Skandal? Das ist die Band, der die FPÖ "Terror-Verherrlichung" vorwirft

Es kommt wohl nicht ganz so häufig vor, dass die Witwe von Metal-Legende Ozzy Osbourne, Sharon Osbourne, und die Wiener FPÖ einer Meinung sind.
In der Ablehnung der nordirischen Hip-Hop-Band Kneecap aber sind sie sich einig.
Am Wochenende forderte die FPÖ die Absage des für 1. September geplanten Wien-Konzerts der Band, natürlich mit dem politischen Gepoltere der üblichen FPÖ-Aussendungstonalität („Wien darf nicht zum Tummelplatz für Terror-Verherrlicher werden“).
Wer also ist diese Band - und warum ist sie so umstritten?
Grund ist die dezidiert pro-palästinensische und israelkritische Position der Nordiren, die schon mehrfach für scharfe Kritik gesorgt und der Band rechtliche Probleme eingebracht hatte.
Wegen dieser provokativ zur Schau getragenen politischen Positionierung haben inzwischen, hält der Guardian fest, mehr Menschen eine Meinung zu Kneecap als je ihre Musik gehört haben (auf Irisch gesungener Hip-Hop ist nicht unbedingt Mainstream).
Die Band ist – mit Bob Vylan – Teil der großen Sommerpolitisierung der Rockfestivals: Die extreme Israelkritik beim Glastonbury-Festival wurde heiß diskutiert.
Kneecap jedenfalls hat damit schon eine längere Geschichte: Social-Media-Aufnahmen zeigen, dass die Band im November 2023 „Hoch Hamas! Hoch Hisbollah!“ gerufen haben soll. Ein Bandmitglied hielt wohl eine Flagge der Terrororganisation Hisbollah auf der Bühne in Händen – deswegen wurden in Großbritannien Ermittlungen nach dem Terrorismusgesetz aufgenommen. Nächster Prozesstag ist der 20. August.
Die Band weist die Vorwürfe zurück und sagt, dass ein Fan diese auf die Bühne geworfen und das Bandmitglied sie nur aufgehoben habe, ohne zu wissen, was darauf ist. Man habe weder Hamas noch Hisbollah unterstützt, sagten sie laut Guardian. Die Anklage sei nur ein Versuch, sie zum Schweigen zu bringen.
Schweigen dürfte jedenfalls nicht so ihre Sache sein. Auch beim US-Festival in Coachella gingen sie mit ihrer Israel- und US-Kritik („Genozid“) so weit, dass ihre dortige Buchungsagentur die Zusammenarbeit beendete. Sharon Osbourne, die selbst irisch-katholische und jüdische Wurzeln hat, beklagte die „Projektionen von anti-israelischen Botschaften und Hassrede“ der Band, „diese unterstützt offen terroristische Organisationen“, schrieb sie auf Social Media.
Die propalästinensische Schlagseite der Band hat zum Teil auch einen nordirischen Kontext: Dort solidarisiere sich die Mehrheit der Bevölkerung wegen vermeintlicher historischer Gemeinsamkeiten mit den Palästinensern, schrieb die New York Times. Beide Gruppen hätten nämlich durch die britischen Besatzer Leid und Unterdrückung erlitten. Kneecap setzt sich auch lautstark für irischen Nationalismus ein.
Auch das Ankämpfen gegen vermeintliche Mächtige, das im Hip-Hop eine lange Tradition hat, spielt hier eine Rolle. Die inhaltliche Position der Band ist – siehe Salzburger Festspieleröffnung – in der Kulturszene jedenfalls weiter verbreitet, als dass sie besondere Aufmerksamkeit verdiene – wäre da nicht die Zuspitzung. Und der große Zuspruch – bei Auftritten der Band sah man zuletzt zahlreiche Palästina-Flaggen.
In Großbritannien arbeiten sich vor allem die konservativen Boulevardzeitungen an der Band ab. Aber auch Kritik der jüdischen Verbände reißt nicht ab, und in Ungarn dürfen die Musiker für drei Jahre nicht auftreten.
Die Auftrittsliste der Band auf ihrer Webseite ist dennoch weiterhin ausführlich, es sind trotz vereinzelter Absagen und Terrorprozess zahlreiche Auftritte in Großbritannien und den USA geplant. Letztere dürften schwieriger werden, da Kneecap mit der Agentur auch die Visa verloren haben. Osbourne sprach sich dezidiert dagegen aus, der Band US-Visa auszustellen bzw. dafür, diese zu widerrufen.

Der KURIER hat beim Veranstalter des Wien-Konzerts, der im Herbst den ebenfalls kontroversiellen Rammstein-Sänger Till Lindemann nach Wien bringt, um Stellungnahme gebeten.
„Als Veranstalter verurteilen wir unmissverständlich jede Form von Antisemitismus, Terror und Gewalt – im Gazastreifen ebenso wie überall auf der Welt“, hieß es in einem übersandten Statement. „Nach unseren Informationen wurden weder die Band noch ihre Mitglieder jemals wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt. Die Ermittlungen zum Auftritt beim Glastonbury Festival wurden von der zuständigen Behörde eingestellt.“
Es wird auch auf zahlreiche Künstler verwiesen, die sich hinter Kneecap gestellt hätten, darunter Tom Morello, Massive Attack, Paul Weller und Brian Eno (die selbst wiederum für ihre Anti-Israel-Position kritisiert werden, Anm.).
Gegen die Wien-Auftritte von Lindemanns Band Rammstein machten damals übrigens vor allem die Grünen mobil, gegen Kneecap nun also die FPÖ. Auch die Debatte um die sogenannte Cancel Culture – die die Linken und die Rechten einander vorwerfen – wird so durch die Iren um einige Volten bereichert.
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