Sechs Festnahmen nach Störaktion bei Festspiel-Eröffnung

++ HANDOUT ++ SALZBURGER FESTSPIELE 2025: ERÖFFNUNG - STÖRAKTION
Palästina-Aktivisten störten die Rede von Vizekanzler Babler in der Felsenreitschule. Festrednerin Applebaum und Bundespräsident Van der Bellen, der die Festspiele dann eröffnete, sprachen daraufhin die Situation in Gaza an.

Die 105. Salzburger Festspiele wurden heute, Samstag, mit einem Festakt in der Felsenreitschule von Bundespräsident Alexander Van der Bellen offiziell eröffnet. Die Festrede hielt die polnisch-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum. Sie gilt als Kritikerin autoritärer Herrschaftssysteme. 

Gestört wurde die Eröffnung recht hartnäckig von Aktivisten mit Palästina-Flaggen und Transparenten, die während der Grußworte von Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler (SPÖ) schrien: "Blut an euren Händen!" Mehrere Aktivisten wurden von Sicherheitskräften aus dem Saal gebracht. 

Die Polizei gab später in einer Aussendung bekannt, dass es sich um sechs Personen handelte, die bis dato keine Angaben zu ihrer Identität gemacht haben. Nach derzeitigen Erkenntnissen dürften sie mittels gefälschter Mitarbeiterausweise über den Bühnenzugang, der von privatem Sicherheitspersonal überwacht wird, hineingekommen sein.

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Edtstadler: "Keine Tagespolitik, sondern die großen Fragen"

Die erste Stunde des Festakts verlief noch völlig unauffällig. Festspielpräsidentin Kristina Hammer betonte in ihrer Begrüßungsrede, dass es naiv wäre, zu glauben, dass allein eine Aufführung der "Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus "in ihrer erschütternden Aktualität" schon reichen würde, Despoten davon abzuhalten, eben diese letzten Tage einzuläuten.

++ HANDOUT ++ SALZBURGER FESTSPIELE 2025: ERÖFFNUNG - HAMMER

"Wir müssen aber dafür Sorge tragen", so Hammer, "dass diese Bibliotheken des Menschseins und die darin enthaltenen humanistischen Gedankenräume weiterhin allen offen stehen - und vor allem der nächsten Generation greifbar machen, was die Kunst über die reine Freude an der Aufführung hinaus aus Entdeckungswürdiges zu bieten hat."

Karoline Edtstadler gab um 11.30 Uhr ihre Premiere als Landeshauptfrau, während ihr Vorgänger, Wilfried Haslauer, im Publikum saß. 

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Die Salzburger Festspiele seien aus den Trümmern des ersten Weltkriegs als Friedensprojekt erwachsen, hätten Krisen und Kriegen standgehalten - und bis heute ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor für Salzburg, so Edtstadler. 

Die Festspiele verglich sie mit einem Ozeandampfer, der sich beharrlich seinen Weg bahne, neue Strömungen aufnehme, sich anpasse, aber letztlich stabil bleibe und Orientierung gebe. "Ein robustes, unerschütterliches Institut für Frieden, Humanismus und Menschlichkeit." 

Die Festspiele schaffen dies, so Edtstadler, weil sie die Tagespolitik draußen lassen und sich auf die großen Fragen der Menschheit konzentrieren.

Babler bot Diskurs an

Die darauffolgende Rede von Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler wurde, wie erwähnt, von gleich mehreren Zwischenfällen unterbrochen: Zunächst standen drei Aktivisten auf, brüllten und hielten eine Palästina-Flagge. 

Danach standen weitere Aktivisten auf und rollten auf der Galerie Transparente aus, auf denen zu lesen war: "Free Gaza" und "Stoppt den Völkermord". Ein Aktivist stürmte den Bereich, in dem das Orchester saß und hielt seine rot beschmierten Hände hoch.

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Babler schwieg, bis sich der Wirbel gelegt hatte und sagte dann, er könne einen offenen Diskurs anbieten: "Kunst als echte Debatte, Festspiele als Ort für echte Debatten - und das sollte uns einen, kritische Debatten miteinander auszutragen und gleichzeitig berechtigte Kritik in einem geeigneten Rahmen zu verhandeln."

Der Vizekanzler zitierte den kürzlich verstorbenen Claus Peymann: "Gute Kunst beschäftigt sich mit dem Auffinden von Wahrheit, wir erkennen durch sie etwas über uns selbst und unser Leben in einer sehr komplizierten Welt." 

So könnten Anlässe - "und ich sage das jetzt ganz bewusst mit den Hintergrundgeräuschen", so Babler - wie hier in Salzburg zu diesen Diskursräumen werden.

"Leid in Gaza muss beendet werden"

Auch Festrednerin Anne Applebaum ging auf den Vorfall ein. "Auch ich leide unter den Bildern verhungerter Kinder im Gaza-Streifen. Das erfüllt mich mit großer Sorge." Ebenso Nachrichten, wonach Menschen erschossen worden seien, die sich um Nahrungsmittel anstellten. "Israel muss das Völkerrecht einhalten und dafür sorgen, dass das humanitäre Leid in Gaza beendet wird", betonte die Historikerin. 

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"Fantasie und Kreativität können Angst und Kontrolle besiegen"

Sie setzte fort mit ihrer eigentlichen Festrede und fragte, was eigentlich der Zweck von Festspielen sei. Festspiele würden Menschen brauchen, die motiviert und ambitioniert seien. Sie würden nicht deshalb zum Erfolg, weil Mächtige es anordnen. Sondern, weil Menschen von Idealen beflügelt würden und aus freien Stücken zusammenarbeiten. 

Und damit wären wir gleich beim Thema ihrer Festrede, die den Titel „Demokratie und Festspiele“ trägt.

Die 1964 in Washington, USA, geborene Historikerin erinnerte an die Anfänge der Salzburger Festspiele. Niemand habe Hugo von Hofmannsthal, Max Reinhardt oder Richard Strauss den Auftrag gegeben, 1920, in einem Jahr der Not und des Hungers, Festspiele ins Leben zu rufen. Sie seien selbstbestimmt und aus der Gesellschaft gekommen und deshalb so authentisch. 

Kommunisten und Nationalsozialisten war das ein Dorn im Auge, wie die Geschichte zeigte. Aber auch heute sei die Zivilgesellschaft mit ihren freien Vereinigungen, ihrer künstlerischen Freiheit und der Freiheit insgesamt, die für viele so selbstverständlich geworden sei, wieder in Gefahr. 

Applebaum sprach von „schleichenden Veränderungen“. Politiker, die zivilgesellschaftliche Vereinigungen als Bedrohung wahrnehmen, seien an die Macht gekommen. Sie nennt allen voran Russland, wo Künstlerinnen und Künstler unterdrückt würden, aber auch auf Belarus, das unter direktem russischem Einfluss stehe, andere Autokratien von China über Venezuela bis Ägypten und „gefährdete Demokratien“ in Ungarn und Georgien. In den USA „könnten wir demnächst ähnliche Versuche erleben“. 

Aber auch Technologien und damit zusammenhängende Verhaltensweisen würden zur „Erosion der Zivilgesellschaft“ beitragen, so Applebaum. Anstatt sich in zivilgesellschaftlichen Organisationen einzubringen, die Gemeinschaftsgefühl, Toleranz und Konsens vermitteln, würden viele dem „Internet-Mob“ folgen, „Like“ klicken und weiterziehen. „Wir organisieren, planen und arbeiten nicht gemeinsam mit anderen. Wir praktizieren keine Demokratie“, so Applebaum. 

Die Online-Welt fördere Zynismus, Nihilismus und Apathie. Die lautesten, negativsten und schrillsten Stimmen würden die Sprache der Vernunft und die Debatte oft übertönen. 

Im Zeitalter des „einsamen Surfens“ und der Diktatoren, die Bürger auch daran hindern wollen, sich zu organisieren, stemme sich ein Kunstfestival und besonders dieses Festspiel, so Applebaum, „gegen den Trend“. Es schaffe ein Netzwerk der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Livedarbietungen für ein physisch anwesendes Publikum – und sei auch ein „Forum für Diskussion und Debatte“. 

Am Schluss zitierte sie den tschechischen Schriftsteller Vaclav Havel: „Fantasie und Kreativität können Angst und Kontrolle besiegen.“ 

Van der Bellen: "Vergesst nicht den Oktober 2023"

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen kam umhin, die Störaktion anzusprechen - auch, weil von den Aktivisten auf der Galerie sein Name genannt wurde. "Ja, ich bin ein Freund Israels, ich habe viele jüdische Freundinnen und Freunde. Das bedeutet nicht, jede Maßnahme der israelischen Regierung gutzuheißen, das wäre ja absurd."

Die Situation in Gaza sei "niederschmetternd und in keiner Weise humanitär zu rechtfertigen", so Van der Bellen. "Aber bitte vergesst auch nicht den Oktober 2023" - gemeint ist der Überfall der Hamas auf Israel, bei dem rund 1.200 Menschen getötet und 250 in den Gazastreifen verschleppt wurden. Laut Van der Bellen "das schlimmste Pogrom der Nachkriegszeit, das ein Trauma in Israel ausgelöst hat, mit dem wir jetzt alle zu tun haben". Das sei keine Rechtfertigung für das, was in Gaza passiere, betonte Van der Bellen. Nur eine Erinnerung.

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In seiner Rede sprach Van der Bellen dann "alle Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträger in unserer Republik und in Europa" an. "Verantwortung beginnt dort, wo Macht auf Menschen trifft." 

Und aus seiner Sicht gehöre es für einen Politiker dazu, "unbequeme Wahrheiten auszusprechen". Er appellierte an alle, das Taktieren zu lassen und an das große Ganz zu sehen. Er lud alle ein, nach bestem Wissen und Gewissen zu überprüfen und sich bewusst zu machen, dass Werte nur so viel wert seien wie die Taten, die wir für sie setzen. 

Arbeitsgespräch am Rande der Festspiele

Zahlreiche Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft und Kunst sind zur Eröffnung geladen worden, darunter der rumänische Präsident Nicusor-Daniel Dan, der bereits am Freitag von Bundespräsident Van der Bellen in Salzburg empfangen wurde. 

Aus der Bundesregierung sind unter anderem Kanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ), Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos), Staatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (SPÖ) vertreten. Stocker wird am Abend den deutschen Kanzler Friedrich Merz (CDU) zu einem Arbeitsgespräch treffen. Aus den Bundesländern saß unter anderem Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner

174 Aufführungen 

Das Mozarteum-Orchester spielte Werke von Ludwig van Beethoven, Ernest Bloch und Wolfgang Amadeus Mozart. Am Abend folgt mit "Giulio Cesare in Egitto" von Georg Friedrich Händel die erste szenische Opernproduktion in diesem Sommer.

Am Abend folgt mit "Giulio Cesare in Egitto" von Georg Friedrich Händel die erste szenische Opernproduktion in diesem Sommer.

Das Festival startete bereits vor einer Woche mit der Ouverture Spirituelle und der Premiere des "Jedermann" mit Philipp Hochmair in der Titelrolle und Deleila Piasko als Buhlschaft. 

Bis einschließlich 31. August stehen 174 Aufführungen in 45 Tagen an 16 Spielstätten sowie 37 Vorstellungen im Jugendprogramm "jung & jede*r" auf dem Programm.

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