, erinnert er sich. „Ich sah einen Vélazquez (aus dem Kunsthistorischen Museum, Anm.) und sagte mir: Diese Werte will ich auch in meiner Malerei haben. Keine Sentimentalität. Absolute Einfachheit, denn ohne sie ist keine Eleganz möglich. Ich wollte einfach große Malerei schaffen. Die Pop Art hat sich zwar einiges bei mir abgeschaut, aber ich selbst wollte nie etwas malen, das so stark in seiner Zeit verhaftet war.“
Katz’ Motivwahl brachte ihm den Ruf des „coolen“ Malers ein: Häufig sieht man in seinen Bildern Menschen mit teilnahmslosen Gesichtern „schweigend ins Gespräch vertieft“, wie es in dem populären Reim heißt; in Bildern von Blumen, Bäumen oder Landschaften hält er unspektakuläre Momente fest. „Ich male keine Kreuzigungen oder so etwas“, sagt Katz lächelnd. „Am Anfang hat man mir gesagt: Mit diesen Inhalten kann man dich nicht ernst nehmen. Aber wenn ich etwas malen will, male ich es.“
Die Motive – Katz selbst nennt sie „fad und prosaisch“ – lenken mitunter davon ab, dass es dem Maler vor allem um die Wirkung geht, die ein Bild erzielen kann. „Ich versuchte immer, all die visuellen Dinge mit hineinzunehmen, mit denen man im Alltag torpediert wird“, erklärt Katz. „Das Fernsehen begann, Köpfe anzuschneiden, um dem Bild mehr Aggressivität zu verleihen – das wollte ich auch, also tat ich in meinen Bildern dasselbe. Manche Elemente kommen aus der Mode, manche von Werbetafeln. Das ist genauso inspirierend wie Vélazquez.“
Über die heute wieder verstärkt zu bemerkende Tendenz der Kunst, sich für soziale Anliegen zu engagieren, kann Katz nur die Nase rümpfen. Er selbst hatte sich in seiner Zeit an der Cooper Union-Kunstschule Ende der 1940er von der Idee freigespielt und lehnt seither jeglichen aktivistischen Überbau ab. „In dieser Art Kunst trägt der Inhalt das Bild. Ich will Bilder, die sich selbst tragen.“
Doch auch Distanzierung kann provozieren. Bis in die 1970er hinein, erzählt Katz, habe es Schreie der Entrüstung von Ausstellungsbesuchern gegeben, weil seine Idee einer „realistischen“ Malerei so gar nicht zu herrschenden Vorstellungen gepasst habe. „Man kann aber immer nur durch die Linse der Kultur sehen“, sagt der Künstler. „Wenn der Kunsthistoriker Ernst Gombrich sagt, impressionistische Malerei sei realistisch, und afrikanische Skulptur symbolisch, dann frage ich: ,Für wen?’. Auch Rembrandts Werke waren zu ihrer Zeit realistisch – heute sind sie einfach Gemälde.“
So wie Katz’ Bildinhalte mitunter von der gewieften Komposition und Farbgebung ablenken, so verschwindet auch Katz’ handwerkliche Finesse teilweise hinter der „coolen“ Anmutung seiner Werke. „Ein Mann, der neulich in meinem Atelier war, sagte: ,Es ist faszinierend – all diese Kunstfertigkeit, die keiner sieht“, sagt Katz mit einem Grinsen. „Man merkt sie nicht, aber sie macht einen Unterschied.“
Die Albertina-Schau, die von frühen, in der New Yorker U-Bahn hingeworfenen Zeichnungen über kleine Ölgemälde bis zu voll ausgearbeiteten Gemälden und Druckgrafiken Katz’ volles Spektrum abbildet, lässt den Prozess einen Schritt weit erspüren. Nach wie vor lege er zu jedem Gemälde erst eine Ölskizze an, erklärt der Maler dazu.
Der nächste Schritt bestand lange darin, die Komposition auf große Papierbögen zu übertragen und von dort auf die Leinwand durchzupausen – die Zwischenprodukte, so genannte „Kartons“, sind ebenfalls Teil der Schau.
In jüngster Zeit verzichtet Katz aber zunehmend auf diesen Schritt: „Ich male dann ein großes Bild, nass in nass“, erklärt der Künstler, den das fortgeschrittene Alter offenbar nicht daran hindert, weiterhin riesige Formate zu bearbeiten: „Ich arbeite mehr als je zuvor, es entstehen viele Bilder. Es ist gerade eine recht aufregende Zeit für mich.“
Beweisen muss Katz dabei nichts mehr. Über die Haltbarkeit seiner Bilder für die Kunstgeschichte macht er sich kaum Gedanken. „Man hofft, dass ein Bild in fünf Jahren noch gut aussieht“, sagt er. „Man kommt an den Punkt, wo man sagt, es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft. Die Verbindung zum Jetzt ist die einzige Realität, die man hat.“
Alex Katz, 1927 geboren, ist seit den späten 1940ern aktiv. Die Galerie Ropac zeigte ihn 1999 erstmals in Salzburg. „Alex Katz – Cool Painting“ ist bis 4. Juni in der Albertina zu sehen. Die Albertina Modern zeigt bis 23. 7. dazu weitere Druckgrafiken und Katz-Porträts von Chuck Close. Auch in der aktuellen Schau der Horten Collection, „Look“ (bis 16. 4.) finden sich seine Werke
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