Klimts "Bildnis Fräulein Lieser" für 35 Millionen Euro verkauft
Ein Bietergefecht sieht anders aus: Um 28 Millionen Euro ausgerufen, wurde das Gemälde "Bildnis Fräulein Lieser" von Gustav Klimt von 1917 am Mittwochnachmittag im Auktionshaus im Kinsky um 30 Millionen Euro zugeschlagen. Inklusive Prämien muss der neue Besitzer 35 Millionen bezahlen. Es ist die mit Abstand höchste Summe, die je bei einer Auktion in Österreich gezahlt wurde.
Die Käuferin, die das Gebot abgab, saß im Saal. Es handelte sich um die ehemalige Sotheby's-Mitarbeiterin Patti Wong, die mit ihrem Partner Daryl Wickstrom eine Beratungsfirma für asiatische Sammler betreibt. Offiziell bestätigt wurde letztendlich nur, dass diese im Auftrag eines Bieters aus Hongkong gehandelt hatte (*).
Hongkong darf Wien werden
Hongkonger Sammler - allen voran die Unternehmerin Rosaline Wong mit ihrer Firma "Home Art" - haben einige der spektakulärsten Klimt-Käufe der vergangenen Jahre getätigt. So wechselte das Gemälde „Adele Bloch Bauer II“, nach der Restitution und Auktion 2006 lange im Besitz von Talk-Queen Oprah Winfrey, ebenso in den Besitz von „Home Art“ wie das Klimt-Werk „Wasserschlangen“. Beide Gemälde waren zuletzt als Leihgaben in Wien zu sehen gewesen. Die Agentin Patti Wong hatte im Juni 2023 bei Sotheby's London auch das Siegergebot für Klimts „Dame mit Fächer“ abgegeben – das Werk erzielte mit 85,305 Millionen Pfund (99,33 Mio. Euro) den bisher höchsten Preis für ein in Europa versteigertes Kunstwerk. Die Auftraggeber blieben hier anonym.
Noch knapp vor der Auktion hatten sich die Ereignisse überschlagen: Nur eine Stunde vor Beginn der Auktion veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Bericht, wonach sich ein bisher noch nicht bekannter Mann mit Erbansprüchen beim Österreichischen Bundesdenkmalamt gemeldet und dieses aufgefordert habe, die erteilte Ausfuhrberechtigung nicht zu erteilen.
Schwierige Herkunftsgeschichte
Das nun versteigerte „Bildnis Fräulein Lieser“ hing laut Katalog „seit Mitte der 1960er-Jahre stets im Salon einer Villa in der Nähe Wiens“. Der Einbringer des Gemäldes blieb bis zuletzt anonym. Er habe sich aber an die Nachfolger der Familie Lieser gewandt, um im Sinne der Washingtoner Prinzipien eine „faire und gerechte Lösung“ herbeizuführen, hieß es. Das bedeutet, dass man Erben der ursprünglichen Besitzer am Auktionserlös beteiligt. Die Familie Lieser gehörte dem jüdischen Wiener Bürgertum an und wurde vom nationalsozialistischen Regime verfolgt. Zur Frage, was nach 1938 mit dem Bild geschah, bestehen aber noch immer einige Unklarheiten.
Erika Jakubovits von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) urgierte, dass in solchen Fällen dieselben Maßstäbe angelegt werden sollten, wie wenn es sich um einen Rückgabefall aus den Bundesmuseen handle: „Ich meine, dass in diesem Fall der Eigentümer nicht feststeht.“
"Faire Lösung"
Bisher ging man von zwei möglicherweise anspruchsberechtigten Erbengruppen aus. Wesentlich dabei ist die Frage, welcher Teil der Familie Lieser - die Brüder Justus und Adolf Lieser waren als Produzenten von Hanfseilen zu erheblichem Reichtum gelangt - das Porträt bei Gustav Klimt 1917 in Auftrag gegeben hatte. War es Adolf Lieser, der seine Tochter Margarethe Constance darstellen ließ? Oder war es doch Henriette Lieser-Landau, die als Frau von dessen Bruder Justus als Kunst- und Musikmäzenin bekannt war und eine ihrer Töchter, Annie oder Helene, porträtieren ließ?
Während die Fachliteratur lange die erste These favorisierte, mehrten sich zuletzt - etwa durch Recherchen des Standard nach der offiziellen Bekanntgabe der Auktion - Hinweise auf die zweite Variante.
Für den Verkauf sei die Auseinandersetzung insofern nicht relevant, als die im Vorfeld geschlossene Vereinbarung alle Zweige der Familie berücksichtigte und "mit Versteigerung des Kunstwerks und Bezahlung des Meistbots sämtliche denkbaren Ansprüche aller Beteiligten abgegolten und erfüllt sein werden", wie der Anwalt und "im Kinsky"-Geschäftsführer Ernst Ploil im Vorfeld ausführte. Ganz auszuschließen ist nicht, dass die Verhandlungen mit Berücksichtigung der zuletzt aufgetauchten Puzzlesteine etwas anders verlaufen wären.
Von der Süddeutschen Zeitung mit dem neuen Antragsteller konfrontiert, hieß es aus dem Auktionshaus, man werde sich nach der Auktion damit auseinandersetzen, um eine „faire Lösung“ zu finden. Das Denkmalamt erklärte, dass Anprüche zunächst innerhalb der Familie zu klären wären.
(*) Dieser Text wurde am 25. 4. nachträglich aktualisiert: Nachdem „im Kinsky“-Geschäftsführer Ernst Ploil nach der Auktion am Mittwoch mehreren Medienvertretern bestätigt hatte, dass die Agentin Patti Wong im Auftrag der Hongkonger Unternehmerin Rosaline Wong und ihrer Firma „Home Art“ gehandelt hatte, ruderte er am Mittwoch, offenbar aufgrund einer Verwechslung, zurück. Der Endkäufer ist damit nicht offiziell bestätigt.
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