K.M. Brandauer: "Die Musik überlebt alles"

Brandauer
Der Burg-Star Klaus Maria Brandauer über Wagner, Shakespeare und das Älterwerden.

Wagner im Theater an der Wien und Shakespeare an der BurgKlaus Maria Brandauer hat viele Pläne und plant dennoch nichts. Am Mittwoch aber bittet der Schauspiel-Gigant im Theater an der Wien zu einer „Pilgerfahrt zu Beethoven“ – verfasst von Wagner. Ein Gespräch.

KURIER: Sie eröffnen die neue Saison im Theater an der Wien mit Wagners Novelle „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“. Wie kam es zu diesem Projekt?
Klaus Maria Brandauer:
Vor einigen Jahren hat mir das Beethoven-Fest Bonn diesen Text vorgeschlagen, ich kannte die Novelle vorher gar nicht. Ein überaus reizvolles und vergnügliches Werk, welches Wagner auf ganz andere Weise zeigt, als man ihn als Autor seiner Musikdramen kennt. Roland Geyer hat mich gefragt, ob ich das zur Eröffnung machen möchte, und nun spielt Lars Vogt Beethoven am Klavier, und ich lese Wagner.

In dieser Novelle schildert Wagner seine fiktive Begegnung mit Beethoven und legt diesem seine eigenen künstlerischen Ideale in den Mund ...
Das ist natürlich eine unglaubliche Anmaßung! Aber man muss das historisch einordnen: Wagner war, als er die „Pilgerfahrt“ geschrieben hat, Mitte 20, auf der Flucht vor seinen Gläubigern in Paris gelandet und völlig mittellos. Er musste förmlich um jeden Bissen Brot kämpfen. Denn trotz der Protektion von Giacomo Meyerbeer kam Wagner in Paris nicht an, er war ein Außenseiter ...

Und einer, dessen Musik bis heute polarisiert. Können Sie nachvollziehen, dass jemand Wagner nicht mag?
Es hat ein jeder das Recht, diese oder jene Musik, diesen oder jenen Komponisten nicht zu mögen. Ich sitze bei Wagner drinnen und denke mir: Gigantisch!

In Köln haben Sie 2006 Wagners „Lohengrin“ inszeniert ...
Das war eine glückliche Zeit. Allein die Tatsache, jeden Morgen in die Oper zu kommen, im Hintergrund hört man bereits die Musiker, die sich einspielen, die Streicher, das Wummern der Hörner – großartig. Das Schöne an der Musik ist ja, dass sie alles überlebt. Da kann man inszenieren, was man will – die Musik ist einfach stärker, sie lässt sich nicht so leicht beschädigen.

Würden Sie gern wieder eine Wagner-Oper inszenieren?
Ja, warum nicht!

Welche zum Beispiel?
Was kommt, das kommt. Ich plane so etwas nicht mehr.

Und woher kommt Ihre Liebe zur Musik?
Durch meine Mutter. Mein Vater hat immer schon zu Weihnachten den nächsten Sommerurlaub geplant. Er war für die Reise zuständig, meine Mutter für die Kultur. Ich weiß noch, wie wir in der Arena di Verona die „Tosca“ gesehen haben – mit Franco Corelli. Musik ist so unverschämt. Sie packt einen und man muss dann mit ihr umgehen. Aber zumindest anfangs braucht man jemanden, der einem dabei hilft. Als ich Corelli gehört habe, habe ich zu meinen Eltern gesagt: Das möchte ich auch einmal machen. (lachend): Na ja, daraus ist nichts geworden.

Dafür aber das Theater ...
Theater ist ein bisschen anders. Am Theater müssen wir als Schauspieler unser eigenes Ouvertürerl finden. Oder, wenn wir’s besser können, sogar unsere eigene Ouvertüre. Am Theater gibt immer erst der Autor, dann der Regisseur den Takt, den Einsatz vor. Aber natürlich kommt die Klangfarbe dann von uns Schauspielern. Theater ist immer Gemeinschaft, ist immer Ensemble. Ein Ensemble heißt ja nicht grundlos so. Wer das nicht glaubt oder nicht glauben will, hat da nix zu suchen.

Sie werden nach längerer Pause ab Dezember am Burgtheater William Shakespeares „King Lear“ spielen ...
Dieses Stück, dieser Lear – mit all seinen Brüchen, seiner Irrationalität und auch seiner Klarheit ... bei Shakespeare findet man etwas, das sich nicht so leicht fassen lässt. Dass der „Lear“ am Burgtheater stattfindet, freut mich ganz besonders. Das Haus ist seit mehr als 40 Jahren meine künstlerische Heimat.

Sie waren auch wieder in zwei Filmen zu sehen. In „Der Fall Wilhelm Reich“ und in „Auslöschung“, einem bewegenden Drama über Alzheimer.
Film ist etwas ganz anderes als Theater. Auf der Bühne muss ich zu einem Charakter werden. Den muss ich bereits vorher finden und dann mit allem, was ich habe, spielen. Im Film darf man so wenig wie möglich versuchen, den jeweiligen Charakter darstellen zu wollen. Film hat mehr mit einem selbst zu tun, die eigene Person zählt mehr. Das ist ein Unterschied.

Gibt es neue Filmprojekte?
Wie gesagt: Ich plane beruflich nicht allzu großzügig voraus. Das habe ich nie getan. Bleiben wir ruhig bei der „Auslöschung“: Wenn man in seinem Beruf aufgeht, wenn man plant, tut und macht, dann ist das gut, ist das herrlich. Aber was passiert denn, wenn einem real so eine Krankheit wie etwa Alzheimer ereilt? Dann muss man damit leben, damit umzugehen lernen. Aber Beruf ist das eine, das Leben das andere. Früher zum Beispiel habe ich mich recht gern in meinen Filmen gesehen ...

Heute nicht mehr?
(lachend:) Das hat dann so ab Mitte 30 langsam abgenommen. Heute ist mir das nicht mehr so wichtig. Aber wenn mich ein Thema interessiert, wenn ich etwas dazu zu sagen habe, dann bin ich immer wieder gern dabei. Das Leben ist immer eine Uraufführung. Und ich mag – je älter ich werde – dieses Unabwägbare, das es auch in der Musik gibt, immer mehr. Ich nehme zwar zur Kenntnis, dass eins und eins zwei ist. Aber unsere Schulweisheit ...

... ist nicht der Weisheit letzter Schluss?
Genau! Jetzt sind wir schon wieder bei Shakespeare ...

Biografie

Klaus Maria Brandauer wurde am 22. Juni 1943 in Bad Aussee geboren und zählt zu den bedeutendsten Schauspielern der Gegenwart. Seit 1972 ist er fixes Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater, wo er alle großen Rollen gespielt hat. Brandauer hat öfters auch selbst Regie (Oper und Theater) geführt. Er lehrt am Wiener Max-Reinhardt-Seminar und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Hollywood

Brandauer spielte unter der Regie von István Szabó in Filmen wie „Mephisto“, „Oberst Redl“ und „Hanussen“ und war Sean Connerys Gegenspieler in dem James-Bond-Film „Sag niemals nie“. Für seine Rolle als Baron Blixen in dem mehrfach prämierten Film „Jenseits von Afrika“ wurde er für den Oscar nominiert und bekam den Golden Globe. Auch in dem Film „Das Russland-Haus“ war er zu sehen.

Termine

Mittwoch Theater an der Wien: „Eine Pilgerfahrt zu Beethoven“. Mit Lars Vogt am Klavier. Beginn: 19.30 Uhr. Ab Dezember 2013: „King Lear“ von William Shakespeare. Regie: Peter Stein, Burgtheater.

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